Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Öberösterreichische Banzeitnng 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“. 
Redaktion und Administration: Buchdruckerei C. KOLNDORFFER, LINZ, Pfarrplatz Nr. 17. 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
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Provinz 
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Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Pfarrplatz Nr. 17, ferner bei 
allen größeren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reklamationen und Beschwerden direkt an uns erbeten. 
Inhalt. Im Interesse des Handwerkerstandes. — Zeitgemäße Be¬ 
trachtungen über gesunde Wohnungen. — Der Bericht der niederöster¬ 
reichischen Handels- und Gewerbekammer pro 1908 (1. Fortsetzung). — 
Lokale Baunotizen. — Aus den Gemeinderatssitzungen in Linz. — Patent¬ 
liste. — Angesuchte Baulizenzen in Linz. — Ausweis über die Um¬ 
schreibung von Immobilien in Linz. — Inserate. 
Im Interesse des Handwerkerstandes. 
(Anhang zum Bericht über die Oberösterreichische Lancles-Hand- 
werker- und Industrie-Ausstellung in Linz 1909.) 
Eines der Grundübel, an welchem unser Klein¬ 
gewerbestand nicht erst seit gestern und vorgestern, 
sondern schon seit langen Jahren krankt, ist die unver¬ 
diente Geringschätzung, deren er sich bei einem großen 
Teile der sogenannten „gebildeten — Stände“ erfreut. 
Es ist das ein Übel, von welchem weit weniger ge¬ 
sprochen und geschrieben wird, als sich von Rechts wegen 
gebührte, da einerseits diejenigen, die darunter zu leiden 
haben, die Handwerker, aus psychologisch leicht erklär¬ 
lichen Gründen ihre Kränkung lieber schweigend tragen, 
als ihr rückhaltslos Ausdruck zu verleihen, und anderseits 
die Leute von der Feder zum weitaus größtem Teile 
selbst von derartigen engherzigen Vorurteilen befangen 
sind und sich, weil sie wohlgepflegte Hände und Nägel 
haben und keinen Arbeitsschurz tragen, für etwas Besseres 
halten, als für einen Handwerker mit seinen schwieligen, 
eisenharten, verschwitzten Händen. 
In der Theorie erkennt heutzutage so ziemlich jeder 
die Gleichheit aller Menschen an und betrachtet den 
Handwerker nicht als ein Wesen niedrigerer Kategorie. 
Aber wenn es zur praktischen Betätigung dieser Gleich¬ 
heitsdogmen kommt, da sieht es bei Neunundneunzig 
unter Hundert verzweifelt übel aus; da regt sich der 
alte ständische Klassenhochmut, der in der Gegenwart 
in einem noch widerwärtigeren Bildungsprotzentum ein 
würdiges Geschwisterlein bekommen hat und wirft die 
prächtig klingenden Gleichheitstheorien straks über den 
Haufen. Die Züchtung dieses Hochmutes, dieser Gering¬ 
schätzung des Handwerkerstandes beginnt bereits in 
früher Jugend. Wohl wird in den Kirchen, in der Volks¬ 
schule das Sprüchlein vom Handwerk, „das einen goldenen 
Boden hat“, eingedrillt, aber wenn Protz junior eine 
Strafaufgabe oder einen schlechten Vierteljahrsausweis 
nach Hause bringt, wissen Papa und Mama mit keiner 
schärferen Drohung auf den jugendlichen Sünder einzu- 
zuwirken, als indem sie ihm in Aussicht stellen, er werde 
bei dauerndem Fleiß- und Sittenmangel in die Lehre ge¬ 
geben werden, wobei Papa Protz die Stirne in die denk¬ 
bar verhängnisvollsten Falten legt und Mama Protz ob 
der ihrem Söhnlein winkenden „Schande“ Tränen¬ 
ströme vergießt. 
Was Wunder, wenn dann in der Seele des unver¬ 
ständigen Jungen die Vorstellung Raum gewinnt und 
sich festsetzt, es gäbe keine ärgere Schande, als ein 
Handwerker werden zu müssen? — Und wenn dann 
Protz junior ein paar Jahre älter geworden und etwa in 
der Quarta des Gymnasiums oder der Realschule gerade 
nur zur Not durchgerutscht ist, dann erneuert sich das 
Strafgericht in verschiedener Form, aber in gleicher 
Richtung. Der Herr Papa kündigt dem jungen Faulenzer 
oder Schwachkopf an, daß er durch seine schlechten 
Fortschritte im Studium unwürdig geworden sei, weiter¬ 
hin die hehren Hallen der Wissenschaft zu besuchen, 
vielmehr zur „Strafe“ und weil er ohnehin zu dumm und 
zu nichts anderem brauchbar sei, in eine Gewerbe¬ 
schule eintreten müsse. Weinend und schluchzend 
erklärt Mama Protz, „sie müsse sich zu Tode schämen“ 
und werde keiner ihrer Bekannten mehr unter die Augen 
treten können; die Geschwister und Verwandten be¬ 
handeln den zur Gewerbeschule verurteilten Dümmling 
tagelang wie einen Ausgestoßenen, bis derselbe sich aufs 
Bitten verlegt und endlich den strengen Sinn des Herrn 
Papas erweicht. 
Zum letztenmal verzeiht dieser und Protz junior 
wird den Musen nicht entrissen, sondern darf das Studium, 
zu dem er doch keinerlei inneren Beruf hat, fortsetzen. 
Die Schreckenstunden und -tage wirken nach, der Bursche 
wird fleißiger und kommt nach mancherlei Fährlichkeiten 
in die Hochschule. Hier verbummelt er entweder gründ¬ 
lich, um als Diurnist, wenns hoch geht, als Sollizitator in 
einer Advokaturskanzlei seine Karriere abzuschließen 
oder er voltigiert — man weiß ja wer das Glück hat — 
über alle Examina hinüber und wird endlich ein Glied der 
„gebildeten Stände“. In beiden Fällen bleibt in ihm 
die innerliche Verachtung des Handwerkerberufes haften 
und hochnäsig blickt er bis an sein seeliges Lebensende 
auf „Gevatter Schneider und Handschuhmacher“ herab. 
Wenn unsere gebildeten Stände sich von ihrem gering¬ 
schätzenden Vorurteile gegenüber dem Handwerkerstande 
loszumachen verständen, wäre dies ein großer Vorteil für 
den letzteren, ein unschätzbarer für die ganze Gesellschaft. 
Wenn unsere „Gebildeten“ nicht darauf erpicht wären, 
jeden halbwegs begabten Jungen dem akademischen 
Studium zuzuführen, dann würde einerseits die für die 
Gesellschaft so ungemein gefährlicheÜberProduk¬ 
tion an „Studierten“, das rapide Anwachsen 
des „gebildeten Proletariats“ aufhören und ander¬ 
seits würden dem Gewerbestande zahlreiche intelligente
	        
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