Nr. 6.
Oberösterreichische Bauzeitung.
Seite 43.
praktische Maßnahme zu betrachten, die einem Fachmann
wohl geläufig sein kann, aber noch nicht angewendet
wurde, so kann dieselbe nicht Gegenstand eines Patentes
sein und könnte nur durch einen Gebrauchsmusterschutz
geschützt werden. Derartige in Österreich nicht schützbare
Gegenstände, die als eine Erfindung nicht anzusehen und
meistens im geschäftlichen Leben als Massenartikel prä¬
destiniert sind, werfen daher oft bei richtiger kommer¬
zieller Ausbeutung einen bedeutenderen Gewinn ab, als
die genialste Erfindung, deren Absatzgebiet voraussicht¬
lich auf wenige Interessenten beschränkt ist. Für die
Gewerbetreibenden und die Geschäftswelt ist der Mangel
dieser Schutzgattung daher ein empfindlicher und nach¬
teiliger, da nicht nur kein Schutz für diese Gegenstände
existiert, sondern sogar der versuchsweise angestrebte
Patentschutz mit Rücksicht auf die an eine Erfindung
gestellten Anforderungen oftmals versagt werden mußte,
wodurch die aufgewendeten Kosten, ohne einen Schutz
erreicht zu haben, nutzlos verausgabt waren. In den
meisten Fällen hat der betreffende späterhin abgewiesene
Schutzwerber durch die nicht zur Erteilung führende An¬
meldung des Patentes insoferne Nutzen gezogen, als er
berechtigt war, solange den Gegenstand mit „Patent an¬
gemeldet“ zu bezeichnen, als die endgültige Abweisung
des Patentansuohens noch nicht erfolgt war, weil hie¬
durch zaghafte Konkurrenten durch Monate von der Er¬
zeugung und dem Vertrieb dieses Gegenstandes abgehalten
werden.
Vom Patentschutz ausgeschlossen sind Erfindungen,
deren Zweck oder Gebrauch gesetzwidrig, unsittlich oder
gesundheitsschädlich ist, oder die offenbar auf eine Irre¬
führung der Bevölkerung abzielen, ferner wissenschaftliche
Lehr- oder Grundsätze als solche und Erfindungen, deren
Gegenstand einem staatlichen Monopölsreöhte/Vorbehalten
ist. Ebenso kann kein Schutz für Erfindungen von Nahrungs¬
und Genußmitteln, sowie Heil- und Desinfektionsmitteln
erlangt werden. Allerdings kann ein bestimmtes tech¬
nisches Verfahren zur Herstellung von Stoffen, die auf
chemischem Wege hergestellt sind, patentiert werden.
Die als eine der Bedingungen für die Patentfähigkeit
vorgeschriebene Neuheit ist dann vorhanden, wenn die
Erfindung vor dem Zeitpunkte der Patentanmeldung
weder in einer öffentlichen (in- oder ausländischen) Druck¬
schrift benützungsfähig beschrieben, noch im Inlande
öffentlich zur Schau gestellt wurde oder offenkundig in
Gebrauch gestanden ist oder bereits den Gegenstand eines
(erloschenen) österreichischen Privilegiums gebildet hat.
An Stelle des Privilegiumgesetzes vom Jahre 1872 trat
im Jahre 1889 das neue österreichische Patentgesetz in
Kraft. Zur Erlangung eines Patentes ist im Gegensätze
zum Musterschutze die Vorlage eines Modelles nicht er¬
forderlich.
In vielen Fällen ist von der Anfertigung des
Modelies vor der Patentanmeldung schon aus dem Grunde
abzuraten, da der Prioritätsschutz erst mit dem Momente
der Überreichung des Patentansuchens beim Patentamte
beginnt und durch die Anfertigung des Modelles Zeit
verloren geht, die ein Unberufener z. B. durch Anmeldung
des bezüglichen Patentes ausnützen kann. Ist der Zu¬
sammenhang nachweisbar, so kann zwar der eigentliche
Erfinder zu seinem Rechte gelangen, ist jedoch die Patent¬
anmeldung auf den Namen einer Zwisehenperson erfolgt,
deren Strohmannschaft, nieht bewiesen werden kann, so
ist der Erfinder um den Erfolg seiner oftmals jahrelangen
geistigen Arbeit gebracht.
