Volltext: Das Trugbild von Versailles

Gewinn Syriens bilden die Fortsetzung dieser historisch geordneten Politik. 
Zypern und Ägypten gingen wieder verloren, aber der Besitz der geschlosse 
nen nordwestafrikanischen Landmasse wog den Verlust auf. Der französische 
Genius hat die mediterranischen Eroberungen nicht als überseeisches Reich, 
sondern als Erweiterung der kontinentalen Grundlage betrachtet und danach 
behandelt. Das westliche Becken des Mittelmeeres ist zu einem französischen 
Binnensee geworden. Die Grenzen Frankreichs greifen daher über die 
europäische Landfeste hinaus und ziehen die nordafrikanischen Besitzungen 
an die französische Küste heran. 
Frankreich stützte den Kuppelbau seiner Macht auf den Rhein und den 
Niger und faßte die kontinentale und die transmediterranische Stellung 
im Sinne seiner Rheinpolitik zusammen. Das maritime Dreieck Bizerta- 
Marseille-Agadir erschien als Ergänzungsfeld des kontinentalen Dreiecks 
Brest-Marseille-Lüttich. Straßburg und Fes standen strategisch ver- 
bunden. Der Niger bildete die äußerste potamische Kraftlinie des großen 
Stromliniensystems, das vom Äquator bis zum Rhein gestaffelt lag. 
Marseille war von der Peripherie in den Mittelpunkt des französischen 
Machtkreises gerückt worden. 
Der Zirkel, der bei Lyon im Rhonetal eingestoßen wird und die periphe- 
rischen Punkte dieses Kreises zn bestimmen sucht, wirft seinen Schatten 
von der Sttaße von Bonifacio bis zum Ärmelkanal und von den Pyre 
näen bis zur bayrischen Lochebene. Die französische Kolonialpolitik er- 
scheint kontinental gebunden. 
Das französische Kolonialreich ist in der Tat eine groß 
artige Lilfskonstruktion zur Bewahrung der europäischen 
Vormachtstellung. Diese Entwicklung lag vorgezeichnet, als Frank 
reich im Jahre 1912 seine ozeanischen Küsten mit einem kühnen Schachzug 
dem Schutze der englischen Flotte unterstellte und seine Geschwader im 
Mittelmeer vereinigte. England handelte damals im Sinne der Entente 
cordiale und unter dem Albdruck, den die deutsche Flotte in der Nordsee 
übte. Im Jahre 1923 lag die deutsche Flotte, deren Flagge siegreich am 
Skagerrak geweht, auf dem Grunde des Meeres, aber die Entente cordiale 
war zu einem Zwangsverhältnis geworden. Trotzdem sprach das strategische 
Verhältnis nicht zugunsten Englands, sondern zugunsten Frankreichs. Die 
französischen Küsten waren mitnichten entblößt, obwohl die französische 
Flotte immer noch im Mittelmeer zusammengehalten wurde. Das Llntersee- 
boot, das Küstenferngeschütz und die Flugwaffe sicherten die französischen 
Gestade vor dem Alliierten der Marokkotage und des großen Krieges und 
bedrohten die englische Küste stärker, als die französische Lochseeflotte 
je getan. Die französische Armada blieb mit Bedacht im Mittelmeer 
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