Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Seite 152. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 19. 
derart hoch, daß Arbeiter, welche gar kein Handwerk 
gelernt haben und nur als Taglöhner zur Gipsdielen¬ 
erzeugung abgerichtet werden, gegenwärtig schon höhere 
Löhne erhalten, als gute Maurer. 
Hydraulische Bindemittel. Der Absatz von Roman¬ 
zement verringerte sich neuerlich infolge der schlechten 
Lage des Hochbaugeschäftes in Wien. Der Absatz von 
Portlandzement war in den ersten drei Quartalen des 
Berichtsjahres noch besser, als im Vorjahre. Im letzten 
Quartale machte sich aber ein Rückgang im Vergleiche 
mit der korrespondierenden Periode des Vorjahres deut¬ 
lich bemerkbar. Wenn auch ein Teil dieses Rückganges 
auf die in diesem Quartale ungünstigen Witterungsver¬ 
hältnisse zurüqkgeführt werden kann, so war doch die 
Hauptursache der geringeren Beschäftigung zweifellos 
der intensivere Wettbewerb einiger neu gegründeten 
österreichischen und oberschlesischen Portlandzement¬ 
fabriken. Der reichsdeutschen Konkurrenz kam insbe¬ 
sondere der Umstand zu statten, daß bei Abschluß des 
letzten Handelsvertrages mit dem Deutschen Reiche der 
Einfuhrzoll auf Zement trotz der lebhaften Vorstellungen 
der österreichischen Zementindustriellen herabgesetzt 
wurde. Da außer den im Berichtsjahre neu in Betrieb 
gekommenen Portlandzementfabriken in Österreich 
weitere Neugründungen im Zuge sind, welche voraus¬ 
sichtlich schon im nächsten Jahre ihr Produkt auf den 
Markt bringen werden, und außerdem fast alle, sicherlich 
aber die größeren österreichischen Portlandzementfabriken 
ihre Betriebe namhaft vergrößern, so ist, selbst bei stark 
zunehmendem Konsum, für die nächsten Jahre eine große 
Überproduktion von Portlandzement vorauszusehen. Die 
Interessenten befürchten von diesem Umstande eine be¬ 
deutende Verschlechterung der bisher günstig gewesenen 
Verhältnisse in dieser Branche. 
Der Absatz nach Ungarn erfuhr gegenüber dem Vor¬ 
jahre keine Veränderung; doch ist zu bemerken, daß auch 
in Ungarn eine lebhafte Gründungstätigkeit in der Port¬ 
landzementindustrie bemerkbar ist, welche ebenfalls zur 
Verschlechterung der Verhältnisse beitragen dürfte. Ein 
Export nach dem Auslande war den im Kammerbezirke 
gelegenen Portlandzementfabriken im Berichtsjahre eben¬ 
sowenig möglich, wie in früheren Jahren. Die Produk¬ 
tionskosten waren im Berichtsjahre wesentlich höher als 
im Vorjahre und werden wohl längere Zeit auf der er¬ 
reichten Höhe bleiben. Die Hauptursache dieser Ver¬ 
teuerung liegt in den hohen Kohlenpreisen, welche in 
dem für die niederösterreichischen Fabriken in erster 
Linie in Betracht kommenden Ostrauer Kohlenrevier bis 
um 70 Perzent der früheren Kohlenpreise ab Grube ge¬ 
stiegen sind. Im Herbste des Berichtsjahres hatte der 
Betrieb und der Versand wieder unter Waggonmangel 
zu leiden, wenn auch nicht so stark wie im Herbste des 
Jahres 1907. Für die Zementindustrie ist angesichts der 
bevorstehenden Erhöhung der Eisenbahntarife die Er¬ 
bauung leistungsfähiger Wasserstraßen, insbesondere der 
gesetzlich bereits festgelegte Bau des Donau—Oder-Kanals, 
eine unabweisliclie Notwendigkeit, weil für die Massen¬ 
artikel nur die Wasserstraßen neue und billige Transport¬ 
wege bieten können. 
