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tracht das Elsaß hinweg. Frankreich steht in Breisach auf dem rechten
Äser des Rheins, überschattet die Schweiz, entmannt Lothringen, wirft sich
auf die spanischen Niederlande und die Franche Comt6 und empfängt im
Augenblick, da es den Fuß auf das oberrheinische Äser stellt, die An
wartschaft aus die Hegemonie in Europa. Der Westfälische
Friede läßt ihm die Wege ins Reich offen, die Einheit des Sttomgebiets ist
zerrissen, der Zwang zur Sicherung des eroberten Gebiets führt Frankreich
über den Sttom hinaus.
Die französische Rheinpolitik mündet in unverhüllte Eroberungskriege.
Deutschland ist entkräftet, nahezu völlig aufgelöst zurückgesunken. Mit dieser
Z ertrümmerung b eginnt die große europäische An ruhe, die keine Ruhe
lage mehr kennt. Sie gebiert die Forderung nach der Verstellung des euro-
päischenGleichgewichts, das am Rheine verankert werden muß. Wilhelm III.,
der Oranier aus dem englischen Thron, hat dieser Erkenntnis den Weg be
reitet, sich aber erst zum Austtag des Kampfes bekannt, als Ludwig XIV.
schon das strategische Übergewicht erstritten hat. Ludwig XIV. raubt Sttaß-
bürg, bricht in die spanischen Niederlande ein, bekriegt Lolland, weckt die
erste Koalition gegen sich auf und erfüllt das Sttomgebiet des Rheins und
des Pos mit Feldzügen, die in der Verwüstung der Kurpfalz und der Auf-
lösung des deutschen Gemeingesühls gipfeln. Der französische Machtge-
danke erhebt sich zu universaler Gestaltung, die nicht in den ttanszendentalen
Sphären des mystischen deutschen Kaisertums verharrt, sondern den Völ-
kern Europas das französische Gesetz auferlegt.
Da wirft sich England um seiner Selbsterhaltung willen auf Tod und
Leben in den Kampf um den Rhein. Vom Spanischen Erbfolgekrieg um
fangen, wälzt der Sttom seine Wogen ins 18. Jahrhundert. Der Friede von
Atrecht bannt Ludwig XIV. auf demWeg zur Weltmonarchie französischen
Stils, läßt ihm aber einen Besitz, um den es sich wohl lohnte zu kämpfen.
Er behält die große strategische Ausfallinie Sttaßburg—Metz—Lille und die
Herrschaft über die rheinische Klientel. Das Hegemonische Frankreich steht
am Rhein festgewurzelt und behauptet sich dadurch im Besitz der kontinen-
talen Vormacht. Die französische Festlandspolitik schließt Türken, Polen
und Schweden, Orient und Okzident gegen Deutschland zusammen und be
drängt England, indem es Deutschland durch Bündnisse einzelner Territo
rialgewalten zerklüftet. Mit Mühe enttafft sich Preußen dem Chaos, wäh
rend Österreich vom Rhein zurückweicht. Das Sttomgebiet des Rheins
wird von den Epigonen Richelieus und Ludwigs XI V. als Objekt der fran-
zösischen Ausdehnungspolitik und Grundfeste seiner Hegemonischen Stellung
nicht geringer geachtet und nicht weniger umworben als unter dem Sonnen-
könig selbst. Der Polnische Erbfolgettieg bringt Frantteich in den Besitz