162
Der Sommerfeldzug 1914 gegen Rußland
gebend" zu sein. Auf den Herzenswunsch Conrads wies ganz schüchtern
einzig die Bemerkung hin, daß selbst der Narew mit seinen Befesti¬
gungen der deutschen 8. Armee, wenn überhaupt eine Offensive in süd¬
östlicher Richtung möglich sei, „keine unüberwindlichen Hindernisse"
bieten dürfe. Weisungen solch gemäßigter Sprache, den weitgehenden
Forderungen des Bundesgenossen entgegengehalten, boten dem ohnehin
nicht sehr zuversichtlichen GO. Prittwitz Handhabe genug, sich zunächst
der Behauptung Ostpreußens zu widmen, ohne die man deutscherseits
auch den Vorstoß über den Narew als unausführbar erachtete.
Gleich dem Schreiben vom 15. blieb denn auch ein weiterer Brief,
den Gdl. Conrad zwei Tage später an Prittwitz abgehen ließ, ohne Er¬
folg. Die deutsche 8. Armee hatte zu dieser Stunde bei Gumbinnen schon
den Fehdehandschuh aufgenommen, der ihr von Rennenkampf zuge¬
worfen worden war.
Am 16. August, in der zweiten Morgenstunde, hatten Erzherzog
Friedrich und Gdl. Conrad mit ihrem engeren Stabe Wien verlassen. Es
war dem schlichten Denken des Armeeoberkommandanten und auch der
jedem Aufsehen abholden Art des Generalstabschefs angepaßt, daß die
Abreise in aller Stille vor sich ging. Nach mehr als 3 6 stündiger Fahrt
erreichte die Heeresleitung am 17. um 5h3° nachm. die Sanfeste Przemysl,
wo sie in den Baracken von Zasanie auf Stroh und bei Petroleumlicht ihr
Lager aufschlug. Schicksalsschwere Nachrichten harrten ihrer: unten im
Südosten wurde schon seit einigen Tagen erbittert gerungen und auch an
der galizischen Grenze waren allenthalben längst die ersten Schüsse ge¬
fallen und junges Blut hatte die sommerliche Erde gerötet. Dazu die
brennenden Fragen der politischen Gestaltung auf dem Balkan und die
wahrlich kaum mehr wohlwollende Haltung Italiens!
Die Vorsehung hatte auf die Schultern derer, denen nun die Leitung
des öst.-ung. Heeres zufiel, eine fast erdrückend schwere Last gelegt.
Versammlung des öst.-ung. Nordheeres
Bereitstellung und Fernaufklärung
Entgegen den ursprünglichen Besorgnissen vergingen auch seit Be¬
ginn der Eisenbahnbewegung noch einige Tage, ehe, um den 9. August,
die ersten Reitergeschwader des Feindes zwischen dem Bug und der
Bukowina nach Galizien vorfühlten. Der öst.-ung. Grenzschutz, Kaval-