Volltext: Vom Kriegsausbruch bis zum Frühjahr 1915 (1 ;)

überschwemmt und ungangbar sein. Der zunehmende Wasserstand des S^kowabaches drohe alle 
Übergänge gänzlich wegzureißen. 
Wegen der feindlichen Waffenwirkung konnte den Kämpfern in der Schwarmlinie nur nachts 
Proviant und Munition zugeschoben, die Verwundeten zurückgetragen und die Toten begraben 
werden. Seit dem 17. März hatten die müden Streiter nichts mehr Warmes im Magen. Nach 
Tauwetter am Tage trat nachts Frost ein. Es war den Trabenbesatzungen unmöglich, das nah- 
gewordene Schuhzeug zu wechseln. Das Verharren in den feuchten Gräben fraß Kraft und Nerven, 
Erfrierungen waren ebenso zahlreich als Verwundungen. 
Todmüde vom Angriff und ausgekältet vom podolifchen Winter, lagen die 4er Kaiserjäger in 
ihren Kampfstellungen am Sqkowabache. Der Tag verstrich langsam. Endlich, in der Nacht zum 
20. März, schlug für das II. Bataillon die Erlösungsstunde. Es wurde am SUdhang der Höhe 507 
durch das I. Bataillon der 1 er Kaiserjäger abgelöst, was rnssischerseits bemerkt wnrde. Das feind- 
liebe Störungsfeuer rief auf der ganzen Front eine nutzlose Schießerei hervor. Die Fahrküchen des 
3. Regiments, die bis unmittelbar hinter die Schwarmlinie vorgefahren waren, um den Stellung«- 
Kompagnien nach langer «Zeit wieder warme Kost zu bringen, waren gerade auf der Rückfahrt und 
erlitten durch das gleichfalls einsetzende feindliche Geschützfeuer schmerzliche Verluste. Die zur 
Abwehr eines befürchteten Vorstoßes der Russen durch das Tal des M^cinabaches hinter dem 
rechten Flügel der %. Brigade herangezogenen Teile des 1. Regiments (5., 7., 10. und 11. Kom- 
pagnie) wurden alarmiert und auch die restlichen vier Kompagnien (6., 8., 9. und 12.) nächst der 
Kote 408 östlich von Siary bereitgehalten. Gleichzeitig machten sich auch die hinter dem linken 
Flügel der 9b. Brigade befindlichen Kompagnien (1., 3. und 4.) des 3. Regiments und die Reserven 
in Siarcz, darunter das I. Bataillon des 4. Regiments, kampfbereit. Der nächtliche Spuk war bald 
vorüber. Das II. Bataillon des 4. Regiments konnte aus seiner bisherigen Stellung gezogen und 
nach Siary verlegt werden. 
Ein Mitkämpfer schildert in plastischer Darstellung das Einrücken in die Kampffront und die 
Verhältnisse in den von den Kaiserjägern besetzten Stellungen am S^kowabache: 
„Es war ein windiger, trüber Märztag, zeitweise schneite es. Als wir aus unseren Quartieren 
abrückten, begann es schon finster zu werden. Wir konnten also, unbekümmert um die mögliche Ein- 
sicht des Feindes, in den uns zugewiesenen Stellungsabschnitt marschieren. 
Beiderseits unseres Weges lagen die Hütten von Sqkowa, meist Holzbauten, mit Stroh gedeckt; 
keine Menschenseele war zu sehen. Das Ganze schien wie ausgestorben und gab in der Melancholie 
des Wetters einen recht traurigen Anblick. An der Front vorne fiel ab und zu ein Schuß. Kugeln 
pfiffen vorbei und gingen weit hinter uns irgendwo in die Tore der armseligen Keuschen. Dann 
bogen wir links ab, stampften durch den durchwässerten Schnee quer Uber Felder, überschritten auf 
Stegen den Sykowabach und krochen die Böschung am anderen Ufer hinauf. Der steile Hang war 
am Fuße vom Sickerwasser des Schnees durchtränkt. Der Aufstieg war daher ziemlich beschwerlich, 
ein Mann mußte den anderen stützen und schieben, die Füße fanden auf dem lehmigen Boden keinen 
Halt. Viele, die schon die Böschung zur Hälfte überwunden hatten, rutschten ans und glitten in dem 
Dreck, andere mitreißend, den Hang hinunter. Anfänglich machte es den Sägern Spaß und sie hoben 
immer ein großes Gelächter an, wenn einer heruntergeflogen kam, über und Uber mit Dreck bedeckt. 
Als dies Geschick ziemlich allgemein wurde, begann man aber zu schimpfen und zu fluchen. 
Mittlerweile war es stockfinster geworden. Oben wanderten wir auf einem ausgetretenen Pfad 
an einem einsamen Hause vorbei über einen freien, sanft ansteigenden, schneebedeckten Hang westlich 
des M^cinabaches. Der Schnee hier oben war nicht so schmutzig wie unten im Tale an der Straße 
um die Häuser herum und er hellte die Finsternis auf. Wir waren erst einige Minuten marschiert — 
da sahen wir vor uns schwarze Löcher. Dies waren die Kampfgräben, ans denen die alte Besatzung 
mit Eile herausstieg. Langes Herumstehen der Ablösung außerhalb der Gräben war nicht ratsam, 
ein jeder drängte sich, zu so einem schwarzen Loch zu kommen, und rasch war alles in den Gräben 
untergebracht. Da blieb man aber gleich stecken, sah nach rechts und nach links, beiderseits gähnte 
einem der Rachen einer finsteren Höhle an. Es war aber nicht viel zu überlegen, man wußte weder 
was auf der einen noch auf der anderen Seite komme und kroch halt irgendwo auf allen Bieren ins 
372
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.