Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Seite 50. 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Nr. 7. 
Die Maltechnik der Sgraffito-Malerei. 
Viele von unseren Lesern wird es interessieren, 
Näheres über die Art und Weise der Sgraffito-Malerei 
zu erfahren und diene ihnen hiezu folgendes: 
Wie bei den Maltechnikern so ist auch hier die 
Schaffung eines haltbaren Zeichengrundes erste Bedingung 
für die Dauer der Zeichnung, welche bekanntlich durch 
Auskratzen (italienisch: sgraffiare) von Linien einer 
dunkel verputzten aber hell überstrichenen Wandfläche 
entsteht. 
Die Vorschriften für die Ausführung des Sgraffito- 
grundes weichen in manchen Stücken von einander ab. 
Am sichersten geht man noch immer, wenn man sich 
an die von Gottfried Semper durch Versuche bewährten 
Vorschriften hält, welche durch die gute Erhaltung der 
von ihm am Polytechnikum zu Zürich ausgeführten 
Sgraffiti die Solidität der Herstellungsweise bezeugen. 
Der nach dieser Vorschrift bereitete Bewurf erreicht 
nach Semper eine glasartige Härte, er blättert nicht ab, 
bekommt keine Risse, trotzt jeder Witterung und über¬ 
trifft selbst den Zementmörtel an Dauer und Festigkeit 
— Eigenschaften, die vermutlich zum Teil auf die Scharf¬ 
kantigkeit der beigemischten gestossenen Steinkohlen¬ 
schlacken zurückzuführen sind. 
Man berappt die Mauer wie gewöhnlich, kann aber, 
um mehr Festigkeit zu geben, schon 10°/0 grobgestoßene 
Steinkohlensclacken dem auf herkömmliche Weise mit 
grobem Kies bereiteten Spritzmörtel hinzufügen; nach 
dem „Anziehen“ dieses Untergrundes folgt der erste Auf¬ 
trag, bestehend aus folgender Mischung: 
5 Teile pulverisierten Wetterkalks (langsam unter 
Sand abgelöscht, 
6 Teile schwarzen, scharfen Flußsandes (oder rein 
gewaschenen Grubensandes), 
2 Teile grobgestoßener Steinkohlenschlacken (bis zu 
Schrottgröße). 
Dieser Auftrag, welcher so dick sein soll, daß er alle 
Unebenheiten des Untergrundes bedeckt und ausgleicht, 
wird mit dem Streichbrett glatt geebnet und festgedrückt. 
Wenn dieser Auftrag erst halb angezogen hat und noch 
feucht ist, folgt der zweite Auftrag, etwa ebenso dick 
von folgender Zusammensetzung: 
4 Teile pulverisierten (unter Sand langsam abge¬ 
löschten) Kalks, 
3 Teile schwarzen Sandes, 
4 Teile Schlacken (zu feinem Sand zerstoßen), 
1 Teil Holzkohlenstaubes. 
Um den schwarzen Ton noch mehr zu vertiefen, ist 
eine mäßige Beimischung von Frankfurterschwarz ge¬ 
stattet, da diese Beimischung aber der Festigkeit des 
Mörtels nicht gerade förderlich ist, so ist dieselbe mit 
Vorsicht in Anwendung zu bringen, was auch schon 
vom Holzkohlenstaub gilt. Auch diese Schicht wird fest 
angedrückt und wohl geebnet, worauf, noch ehe sie 
trocknet, die dünnere dritte Schichte aufgetragen wTird, 
bestehend aus .durchwegs feingesiebten Materialien: 
31/* Teile Kalk, 2 Teile Sand, 4 Teile Schlacken, 
1 Teil Holzkohlenstaub, 1/s Teil Franfurterstaub (Ruß). 
Alles dieses durch ein Haarsieb durchsieben. Zum 
Abglätten der Fläche nimmt man die gleiche Mischung 
aber statt der zwei Teile Sand nur einen Teil/ Ähnlich 
wie Frankfurterschwarz können auch andere, aber nur 
sogenannte kalkechte Farben verwendet werden, wenn 
man dem Grund einen anderen als einen schwarzgrauen 
Ton geben will, also Erde und Mineralfarben; die wegen 
der Kosten allerdings weniger in Betracht kommenden 
Metallfarben, deren Verwendung zulässig wäre, sind 
Kobaltblau, Kobaltgrün, grünes Chromoxyd, Chromrot — 
ihre chemische Reinheit vorausgesetzt. 
