Volltext: XV. Jahrgang, 1910 (XV. JG., 1910)

Nr. 2. 
Oberösterreichiscne Bauzeitung. 
Seite 13. 
In bezug auf das Eindringen ungelernter und zweifel¬ 
hafter Unternehmer hat die Gesetzgebung in den letzten 
Jahren versucht, die Schäden zu heilen. Wir haben die 
Novelle zur Gewerbeordnung, betreffend Regelung des 
Bauunternehmertums. Die hauptsächlichsten Vorschriften 
dieser Novelle sind: 
§ 53a der Gewerbeordnung: Die unteren Verwaltungs¬ 
behörden können bei solchen Bauten, zu deren sach¬ 
gemäßer Ausführung nach dem Ermessen der Behörde 
ein höherer Grad praktischer Erfahrung oder technischer 
Vorbildung erforderlich ist, im Einzelfalle die Ausführung 
oder Leitung des Baues durch bestimmte Personen unter¬ 
sagen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, 
daß diese Personen wegen Unzuverlässigkeit zur Aus¬ 
führung oder Leitung des beabsichtigten Baues unge¬ 
eignet sind. 
Landesrechtliche Vorschriften, welche den Bau¬ 
polizeibehörden weitergehende Befugnisse einräumen, 
bleiben unberührt. 
Ferner haben wir, wie Ihnen als Bauhandwerkern 
ja allen bekannt ist, im Laufe des Jahres 1909 das be¬ 
kannte Gesetz zur Sicherung der Bauforderungen be¬ 
kommen, auf das der Bauhandwerkerstand ja die größten 
Hoffnungen setzt. Ob das Gesetz den gesamten unreellen 
Bauschwindel aus der Welt schafft, kann man heute 
nicht sagen. Man muß abwarten, wie es sich in der 
Praxis bewähren wird und wie sich die Gerichte dazu 
verhalten werden. Gerissene Bauunternehmer werden 
auch heute noch verschiedene Lücken und Maschen, 
finden, durch die sie schlüpfen können, denn solche 
enthält das Gesetz tatsächlich. Wenn auch im allgemeinen 
es unter dem Gesetze nicht mehr so leicht ist, einen 
Bauhandwerker um sein Geld zu bringen, wie früher, 
unmöglich ist es nicht. 
Meine Herren, auch das beste und ausgeklügelteste 
Gesetz kann nicht für alle Fälle Vorsorge treffen und 
man muß dabei auch immer im Auge behalten, daß alle 
Bauhandwerker doch erst dann Arbeit und Verdienst 
bekommen, wenn gebaut wird und je billiger gebaut 
werden kann, um so mehr wird gebaut und um so größer 
ist die Arbeitsgelegenheit für die Bauhandwerker. Wenn 
aber das Bauunternehmertum durch knebelnde Gesetzes¬ 
bestimmungen unterbunden wird, dann muß eben das 
Bauen aufgegeben werden und dann haben auch die 
Bauhandwerker nichts zu tun. 
Meine Herren, ich bitte Sie, mich nicht mißzuverstehen. 
Ich spreche hier zugunsten des Bauunternehmertums. 
Sie können vielleicht auf den Gedanken kommen, ich 
verteidige die großen Spitzbuben. Fällt mir nicht ein. 
Es gibt und gab doch immer ein reelles Bauunternehmer^ 
tum und dieses zu verteidigen, wird mir kein Mensch 
verargen. (Sehr richtig.) 
Nun komme ich aber zu einem anderen Punkte und 
ich muß Sie im vornherein bitten, daß Sie das, was ich 
Ihnen vortrage, vom ganz allgemeinen Standpunkte aus 
betrachten. Ich will damit ganz gewiß keinem der hier 
anwesenden Herren einen Vorwurf machen. Ich spreche 
also im allgemeinen vom deutschen Bauhandwerke und 
die verehrten Anwesenden sind dabei selbstverständlich 
ausgenommen. 
Meine Herren, nicht die einzige Schuld an den Folgen 
des Bauspekulationswesens trägt die Gesetzgebung und 
auch nicht die einzige der Bauspekulant, der unreelle 
mit eingeschlossen. Einen sehr großen Teil der Schuld 
trägt das deutsche Bauhandwerk mit. Und meine Herren, 
ich will Ihnen das beweisen. Ich sagte Ihnen schon, daß 
ich im Laufe von 20 Jahren etwa 35 größere Neubauten 
ausgeführt habe und infolgedessen Erfahrung in diesem 
Fache besitze. 
