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Öberösterreichische Bauzeitung.
Nr. 6.
samten Bank- und Institutskredit an sich gezogen hat.
Hausbauten bodenständiger Eigner zum Zwecke' der
Kapitalsanlage, Bauten von Familienhäusern, können und
konnten jedoch die Bedürfnisse des Baugewerbes nicht
erfüllen. Ihre an und für sich geringe Zahl mußte aber
infolge der oben geschilderten ungünstigen Verhältnisse
ebenfalls, sinken,
Der rasche Aufschwung der Bautätigkeit in den
letzten fünf Jahren hatte aber anderseits einen großen
Andrang zum Baugewerbe gezeitigt. Während im Jahre
1900 die Bau- und Steinmetzmeister-Genossenschaft 659
Mitglieder aufweist, finden sich im Jahre 1905 (ohne den
21. Bezirk) 737, im Jahre 1906 mit dem 21. Bezirk 813
Mitglieder vor. Hiebei entfallen auf die sogenannten
juristischen bauberechtigten Personen im Jahre 1904 7,
1905 21, 1906 30. Zu den oben angeführten mißlichen
Verhältnissen gesellte sich also auch eine scharfe Kon¬
kurrenz im eigenen Lager. Mangels genügender Bauten
auf Bestellung trat die Notwendigkeit ein, in eigener
Regie zu bauen — um nicht feiern zu müssenund in
Konkurrenz mit dem Berufsbauunternehmer zu treten
oder in vielen Fällen, wo eigene Mittel nicht das Bauen
in eigener Regie erlaubten, bei dem Bauunternehmer,
welcher das gesamte Material und oft auch sogar das
Gerüstholz und Werkzeug herstellte, lediglich die so¬
genannten Maurerarbeiten zu übernehmen, sich mit einer
wöchentlichen Honorierung ihrer Leistungen zu begnügen
und dabei die gesetzliche^ Haftung für Verwendung von
vollkommen qualitätmäßigen Baumaterialien, sowie für
die solide, fachmännische Ausführung des Baues zu trägem
Daß infolge der geschilderten Verhältnisse die Anzahl
der Zwangsversteigerungen von Realitäten von 1903 bis
1906 von 129 auf 208 gestiegen ist, kann nicht wunder
nehmen, ebenso die Zunahme, von jtonkursfällen, im Bau¬
gewerbe.
Von den Konkursen, welche.das Baugewerbe betreffen,
fallen in den letzten drei Jahren zwei Drittel auf Bau-
und Maurermeister und nur ein Drittel auf Bauunter¬
nehmer, ein Beweis dafür, daß die Krise im Baugewerbe
hauptsächlich die eigentlichen Baugewerbetreibenden er¬
faßt hat, während die verhältnismäßig große Anzahl der
Konkurse von Bauunternehmungen den Schluß gerecht¬
fertigt erscheinen läßt, daß die durch diese Konkurse
verursachten wirtschaftlichen Schädigungen der Bau¬
gewerbetreibenden und Bauhandwerker einen ziemlich
großen Umfang angenommen haben dürften.
Im besonderen ist zu bemerken:
Auf dem Gebiete der Baupolizei war die Baubehörde
stets bestrebt, dem fraudulosen Bauunternehmertum und
dem Bauschwindel Einhalt zu tun. Dieses Ziel konnte
und kann nur durch eine scharfe Bauaufsicht im Sinne
des § 100 der Wiener Bauordnung erreicht werden.
Strenge Bestrafung der Verwendung unqualitätsmäßigen
Materiales, Einstellung der Bauten aus diesem Grunde
wurden und werden als Abschreckungsmittel angewendet.
Leiden kann damit das Hauptübel, die ungenügende
Finanzierung solcher Bauten, nicht getroffen werden. Der
strengen Handhabung der Bauvorschriften bei der Er¬
teilung der Baubewilligung, dem rigorosen Vorgehen der
Aufsichtsorgane bei den Fundament- und Rohbaubesich¬
tigungen, der abermaligen strengen Haltung der Bau¬
behörde bei der Erteilung der Benützungsbewilligungen
ist es zuzuschreiben, daß der Bauzustand der Wiener
Neubauten als ein befriedigender bezeichnet werden
kann.
