Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Seite 198. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 24. 
liehe Sorgfalt der Hausfrau zu ermöglichen und es ist 
deshalb jeder Versuch, der auf dem Wege zur praktischen 
Mitarbeit an der öffentlichen Gesundheitspflege seitens 
der Hausfrau angebahnt wird, mit Freude zu begrüßen. 
In einer sehr sachgemäß und allgemein verständlich 
abgefaßten Schrift, welche sich mit der Frage der Ver¬ 
hütung epidemischer Krankheiten, beziehungsweise der 
Verhinderung der Verbreitung derselben beschäftigt, hat 
Herr Dr. Scheinmann in Köln diesen Anteil der Frauen¬ 
arbeit an der öffentlichen Gesundheitspflege erörtert. So 
viel ist durch die neuesten Forschungen ermittelt worden, 
daß den sogenannten ansteckenden Krankheiten organi¬ 
sche Krankheitserreger zugrunde liegen, die eine an das 
Fabelhafte grenzende Vermehrungsfähigkeit besitzen. Die 
Gesamtsumme dieser unendlich kleinen Feinde unseres 
Daseins ist unaussprechlich und die Gesamtwirkung eine 
ungeheure. Nun lehrt aber gleichzeitig die Wissenschaft, 
welche sich mit der Erforschung der Lebensbedingungen 
jener unser Leben bedrohenden Organismen beschäftigt, 
daß es gewisse Stoffe gibt, welche jene Eindringlinge zu 
zerstören vermögen, so daß eine Verbreitung derselben, 
wenigstens grundsätzlich,, verhütet werden kann. Diese 
Zerstörungsarbeit oder, wie man sich gewöhnlich aus¬ 
drückt, diese Desinfektion muß sich indessen, als sie 
wirksam sein soll, nicht nur auf krankheitsverdächtige 
Räume, nicht nur auf alle Gebrauchsgegenstände in den¬ 
selben erstrecken, sondern sie muß auch planvoll und regel¬ 
mäßig überall da vorgenommen werden, wo die Möglichkeit 
einer Keimentwicklung jener Krankheitserreger gegeben ist. 
Diese Räume sind vornehmlich unsere Schlafzimmer, 
unsere Kinderstuben, die Küchen und die Aborte. Wer 
aus einer sehr wenig angebrachten Zimperlichkeit sich 
nicht um diese Heimlichkeiten unserer Wohnungen 
kümmern will, der begeht nicht nur ein großes Unrecht 
an sich selbst, sondern der bringt auch andere in Gefahr. 
Und von diesem Standpunkte aus betrachtet, erweist sich 
das englische Sprichwort als allgemein treffend, daß 
nämlich Reinlichkeit der Gottesfurcht sehr nahe steht. 
Diese Art Reinlichkeit und Reinerhaltung unserer 
Familienräume ist jedoch ohne die Mitwirkung einer 
gewissenhaften, unterrichteten Hausfrau nicht durchzu¬ 
führen. Wer aber aus der Geschichte der Chirurgie weiß, 
welchen Aufwand von Überredungskunst es gekostet 
hat, ehe sich die Ärzte selbst zur Durchführung des 
ListeFschen Grundsatzes von der Zerstörung der Pilz¬ 
keime vermittelst einer beinahe tyrannisch erscheinenden 
Desinfektionsarbeit entschlossen haben und der anderseits 
das Maß von ununterbrochener Sorgfalt kennt, welches 
zur Herbeiführung solch eines von den Sachkennern für 
genügend erachteten Reinheitszustandes unbedingt er¬ 
forderlich ist, der wird uns darin beistimmen, daß in der 
Verweisung einer derartigen Aufgabe an die Hausfrau 
zugleich stillschweigend das beste Anerkennungszeugnis 
enthalten ist. Indem die öffentliche Gesundheitspflege 
einen der wichtigsten Teile ihrer zum Schutze der All¬ 
gemeinheit für notwendig erkannten Ausführungsarbeiten 
der Hausfrau zuerkennt, spricht sie auch das Vertrauen 
aus, welches sie in die täglich und stündlich und überall 
erforderliche Pflichterfüllung durch die Hausfrau setzt — 
denn nur wenn in jeder Haushaltung alles zur Ver¬ 
hütung der Entstehung und Verbreitung von Krankheits¬ 
erregern Erforderliche fortgesetzt geschieht, wird es ge¬ 
lingen, die verderblichen Wirkungen der Volkskrank¬ 
heiten einzuschränken. — Allein es genügt keineswegs, 
in Zeiten einer bereits vorhandenen Gefahr achtsam zu 
sein in der Befolgung der gesundheitspolizeilichen Ge¬ 
bote. Nein, vielmehr gilt hier in vollem Maße die An¬ 
wendung des Satzes: wer Frieden haben will, sei für den 
Krieg gerüstet, mit anderen Worten, wer vor Volks¬ 
krankheiten geschützt sein will, der erhalte den Körper 
möglichst widerstandsfähig und wehre jenem unsicht¬ 
baren, aber furchtbar wirksamen Feinde den Eingang in 
unseren Organismus. 