Kunststeine für Bauzwecke. Die Produktionsver¬ 
hältnisse in der Kunststeinfabrikation werden von Jahr 
zu Jahr schlechter. Da immer mehr nur auf die Billig¬ 
keit, lange nicht mehr auf die gute und schöne Arbeit 
Gewicht gelegt wird, bieten sich fast gar keine Gelegen¬ 
heiten zur Ausführung besserer Arbeit. Dabei sind die 
Arbeitslöhne auf dem höchsten Niveau angelangt und 
die Arbeitszeit ist immer mehr verkürzt worden; durch 
die Arbeiterorganisationen mit ihren fixen Minimallöhnen, 
welche auch schlechten Arbeitern infolge ihrer Solidarität 
mit den guten gezahlt werden müssen und daher jede 
Strebsamkeit und Lernfreudigkeit untergraben, sind 
weitere Verteuerungen der Produktion eingetreten. Die 
Rohmaterialien wiederum haben infolge zahlreicher Kar¬ 
telle enorme Verteuerungen erfahren. Lebhafte Klagen 
betreffen auch die Praxis bei öffentlichen Lieferungen, 
weil die Arbeiten gewöhnlich dem billigsten Bieter ohne 
Rücksicht auf die Gewähr einer sachgemäßen und ge¬ 
diegenen Ausführung übertragen werden. 
Kunststeine für Filtrationszwecke. Der Absatz 
von Trinkwasserfiltern hat sich auf den inländischen 
Märkten im Berichtsjahre wesentlich gebessert, was 
hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, daß die Be¬ 
völkerung die Wichtigkeit eines gesunden Trinkwassers 
immer mehr erkennt. Der Absatz wurde auch dadurch 
wesentlich gefördert, daß an mehreren Orten Typhus¬ 
epidemien ausbrachen, zu deren wirksamen Abwehr der¬ 
artige Filter die besten Dienste leisten. Das ausländische 
Geschäft stand, insbesondere was Zentral- und Südamerika 
sowie Südafrika betrifft, unter dem Zeichen der Depression. 
Dagegen gestaltete sich der Export nach China, Britisch- 
und Niederländisch-Indien recht günstig. Die Bemühungen, 
auch nach Japan einen Absatz zu erzielen, blieben jedoch 
erfolglos. In Europa waren Spanien und insbesondere 
Rußland, letzteres hauptsächlich wegen der Choleraepi¬ 
demie, gute Absatzgebiete. Die Zahlungs- und Kredit¬ 
verhältnisse haben weder im Inlande noch im Auslande, 
von Südamerika abgesehen, eine Änderung erfahren. 
Weiße Tonerde (Kaolin). Als einzige Betriebsstätte 
im Kammerbezirke kommen nur die Aspanger Kaolin¬ 
werke in Betracht, deren Produktion im Berichtsjahre 
wiederum ungefähr 700 Waggons betrug. Die Absatz¬ 
verhältnisse sind nunmehr durch die mit 1. Jänner 1907 
in Wirksamkeit getretene Vereinigung der Kaolinwerke 
vollkommen geregelt; im Berichtsjahre ist. auch eine 
leichte Besserung der Preise für den Inlandsabsatz zu 
verzeichnen. Der Export nach Rumänien und Italien 
hielt sich auch im Berichtsjahre in bescheidenen Grenzen. 
Die erzielten Preise sind als sehr mäßig zu bezeichnen. 
Im Bezug der Roh- und Hilfsstoffe sind, abgesehen von 
Preissteigerungen, keine wesentlichen Änderungen zu 
konstatieren. Der Waggonmangel machte sich zwar 
weniger als in den vorangegangenen zwei Geschäftsjahren 
bemerkbar, doch traten auch im Berichtsjahre fall¬ 
weise unliebsame Stockungen in der Beistellung von 
Waggons ein. 
Ziegel. Der seit dem Jahre 1906 zu beobachtende 
Rückgang der Bautätigkeit in Wien erfuhr im Berichts¬ 
jahre insoweit eine weitere Verschärfung, als die schwie¬ 
rigen Geldverhältnisse und die teuren Baukosten auf die 
private Bautätigkeit lähmend einwirkten und auch öffent¬ 
liche Bauten nur in geringem Umfange zu verzeichnen 
waren. Nicht ohne Einfluß auf diesen Rückgang mag 
auch die immer empfindlichere allgemeine Teuerung sein, 
die weiten Kreisen der städtischen Bevölkerung Ein¬ 
schränkungen in der Lebensführung, und zwar in erster 
Linie in dem Wohnungsaufwande gebietet. Die dadurch 
hervorgerufene Erhöhung der Zahl der Wohnungsleer¬ 
stehungen mußte somit der Bauspekulation jeden Anreiz 
benehmen; tatsächlich ist denn auch die Zahl der Neu¬ 
bauten in Wien auf einen schon seit langem nicht mehr
	        
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