Die Einflußnahme von nicht befugten Personen auf
die Bauführung wird strenge verfolgt, stets die faktische
Tätigkeit des als Bauführer namhaft gemachten Bau¬
gewerbetreibenden überwacht. Im Falle wahrgenommener
eigenmächtiger oder ohne berechtigten Bauführer ver¬
suchten Bauführungen wird strenge eingeschritten, auf
die sogenannte „Deckung unbefugter Bauführung“ ein
scharfes Augenmerk gerichtet.
Allein gerade der Tatbestand der Deckung unbefugter
Bauführung ist äußerst schwierig festzustellen. Nach den
bestehenden Gesetzen hat. die Baubehörde kein Recht,
sich in die finanzielle Seite eines Baues einzumischen.
Wenn, wie oben bereits angeführt wurde, der Bauführer
lediglich die Maurerarbeiten gegen Honorar ausführt und
für die Materialien die gesetzliche Haftung übernimmt,
steht der Baubehörde keine Ingerenz darauf zu, ob der
Bauführer das Material vom Lieferanten, oder vom Bau¬
unternehmer erhält.
Auch der Umstand entzieht sich der Ingerenz der
Baubehörde, ob der Bauführer die Bauarbeiter aus eigenem
Säckel zahlt oder das Geld vom Bauunternehmer bekommt.
Für die Baubehörde ist der nach § 33 der Wiener
Bauordnung namhaft gemachte Bauführer der Träger der
durch die §§ 34, 35 und 100 der Bauordnung für Wien
vorgeschriebenen Verantwortlichkeit. In die finanzielle
Seite des Verhältnisses zwischen Bauführer und Bauherrn
kann und- darf sich die Baubehörde nicht einmischen.
In dieser Richtung kann nur das eigene Standes¬
bewußtsein der Baugewerbetreibenden Abhilfe schaffen.
Wenn sich kein Bau- oder Maurermeister als Handlanger
von Bauspekulanten hergibt, hört die unbefugte gedeckte
Bauführung von selbst auf. Eine Selbsthilfe gegen der¬
artige, durch die Not des Lebens diktierte Unzukömm¬
lichkeiten^ könnte.; durph Schaffung, einer gegenseitigen
Versicherung gegen Arbeitslosigkeit unter Intervention
der Genossenschaft erzielt werden. Die Gründung einer
solchen Unterstützungskassa kann nicht in das Gebiet
der Utopien verwiesen werden. Man nehme dem Bau¬
spekulanten, dqr sich als Bauherr und Bauführer fühlt,
den legalen Bauführer und das Bauunternehmertum,
welches den legalen Bauge werbetreibenden in Sold nimmt,
ist lahmgelegt.
Die Bestrafungen durch die Gewerbebehörde wegen
Deckung unbefugten Gewerbebetriebes erweisen sich -nach
dem Gesagten lediglich als Palliativmittel, ohne den Ur¬
grund der Verhältnisse zu treffen. Was die Erledigung
der Baugesuche anbelangt, so werden die Gesuchsteller
dadurch in ihrem Interesse gefördert, daß soweit es nur
möglich ist, die Amtshandlungen, sowie die Hinausgabe
der Baukonsense in rascher Weise erfolgt.
Was die in das Gewerberecht fallende Frage der
Entziehung der Gewerbescheine für Bauunternehmer be¬
trifft, so wird hierüber, die zuständige Magistrats-Ab¬
teilung XVII den Bericht erstatten. (Schluß folgt.)
Lokale Baunotizen.
Resultat der Offertverhandlung für den Realschul-
bau in Linz. Bei der -am 4. März stattgehabten Offert¬
verhandlung für den Bau der Linzer Realschule wurden
4 Offerte eingereicht. Es offerierten die Allgemeine
österreichische Baugesellschaft in Wien mit
468.000 Kronen, Baumeister Ernst Hill br and mit
463.000 Kronen, Ober Österreich i s„c he Bau ge Seil¬
schaft mit 437.000 Kronen und G u stav Sbeinberger