Hier jedoch beginnt die mehr positive Arbeit der 
häuslichen Gesundheitspflege und diese kann nur dann 
erfolgreich gehandhabt werden, wenn der Hausfrau ge¬ 
wisse Kenntnisse von dem Wesen unseres Körpers und 
seiner Organe zur Hand sind. So ist die Sorge um die 
völlige Gesunderhaltung sowohl der äußeren Körperhaut, 
wie die der Körperhöhlen austapezierenden Schleimhäute 
von der denkbar größten Wichtigkeit. Denn durch einen 
völlig unverletzten und gesunden Hautüberzug vermag 
keiner jener allerkleinsten Unholde in unser Inneres und 
somit in unseren Blutstrom zu dringen. — Schon allein 
aus der Kenntnis dieser einen Tatsache ergeben sich die 
folgenreichsten, angewendeten Ableitungen. Man denke 
nur einen Augenblick an die möglichen Gefahren, welche 
die allen erdenklichen Angriffen ausgesetzte Mundhöhle, 
namentlich der Kinder, in sich birgt, um sich zu sagen, 
daß ein Teil der Maßregeln zur Verhütung von an¬ 
steckenden Krankheiten in der Tat mit der Pflege der in 
jener Mundhöhle vorhandenen Organe zu beginnen habe. 
Je mehr man sich in diese Betrachtungsweise ver¬ 
tieft, umso höher steigt die ethische Stellung, welche 
man der Hausfrau an weist und je mehr die Hausfrau 
sich in diese Stellung einlebt, ihre Wichtigkeit begreift, 
umso bedeutsamer werden die Dienste sein, welche sie 
durch ihr verständiges, unverdrossenes und sorgsames 
Walten innerhalb . der Familienumfriedigung der All¬ 
gemeinheit leistet. Im Lichte des ursächlichen Zusammen¬ 
hanges aller menschlichen Zustände erscheint das Un¬ 
bedeutendste selbst als wichtig und folgenreich und das 
Kleinste erlangt in der unübersehbaren Kette von 
Wirkungen und Ursachen .mitunter einen geradezu un¬ 
ermeßlichen Einfluß. — Und auch vom psychologischen 
Standpunkte ist es gerechtfertigt und dem Wesen der 
Frau entsprechend, ihr das Amt der Hüterin der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege, wie die moderne Wissenschaft 
sie versteht, vertrauensvoll zu übergeben. Der denkende 
Arzt erblickte stets in der sorgsamen Hausfrau seine zu¬ 
verlässigste Bundesgenossin; wie die Dinge gegenwärtig 
liegen, ist er in seinen Bestrebungen, Krankheiten zu 
verhüten, geradezu auf die Mitwirkung der Hausfrau an¬ 
gewiesen, ohne welche er vollständig machtlos ist. Für 
die verständnisvolle und ihres natürlichen Pflichtkreises 
sich bewußte Frau muß es jedoch eine im höchsten 
Maße dankenswerte Aufgabe sein, diesem Dienste für 
die Allgemeinheit sich mit allen ihren Kräften und allen 
ihren Kenntnissen hinzugeben. Die Einreihung der Frau 
in den Dienst und in die Disziplin der öffentlichen Ge¬ 
sundheitspflege ist unseres Dafürhaltens von beinahe 
gleicher Bedeutung mit der Einreihung des Mannes in 
den Dienst und in die Disziplin der allgemeinen Wehr¬ 
pflicht. „Wiener Communalblatt“. 
Lokale Baunotizen. 
Zur Errichtung eines neuen Landtagssaales in Linz. 
Wie wir seinerzeit berichteten, hat der Landtag für Ober¬ 
österreich in der Sitzung vom 16. Oktober l. J. den
	        
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