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Der Sommerfeldzug 1914 gegen Rußland
divisionen der linke Flügel am 20., der rechte am 23. August vor-
rückungsbereit sein konnte. Nach dem Zufluß von weiteren 8 Infan¬
teriedivisionen stand Ende August in Mittel- und Ostgalizien eine
Heeresmacht von 38V2 Infanteriedivisionen, 2 Marschbrigaden, 8 Land¬
sturminfanteriebrigaden und (vor der Front) 10 Kavalleriedivisionen
mit zusammen 670 Bataillonen, 330 Schwadronen und ebensovielen
Batterien zur Verfügung. Gelang die Versammlung der 30l/2 Divisionen
ohne Störung durch den Feind, so sollte ehestens zur Offensive ge¬
schritten werden, deren Ziel auf jeden Fall war, die Armeen der russi¬
schen Südfront gegen Osten und Südosten abzudrängen. Wenn die
Hauptkraft des Feindes von Osten kam, so hatte der linke Flügel des
eigenen Heeres sofort — das ist am 20. August — in dieser Richtung
einzuschwenken, um im Anschluß an den rechten alsbald in eine von
Nord nach Süd verlaufende Front zu gelangen. Drohten starke feind¬
liche Kräfte von Norden her, dann mußten sich die k. u. k. Armeen vor¬
erst mit rechts gestaffeltem Vormarsch in dieser Richtung Luft schaffen;
der linke Flügel sollte hiezu am 22. antreten, der rechte nach Ge¬
winnung der vollen Schlagfertigkeit folgen. Der Schutz der Westflanke
war auf jeden Fall der aus einer Kavalleriedivision, einem Radfahr¬
bataillon und 44 Landsturmbataillonen samt Artillerie bestehenden Armee¬
gruppe GdK. Kummer anvertraut, die am 17. August von Krakau aus
nach dem von den Russen tatsächlich geräumten Südwestpolen vorzu¬
stoßen und in weiterer Folge aufwärts von Iwangorod die Weichsel zu
überschreiten hatte.
Die Zusammenarbeit zwischen dieser Gruppe und dem Korps
Woyrsch, das von Kalisz und Czenstochau aus über Radom auf Nowo-
Aleksandrija vorrücken sollte, regelte sich von selbst. Was das Zu¬
sammenwirken der Hauptkräfte anbelangte, so drückte sich die eben
eingelangte Mitteilung des deutschen Generalstabes keineswegs mehr so
entschieden aus, wie es Conrad nach den Abmachungen der Friedens¬
zeit erwartet hatte1). Auf Grund dieser Vereinbarungen rechnete Conrad
bestimmt mit einer Offensive des deutschen Ostheeres „in der Richtung
Siedice", also in den Rücken von Warschau. Diese Offensive war für
den Generalstabschef ein wesentlicher Bestandteil des vor dem Kriege
emvemehmlich aufgestellten Operationsplanes gegen Rußland; blieb sie
aus, dann fehlte der eine der Hebel der „polnischen Zange", in die
x) Vgl. S. 13 f und Conrad, I, 404; weiter Kiszling, Das deutsche Ost¬
heer im Sommerfeldzug 1914 (Mil. wiss. Mitt., Wien 1924, 385 ff) sowie Reichs¬
archiv, Der Weltkrieg 1914—1918, II (Berlin 1925), 3 ff.