Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Nr. 7. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 51. 
Künstlerlaufbahn nicht weniger als dreiviertel Jahr¬ 
hundert füllte. Er starb 110 Jahre alt. Seinen Grabstein 
sieht man noch zwischen der Suleimanie und dem Tore 
des Justizpalastes (Scheik-ul-Islam Kapussu). Mehrere 
Zöglinge des berühmten Meisters verfügten sich auf Ein¬ 
ladung des Kaisers Baber nach Indien, wo sie die impo¬ 
santen und prachtvollen Festen von Delhi, von Agra, von 
Lahore und von Kaschmir bauten, die gebildete und ein¬ 
sichtsvolle Reisende nicht genug bewundern können. 
Meister Jussuf, ein Liebling seiner Schule war es auch, 
der die großen Paläste, die Mausoleen errichtete, welche 
hauptsächlich den Ruhm und den Ruf der Pracht mon¬ 
golischer Kaiser begründeten. 
Diese Kunstschule Simon’s erzeugte in der Türkei 
bis zur Regierung Murad’s IV. verschiedene, ziemlich 
merkwürdige Mausoleen von Sultanen und Vezieren; die 
große Moschee Sultan Aclimed’s I., wo zum letztenmale 
in der Dekoration dieses Gebäudes die auf Email ge¬ 
malten Ziegel der berühmten Fabriken Nicäa’s angewandt 
wurden, da die bürgerlichen Kriege, welche die folgenden 
Regierungen so blutig machten, diese so ausgezeichnete, 
dekorative, schöne Nationalindustrie vernichtet haben; 
endlich die beiden Moscheen von Balide-Hane, Yeni- 
Dschami zu Konstantinopel und Balide-Atik zu Scutari, 
außer Tausenden von Schulen, Kollegien und Imarets 
(Speisehäuser für Arme). Unter dieser Zahl sind die 
Moschee Yeni-Dschami zu Konstantinopel und vielleicht 
auch die beiden Kiosks Sultan Murad’s, genannt Erwan 
und Bagdad, gelegen im alten Serail von Konstantinopel, 
diejenigen, welche eine besondere Forschung verdienen. 
Zwei andere lange berühmte Kiosks verdienen noch unter 
den Meisterwerken der Schule Simones erwähnt zu 
werden: Dies sind Yaly’s Kiosk, dessen Wände ganz mit 
Ahiäilfiöfteft Backsteinen 'bedeckt wären und der be¬ 
rühmte Kiosk von Beschiktasch; unglücklicher Weise 
ist heute keine Spur mehr von diesen beiden hübschen 
Gebäuden übrig. 
Die Regierung der fünf folgenden Sultane sind voll¬ 
kommen verloren für die Wissenschaften und die Kunst. 
Die Empörungen der Janitscharen, welche mehreren 
Fürsten das Leben gekostet haben, waren weit davon 
entfernt, dem Staate zu erlauben, an irgend eine große 
Stiftung zu denken, bis endlich Sultan Achmed III. den 
Thron im Jahre 1115 (1703 nach der christlichen Zeit¬ 
rechnung) bestieg. Da wurde der innere Winkel des 
Hafens von Konstantinopel gegen die süßen Wässer hin 
mit prachtvollen Marmorpalästen bedeckt, die schönen 
Brunnen des großen Platzes von Tophane, der Haupt¬ 
skala von Skutäri, von Azab-Kazu zu Galata und der zu 
Stambul zwischen Bab-i-Humanium und St. Sophia, ferner 
wurden jene Gärten gehegt, welche durch ihre Aus¬ 
dehnung, Frische ihres Schattens und ihrer springenden 
Wässer, durch den guten Geschmack in ihrer Anordnung, 
sowie durch die glänzenden Feste historische Berühmt¬ 
heit erlangten. 
Dennoch folgten den Ingenieuren und hydraulischen 
Architekten, welche aus Frankreich füY verschiedene 
Arbeiten berufen wurden, andere Künstler, Bildhauer, 
Maler, Dekorateure, welche bald die Reinheit des Ge¬ 
schmackes der ottomanischen Baukunst1 so vollkommen 
entstellten, wie wir sie auf die schlagendste Weise in 
dem Beispiele der Moscheen von Laleli und und, Nour-i- 
Osmanie sehen. In demselben verdorbenen Gesohmäcke 
wurden ein wenig später der Palast von Esaiiia-Siiltane 
und andere noch zu Defterdar-Burnu erbaut. Die Schule 
Simon’s erlosch, um einem berühmten Baumeister, Rafael 
und seinen Zöglingen, romanischen Künstler, Platz zu 
machen. 
