entgegenzunehmen, durch welche England und Frankreich die Erträgnisse
aus der deutschen Dienstbarkeit zu steigern und zugleich Deutschlands
Erstarkung zu hindern suchten, es hatte sich dem Dawesgutachten unter
zogen, das das politisch gedachte Reparationsproblem auf eine internatio
nale wirtschaftliche Grundlage stellte, es hatte am Rhein wirtschaftliche und
territoriale Sanktionen über sich ergehen lassen, sah seine Verwaltung dort
entwurzelt und des Landes verwiesen, sah die rheinischen Bahnen in fran
zösischen Betrieb übergehen, sah hunderttausend Menschen im Frieden
aus ihrer Leimat getrieben und dadurch eines der elementarsten Menschen
rechte beraubt, sah Lunderte in die Gefängnisse wandern, hörte Blut-
urteile sprechen und mehr als 300 Ordonnanzen verkünden, von denen
kein Vertrag wußte, es hatte die Zerreißung Oberschlesiens, die vertrags
widrige Behandlung des Saarlandes, den kriegsmäßigen Einbruch in
das Ruhrbecken und ins badische Land erduldet und wurde nun vom Ab-
schluß eines Rheinpaktes bedroht, der nichts anderes war, als ein von Frank
reich vorbereitetes französisch-englisch-belgisch-polnisches Waffenbündnis,
das die Legemonie Frankreichs am Rhein sicherstellte, Deutschland dem
Durchzug fremder Kriegsvölker preisgab und ihm keinen einzigen Rechts-
anspruch mehr übrig ließ. Das schien um so gefährlicher, da Frankreichs
innere Schwäche noch nicht sichtbar geworden war und England in seinem
diplomatischen Kampfe mit Frankreich nur den britischen Interessen diente
und sich der Wahrung europäischer und deutscher Belange entschlug.
Aber hieß es nicht Gott versuchen, wenn Deutschland nach solchen Er
lebnissen und unter solchen Umständen noch einmal eine Konferenz heraus
forderte, zu der England Deutschland sicherlich nicht ohne Vorwiffen Frank
reichs lockte? Tat Deutschland nicht besser, in der ihm in Versailles auf
erlegten Rolle des Objekts zu verharren und dadurch das britisch eWeltreich
zu zwingen, die Front zu verkehren? Man kann auch aus Schwäche handeln
und im Gefühle wachsender Stärke sich versagen. Konnte Deutschland, wenn
es sich in das englisch-französische Spiel mischte, deutsche Rechte und eigene
Interessen wahren oder fielen seineTrümpfe unter seine beidenGegner verteilt?
Aus diesen zweifelschweren Fragen blickt die beängstigende Fülle und
Größe des Problems, vor das Deutschland sich zu Beginn des Jahres 1925
gestellt sah, als die innern Kämpfe zum erstenmal in einer Präsidentschafts,
wähl gipfelten und an Stelle des in dm Sielen sterbenden klugen Volks-
Mannes Friedrich Ebert die vom kategorischen Imperativ der Pflicht
beherrschte Charaktergestalt des greisen Feldmarschalls von Lindenburg
zum Vorsitze der Republik aufsteigen sollte.
Deutschland entschloß sich zu handeln. Es suchte das drohende Bündnis
der peripherisch gelagerten Mächte zu verhindern, indem es in einer
337
Gtsgemarm, Versailler 22