Die stark saugenden Farben, wie z. B. Umbra oder 
Englischrot müssen sehr wässerig angemacht werden, 
wenn sie nicht von schädlichem Einfluß auf die Festig¬ 
keit sein sollen; Umbra kann auch durch rotes Ziegel¬ 
mehl ersetzt werden, welches in Verbindung mit Schwarz 
einen braunen Grund ton ergibt. 
Es wird nicht überflüssig sein, zu bemerken, daß 
auch die Aufeinanderfolge der Operationen bei dem 
Mischen obiger Materialien nicht gleichgültig ist; die 
Reihenfolge der Aufzählung, die eigentlich stets mit 
Wasser (und zwar möglichst reinem Regen- oder Fluß-, 
weniger gut Brunnenwasser) zu beginnen hat, ist auch 
maßgebend für die Aufeinanderfolge der Mischungs¬ 
operationen. 
Noch ehe die nun sorgfältig abgeplattete Fläche 
trocken ist, folgt zuletzt ein dreimaliger Anstrich mit 
Kalkmilch, gerade dick genug, um den schwarzen Grund 
vollständig zu decken. Um das grelle Weiß des Kalk¬ 
anstriches zu vermeiden, kann man etwas Erdfarbe zu¬ 
setzen, doch entstehen bei diesem Mittel leicht Flecken. 
Semper hat deshalb schon bei der Züricher Stern¬ 
warte die dämpfende Wirkung dadurch zu erreichen ge¬ 
sucht, daß er nach der Erhärtung das Ganze mit in 
Lauge aufgelöstem Asphalt bestreichen ließ. „Dieser setzt 
sich in die Poren und gibt dem Ganzen einen klaren, 
durchsichtigen Ton, der sich nach Belieben stimmen läßt.“ 
Die weiteren Operationen lassen sich kurz zusammen¬ 
fassen. Gleich nach dem dritten Kalkmilchanstrich wird 
der Karton. mit Kohlenstaub auf die Fläche übergepaust 
und nun wird die Zeichnung mit stählernen Spateln und 
Sticheln so tief eingekratzt, daß der dunkle Grund zum 
Vorschein kommt. Da diese Arbeit nach dem Trocknen 
des Verputzes wesentlich schwerer ist und außerdem 
die Festigkeit des schon halb erhärteten Verputzes da¬ 
durch sehr gelockert wird, so ist ersichtlich, daß man 
rasch arbeiten muß und keine Flächen in Vorbereitung 
nehmen darf, .deren völlige Dekorierung über eine Tages¬ 
arbeit hinausreicht. 
Das Dekorationsprinzip, leichte flüchtige Zeichnung, 
ergibt sich daher hieraus von selbst: schon bei dem Ent¬ 
wurf ist hierauf Rücksicht zu nehmen. Solange der Grund 
und der Kalküberzug noch einen Grad von Feuchtigkeit 
besitzen, kann man ohne große Gefahr ganze, unschön 
ausgefallene Linien oder Ornamente wieder frisch mit 
Kalkmilch überdecken und neu verzieren. Nur darf man 
nicht zu tief in den Grund einschneiden, da sonst die 
auf der Fläche entstehenden Schatten leicht stören. 
Vertiefte Linien werden vom Schlagregen leichter 
angegriffen als aufgemalte, bieten auch dem Staub viel 
Raum zur Ablagerung; man wird dessalb das Sgraffito 
da zu vermeiden suchen, wo die Flächen vom Regen 
gepeitscht werden, oder wo staubige Straßen in der 
Nähe vorüberführen. d. r. 
Geschichtiches über mohamedanische 
Baukunst. 
Von Professor Elrin in Prag. 
(Schluß.) 
Ein ganzes Buch würde kaum hinreichen für die 
einfache Aufzählung der Werke Meister Simon’s, dessen
	        
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