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das seit der Errichtung des Mersener Teilungsvertrages verstrichen ist, ge-
nügt, um Frankreichs leuchtende Spur nachzuzeichnen und den Zusammen-
hang mit dem Weltbild von Versailles und der Gegenwart zu gewinnen.
Der Riesenschatten, den Frankreich heute auf die Karte Europas wirft,
ist einst vom Tiber an den Rhein getragen worden. Julius Cäsar ist der
Begründer des Rheinproblems. Die Westkarolinger haben den römischen
Anspruch auf den Rhein erneuert, die Kapetinger liehen ihm französische
Gestalt, das Königshaus der Valois umgab ihn mit dem Scheine des Rechts
und rückte ihn in den Vordergrund der europäischen Politik. Zu Beginn
des 14. Jahrhunderts sinkt die germanische Westzone im Rhonetal und am
Quellauf der Schelde unter die Fluthöhe des ftanzösischen Ausdehnungs-
dranges. Auf der Schwelle des 15. Jahrhunderts sichert Frankreich sich den
Zugang zu dem deutschen Strom. Die Saone ist erreicht, der Oberlauf der
Maas ist überschritten, die flandrische Ebene, in der die große norddeutsche
Tiefebene mit sanftem Schwung verläuft, wird zum ftanzösischen Nord
glacis.
Am die Mitte des 15.Jahrhunderts rückten die Valois mit Leeresmacht
an den Oberrhein und fordern den Strom als Frankreichs Grenze.
Als das 16. Jahrhundert heraufzieht, taucht das Rheinproblem in dem
Weltverhältnis der Läufer Labsburg und Valois unter, aber der Fran-
zose erscheint im Bunde mit deutschen Fürsten vor Metz, nimmt die Stadt,
erobert Toul und Verdun und bedroht Straßburg. Die lothringische Loch
fläche fällt in ftanzösischen Besitz, die Zaberner Steige springt auf. Das
Lerzogtum Lothringen gerät in Gefahr. Die Weltmonarchie Karls V.
rafft noch einmal alle Kraft zusammen, vermag aber Metz nicht mehr zu
lösen. Als Karl scheidet, tritt der spanische und der österreichische Lausbesitz
der Labsburger auseinander. Der Rhein rückt an die Westgrenze des
Deutschen Reiches. Die schweizerische Eidgenossenschaft sondert sich vom
deutschen Königtums habsburgischer Lerkunft, die Niederlande erheben sich
zur Republik, Quell- und Mündungsgebiet des Stromes gehen dem Reiche
verloren. Fortan wird der Rhein von Frankreich als Operationsziel auf-
gestellt, um, auf ihn gestützt, Eingang ins Leilige Römische Reich zu ge-
winnen. König Leinrich IV. mischt sich in die Bekenntnisstreitigkeiten
Kölns und Straßburgs und umschreibt die Ansprüche der Valois als natio
nale ftanzösische Forderungen.
Als in deutschen Landen der Dreißigjährige Krieg ausbricht, macht
Frankreich sich zum methodischen Vormarsch auf den Rhein bereit. Die
Politik Richelieus wird zum klassischen Ausdruck des ftanzösischen Aus-
dehnungsdranges, erntet die Früchte von Gustav Adolfs und Bernhard von
Weimars Siegen und rafft aus dem aufgewühlten Schoße deutscher Zwie-