Sowohl infolge der Unbekanntschaft mit den ersten 
Grundzügen der ottomanischen .Kunst, die schon hinunter 
gefallen war in den Zustand eines ruhmvollen Andenkens, 
als auch um sich so viel wie möglich in Übereinstim¬ 
mung zu setzen mit der allgemeinen Versumpfung, die 
sich immer mehr zugunsten der ausländischen Wissen¬ 
schaften und Kunstformen aussprach, versuchten diese 
um die Wette alle verschiedenen bekannten Baustile. 
Indem sie sich umsonst bemühten, bald einzeln, bald in 
einem ebenso lächerlichen als ohnmächtigen Durchein¬ 
ander den Bedürfnissen religiöser und anderer ott-omani¬ 
scher Gebäude anzupassen, erzeugten sie nur ungeheuer¬ 
liche und abgeschmackte Bauten. 
Von jener Zeit scheint also die ottomanische Bau¬ 
kunst ihre Bahn geschlossen und ihr letztes Wort gesagt 
zu haben. Die Türkei, benachbarte europäische Nationen 
nachäffend, suchte vergebens sich einen neuen Stil zu 
schaffen, indem sie mit vollen Händen in den Mappen 
suchte, wo, zum Nutzen der jungen Zöglinge, die er¬ 
habenen, aber nunmehr toten und begrabenen Kunst¬ 
werke der alten Meister Griechenlands und Italiens ruhen. 
Und dennoch sind seit dem Beginne der jetzigen 
Regierung einige Monumente entstanden, welche viel¬ 
leicht, wenn nicht durch ihren sogenannten Bau, doch 
unbestreitbar durch ihre Dekoration eine gesündere 
Tendenz der ottomanischen Künstler bekunden. 
Die lebendige Kunst, die nationale Kunst gewinnt 
bei ihnen allmählich Anklang, dank dem Einflüsse, der 
ungeschwächt ihnen von der Regierung gegeben wird. 
Die Wiedergeburt der ottomanischen Baukunst läßt uns 
alles erwarten und wir zweifeln nicht daran, daß dieselbe 
noch Epoche machen wird unter dem Schutze einer ver¬ 
nünftigen und kunstsinnigen Regierung. 
Die Moschee von Ak-Serai, der Palast von Tschera- 
gan geben Zeugnis von der soliden Tauglichkeit, welche 
die neuen ottomanischen Künstler unterscheiden und 
verleihen im Voraus der „neutürkisch“ genannten Schule 
ein Bürgerrecht in ihrem Staate. 
Lokale Baunotizen. 
Wie soll man heutzutage hauen ? Diese Frage 
richtet ein Abonnent unseres Blattes an uns mit der 
Bitte, ihm Rat zu erteilen, wie er sich ein Wohnhaus 
bauen lassen soll, das ihm ein Zinserträgnis von minde¬ 
stens 81/2 Perzent reinen Gewinn von der Bausumme 
ab wirft und daher nicht bedauern läßt, seine Ersparnisse 
io einem Hausbau angelegt zu haben. Diese Frage an 
uns gerichtet, klingt recht sonderbar und kann nur in 
folgenden allgemein bekannten Grundsätzen seine Be¬ 
antwortung finden. — 1. Die jetzigen ungünstigen Zeit¬ 
verhältnisse haben eine alte Eigenschaft in betreff des 
Wohnens in größeren Städten wieder in Erinnerung ge¬ 
bracht. Man kann es nicht leugnen, daß unter allen 
Brauchsminderungen die Wohnung nicht nur die nächste? 
sondern auch die geeignetste ist, welche eine Ein¬ 
schränkung zuläßt. Man baue daher praktisch; das 
heißt, inan lasse sogenannte Mittelwohnungen aus zwei 
Zimmer und Küche bestehend, ohne Luxus ausgestajbtet, 
aber mit gelungener Disposition der inneren Räume her- 
Stellen und man wird leicht dafür 400 Kronen Jahres¬ 
miete» erhalten können, und solche Wohnungen werden
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.