Volltext: XV. Jahrgang, 1910 (XV. JG., 1910)

XV. Jahrgang, Nr. 2. 
Linz, 15. Jänner 1910. 
Öberösterreichische Banzeitang 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“. 
Redaktion und Administration: Buchdruckerei C. KOLNDORFFER, LINZ, Pfarrplatz Nr. 17. 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHIS JHE BAUZEITUNG: 
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vierteljährig 
Erscheint am 1. und 15. 
jedes Monat, 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Pfarrplatz Nr. 17, ferner bei 
allen größeren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reklamationen und Beschwerden direkt an uns erbeten. 
Inhalt. Heimische Kunstreformer. — Hausbauten aus Steinkolilen- 
schlacken. — Randglossen zur Bauspekulation. — Von untergegangenen 
Kulturstätten und Kunstwerken. — Lokale Baunotizen. — B iunachrichten 
aus Salzburg, Tirol und Vorarlberg. — Aus den Gemeinderatssitzungen in 
Linz. — Patentliste. — Inserate. 
Heimische Kunstreformer. 
(Eingesendet.) 
Es zeigt immer von viel Überfluß an Zeit, frohen 
Lebensgenuß, Kunstsinn, Liebe zum Städtewesen, und 
weiß Gott noch von welch anderen lobenswerten Eigen¬ 
schaften, wenn sich heute bei unseren materiellen Zeit¬ 
verhältnissen noch Leute finden, die nichts besseres zu 
tun wissen, als öffentliche Vorträge über die architek¬ 
tonische Schönheit der Städte zu halten, den Stadtbau 
zu einem Schematismus von Kunstregeln zu machen, Uni¬ 
formes an allen Orten gestalten wollen und auch die Er¬ 
richtung von Monumenten als etwas Unerläßliches im 
Städtebau hinstellen. Leider bleiben solche weitschwei¬ 
fige Erörterungen der mehr oder minder geistreichen Vor¬ 
trägehalter die Antwort auf die immerhin gerechtfertigte 
Frage schuldig, wo die Bewohner einer Mittelstadt alle 
die einheimischen Berühmtheiten hernehmen sollen, 
um ihre in das architektonische Schönheitsschema ge¬ 
preßten Plätze mit Standbildern verdienstvoller Männer 
zu schmücken. Anderseits gibt es wieder literarische 
Melancholiker, konservative Bau- und Kunstschriftsteller, 
für die im Fremd Wörterschatz der deutschen Sprache 
das Wort „Demolieren“ als größter Barbarismus gilt, die 
jeder verjauchten Gasse, jedem windschiefen Häuschen, 
jeder wankenden Stadtmauer und zerbröckeltem Turme 
durch Druckerschwärze getrübte heiße Tränen nach¬ 
weinen, über ein fortwährendes Dahinscheiden der mittel¬ 
alterlichen Städtebilder klagen, als hänge das Heil oder 
die Wohltat der Einwohner von der Erhaltung des 
alten Baugerümpels, der sanitätswidrigen, den An¬ 
sprüchen des Wohnungsbedürfnisses, der Bauhygiene 
wiedersprechenden alten Baraken ab. Schließlich gibt es 
noch Persönlichkeiten vom bautechnischen Berufe, die, um 
aus ihrem begrenzten Baum heraustreten zu können, un¬ 
aufgefordert öffentliche Vorträge über die Bauweise eines 
Landes halten, dieselbe kritisieren und dabei der bereits 
in der ganzen Welt in letzten Zügen liegenden „Sezession“ 
das Wort reden wollen. Daß die Stilrichtung, nach welcher 
in diesem Lande die Wohngebäude errichtet wurden so¬ 
wohl in der Grundrißlösung als in der äußeren Erschei¬ 
nung bei zahlreichen ausländischen Kapazitäten des Bau¬ 
faches volle Anerkennung fand, daß man namentlich die 
Situierung der Wohn- und Wirtschaftsräume zueinander 
als äußerst praktisch bezeichnete, die Ausbildung der 
Fassaden den Verhältnissen einer Provinzialstadt ange¬ 
messen erklärte, das verschweigt wohlweislich' so ein 
Kritiker und will für eine Reform im Bauwesen eintreten, 
über die er selbst noch im Unklaren sich befindet. Das 
Gute das solche Kritikern besitzen, besteht darin, daß sie 
nicht die geringste Nachwirkung zurücklassen und den 
Vortragenden keine Lorbeeren einbringen. 
Es zeigt sich in den meisten derartigen Fällen, daß 
die geistigen Urheber der kritisierten Bauwerke minde¬ 
stens ebensoviel gelernt haben, als der Kritiker selbst, 
der noch nicht den Beweis erbracht hat, daß seine 
Schöpfungen in bezug auf künstlerische Durchbildung 
höher gestellt werden müssen, als die von ihm getadel¬ 
ten baulichen Anlagen seiner Fachgenossen. 
Hausbauten aus Steinkohlenschlacken. 
Aus Stadt Steyr berichtet man uns, daß dort vor 
kurzem zwei Architekten aus Lyon weilten, die mehreren 
Baumeistern anrieten, die vielen Steinkohlenschlacken, 
;welche vornehmlich die Österreichische Waffenfabrik in 
Stadt Steyr alljährlich abgibt, außer zum Fußbodenbelag 
auch zur Herstellung von Mauerwerken bei niederen 
Hausbauten, wie dies immer mehr in Frankreich vor¬ 
kommt, zu verwenden. 
Wie man dort vor fünfzig Jahren auf die Idee kam 
dieses sonst so wertlose Material zur Herstellung von 
Mauerwerken zu gebrauchen, ergab folgender Fall. 
Einfache Bauunternehmer in Lyon, welche von der 
Spitalverwaltung in den Vorstädten gelegene Grundstücke 
gepachtet und die Erlaubnis darauf zu bauen erhalten 
hatten mit der Bedingung, daß nach Ablauf des langbe¬ 
messenen Mietvertrages die Häuser dem Eigentümer des 
Grundstückes zufallen, suchten begreiflicherweise nach 
dem möglichst billigen Baumaterial, und kamen, da die 
häufigen Überschwemmungen den sonst in jener Gegend 
viel angewendeten Bau aus gestampfter Erde (Pösebau) 
nicht zuließen, auf die Idee, hiefür die Steinkohlen¬ 
schlacken zu verwenden, denen das Wasser nichts an- 
haben kann. Da mit dem bloßen Stampfen der Schlacken 
nicht auszukommou war, so mischten sie etwas gelöschten 
Kalk bei; die Verkittung vollzog sich sehr schnell und 
nach wenigen Tagen zeigte dieses Mauerwerk genügen¬ 
den Zusammenhalt um die Fußböden zu tragen und die 
Gewölbe abzurüsten, welche in gleicher Weise konstru¬ 
iert worden waren, nach einem Monat war es trocken. 
Die Schlacken waren damals in den Fabriken in solchem 
Überfluß vorhanden, daß man froh war, sich ihrer ent¬
	        
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