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Der Russe riß das Land im Jahre 1809 an sich, hat aber das Volk
nicht gewonnen, das vom Eroberer um sein Eigenleben betrogen wurde.
Der Weg der Finnen wird zu einem Leidensgang.
Zar Alexander I. beschwor die finnische Verfassung und nannte sich fortan
Großfürst von Finnland. Lundert Jahre später war von dieser Verfassung
nichts mehr übrig. Sie war Stück für Stück zerpflückt und vernichtet wor
den. Das Land hat sich verzweifelt gegen die Verrussung gewehrt, aber es
besann sich unter dem Drucke der russischen Gewaltherrschaft nicht mehr
auf seine geopolitische Gemeinschaft mit Schweden, sondern stieg zu den
Quellen seines eigenen Volkstums hinab und fand in diesen die Kraft zur
Selbstbehauptung, bis die Zeit erfüllt war und der Weltkrieg das alte
Finnenland von der russischen Fessel riß.
Als Finnland sich im Kriege gegen das kommunistische Rußland und den
in seinen eigenen Reihen umgehenden bolschewistischen Schrecken erhob,
stand das revolutionäre Rußland noch an der Dünafront und in Galizien
im Felde. Die russischen Machthaber fühltm sich daher in der Flanke be-
droht und warfen starke Kräfte der Roten Armee über die Newa nach
Wiborg, um noch einmal auf Lelsingfors zu marschieren. Verzweifelt
fechtend wichen Finnlands Freischaren vor der Übermacht auf das histo-
rische Tawastenland.
Da fühlte sich das Deutschtum in tragischer Verkettung der Amfiände
zur Errettung aller baltischen Vorlande berufen, obwohl sie ihm selbst
verloren waren.
Der Vormarsch, den die deutsche Ostarmee im Februar des Jahres 1918
antrat, um Lettland, Estland und Finnland von den Russen zu befteien,
war zwar von strategischen Erwägungen eingegeben, denn es galt im
Osten gesicherte Zustände zu schaffen, ehe man im Westen zum letzten
großen Angriff schritt, aber er gewinnt, im geschichtlichen Zusammenhang
betrachtet, universalhistorische Bedeutung. Die Schöpfer der Versailler
Charte haben den ganzen östlichm Staatenkreis, der heute im Welt
bild der Gegenwart erscheint, von den Deutschen in Amriß und Farbe
fertig vorgelegt bekommen.
Finnland nimmt in diesem Staatenbild eine besondere Stellung ein.
Die Finnen stehen dem russischen Problem freierund selbständiger gegenüber
als Esten und Letten. Da sie geographisch ein scharf abgegrenztes Natur
gebiet bewohnen, das außerhalb der petrinischen Stoßrichtung liegt und
den Russen zwar als maritime Schutzflanke diente, aber an strategischer
Bedeutung verlor, als das sowjetistische Rußland sich wieder von Peters
burg auf Moskau zurückzog, wird ihr Schicksal heute nicht mehr unmittel
bar von der Neubildung der russischen Macht bestimmt. Erst wenn Ruß-