Der deutsche Bauhandwerker, so weit ich mit ihm 
in Berührung kam, fragt einzig und allein um sein 
Geschäft zu erhalten, nach Arbeit, niemals nach Geld. 
Meine Herren, betrachten Sie die erste beste Submissions¬ 
blüte, die Sie in irgend einer Zeitung lesen, betrachten Sie 
besonders eine solche, an der Sie selbst teilnahmen, deren 
Anforderungen Sie kannten. Sie schlagen sich an die 
Stirne und fragen sich, wie kann der Mann zu diesem 
schlechten Preise die Arbeit machen? Die Antwort ist: 
Der Mann will nur Arbeit, kein Geld; nein, er erbietet sich 
mit seinem Abgebote dem betreffenden Unternehmer im 
vornherein ein ganz hübsches Trinkgeld zu geben, nur 
dafür, daß er die Arbeit machen darf, daß er sein Vermögen 
unter Umständen opfert, auch seine Existenz vernichtet. 
Er will nur Arbeit, kein Geld. Oder vielleicht nicht? 
Meine Herren, besser als alle doktrinäre Auseinander¬ 
setzung beweist Ihnen die Richtigkeit dieser meiner Be¬ 
hauptung das Beispiel aus der Praxis. Mehr als dutzendmal 
habe ich mir darüber meine Gedanken gemacht. 
(Fortsetzung folgt. ) 
Von untergegangenen Kulturstätten und 
Kunstwerken. 
Das neue, noch so junge Jahrhundert ist fast be¬ 
ängstigend reich an Erdbebenkatastrophen von stets 
geradezu unheimlicher Größe. 1902 wurden die 40.000 Ein¬ 
wohner von St. Pierre der Insel Martinique durch seitlich 
aus dem Vulkane explodierende Gase in ein paar Minuten 
versengt und erstickt. Im selben Jahre war im Kaukasus 
ein Bergsturz als Folge von Erdbeben, der 20 Ortschaften 
mit allem Lebendigen, außer vier Kurgästen, vernichtete. 
1905 wurde Calabrien, eine alte „Erdbebenzentrale“, schon 
furchtbar heimgesucht; 1907 wieder, und kürzlich wieder 
mit Messina. 1906 stürzten San Francisco und Valparaiso 
zusammen, 1907 die Stadt Karatag mit vielen Ortschaften 
(11.000 Menschen tot) in Mittelasien (Buchara). — So 
rasch und so gründlich haben die unterirdischen Gewalten 
selten gewirkt. Aber der Mensch läßt sich trotz aller 
Schrecken in der Regel nicht von der alten Wohnstätte 
verdrängen und so viele seiner Werke, die der Stolz 
mancher Jahrhunderte waren, dabei auch zugrunde gehen 
— unverzagt werden neue Werte geschaffen. 
Wie vieles, das wir gern unschätzbar nennen, hat 
doch die Wut der Elemente schon zerstört. — Merkwürdig, 
doch leicht erklärlich ist bei so vieler Menschen Not und 
Tod, daß in den Berichten über solche Katastrophen, 
nur so nebenbei der hervorragenden Werke, der „kost¬ 
baren Kunstschätze“ gedacht wird, die wie Opfergaben 
gar manchmal die Hekatomben an Menschenleben begleiten. 
Und es ist schließlich die neugierige Frage verzeihlich: 
was mag wohl von Naturgewalten und von Menschen¬ 
händen schon Schönes und Künstlerisches vernichtet 
worden sein? Kein Mensch weiß das völlig zu ergründen 
und das Bekannte allein würde nur in einer Aufzählung 
der Gegenstände eine ganze Zahl Lexikonbände füllen. 
Wir wollen hier versuchen nur einiges, so rasch es 
sich aus den recht zerstreuten Quellen zusammenlesen 
ließ, ins Gedächtnis zurückzurufen. Eine Totenklage ist’s- 
also gleichsam, die wir hier anstimmen.
	        
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