Die Lage des Baugewerbes in Wien.
(Aus dem Wiener Kommunalblatt.)
In der letzten Plenarversammlung des Gemeinderates
vom 11. Feber brachte Gemeinderat Breuer eine Inter¬
pellation an den Bürgermeister ein, welche an denselben
eine Reihe von Fragen richtete, dahingehend, ob er ge¬
neigt sei, in den Vertretungskörpern und bei der Re¬
gierung dahin zu wirken, daß alle die bekannten Be¬
schwerden, von denen auch die meisten in der letzten
Enquete lauten Ausdruck fanden, einer dem Baugewerbe
günstigen Erledigung zugeführt werden. Der Vorsitzende,
Vizebürgermeister Dr. Porzer, verlas als Antwort folgenden
vom Magistratsrat Pfeifer verfaßten Bericht:
„Die mißlichen Verhältnisse im Baugewerbe %sind,
ebenso wie die in der Interpellation angeführten Gründe
derselben, allgemein bekannt und müssen ohne Zweifel
die zur Verbesserung der Lage dieses Gewerbes zu er¬
greifenden Maßnahmen den Gegenstand ernsterErwägungen
für die hiezu berufenenen Faktoren bilden.
Seit dem Jahre 1905 ist die Anzahl der Neubauten
und Umbauten ganzer Gebäude von 621, beziehungsweise
209 im Jahre 1906 auf 501, beziehungsweise 160 und im
Jahre 1907 auf 515, beziehungsweise 140 gesunken. Das
Jahr 1905 bedeutet jedoch einen Höhepunkt und ist dessen
Ziffer auch durch die Einbeziehung des, 21. Bezirkes
naturgemäß eine relativ höhere geworden. Die Jahre
1901, 1902, 1903, 19Q4 weisen ein Aufsteigen der Bau¬
tätigkeit von 356 Neubauten plus 162 Umbauten ganzer
Häuser auf 357, beziehungsweise 239, 479, beziehungs¬
weise 202, 516 beziehungsweise 187 auf. Daraus folgt,
daß die seit 1901 aufsteigende Bautätigkeit in den Jahren
1904 und 1905 ihren Höhepunkt erreicht hat, und daß
der Zunahme um 312 Hausbauten vor 1901 bis 1906, seit
dem letzteren Jahre bis 1907 eine Abnahme von 175
Hausbauten entgegensteht, also eine allmähliche Ab-
flauung eintritt.
Für diese Erscheinung führt die Interpellation eine
Reihe von Gründen, wie Kartellierung der Baumaterialien,
Erhöhung der Arbeitslöhne bei gleichzeitiger Verkürzung
der Arbeitszeit, Zinsfußerhöhung bei den Geldinstituten,
die hohen Übertragungsgebühren an, die bereits in der
Öffentlichkeit besprochen wurden, mit welchen jedoch
dieselben noch nicht erschöpft sind. Die amtlichen Nach¬
richten des statistischen Bureaus weisen nach, daß seit
dem Jahre 1901 eine Zunahme leerstehender Zinsräume
von 6757 auf 11.148, also um 4391 Räume, eingetreten
ist. Angesichts des Anwachsens der Bevölkerung kann
nicht von einer Abnahme des Wohnungsbedarfes ge¬
sprochen werden. Da nun von den leerstehenden Woh¬
nungen die doppelte Zahl auf die Monatswohnungen ent¬
fällt, während bei den Geschäftslokalen das Umgekehrte
der Fall ist, ergibt sich der Tatbestand einer Ueber-
produktion sogenannter Zinskasernen und ausgesprochenen
Geschäftshäuser. Aber gerade diese beiden Kategorien
sind die Favorits der Bauspekulation, der Spekulation
überhaupt. Dieser Umstand, sowie die oben angeführten
bauverteuernden und bauerschwerenden Umstände —
wozu noch die Erscheinung tritt, daß bei Lieferung der
Baumaterialien gar kein oder nur ein ganz kurzer Kredit
gewährt wird — haben zur Folge gehabt, daß sich die
Spekulation auf andere, besonders industrielle Gebiete
geworfen hat; wobei auf die in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahres eingetretene „Hochkonjunktur“ in der
Industrie hingewiesen sein möge, welche nahezu den ge¬