Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

Seite 84. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 10. 
von zirka 5 Meter Höhe angebracht, von welchen auf 
der gegen den Nachbar gerichteten Giebelseite einige 
stehen geblieben sind. Diese scheinen nicht hoch genug 
gewesen zu sein; es ist aber dieser geringen Höhe 
weniger Gewicht beizulegen, denn die Hauptsache war, 
daß diese Gleitböcke dem Hause an der Stockschwelle 
des ersten Stocks der Holzkonstruktion ein Ausweichen 
aus der Flucht nicht gestatteten. Allein diese Gleitböcke 
werden niemals so fest gestellt und angebracht werden 
können, um bei eintretendem Ausweichen des Hauses 
dasselbe aufzuhalten, es muß vielmehr vor allem dafür 
Sorge getragen werden, daß die das Gebäude tragenden 
Bolzen auf den Winden nicht aus der senkrechten Rich 
tung getrieben werden. Sobald dieses ein tritt, wird die 
Arbeit außerordentlich gefahrdrohend und ist ein Unglück, 
wenn nicht vorsichtig unterbaut ist, kaum mehr zu ver 
meiden. Dieses Ausweichen scheint unseres Erachtens 
eingetreten zu sein. Die ungleiche Bedienung der Winden 
brachte das Haus sowohl in wagerechter wie senkrechter 
Linie aus dem Gleichgewicht, die Bolzen bekamen eine 
schiefe Stellung und durch die Last des Gebäudes kamen 
dieselben zum Kippen. Wäre bis auf wenige Zentimeter 
eine solide provisorische Unterbauung vorhanden gewesen, 
hätte das Gebäude sich wohl senken und in der Lage 
verschieben können, ein Einsturz wäre aber ziemlich sicher 
vermieden worden; man wird also als Ursache wohl die 
mangelhafte Bedienung der Winden und die Außeracht 
lassung jeglicher Vorsicht beim provisorischen Unter 
bauen zu bezeichnen haben. 
Es ist kaum anzunehmen, daß die einzelnen Bolzen, 
auf denen der Heberost ruhte, auf einmal und ganz 
momentan aus ihrer senkrechten Stellung gedrückt wurden, 
es ist vielmehr wahrscheinlich, daß sich das Unglück 
dadurch vorbereitete, daß erst einige Bolzen aus der. 
richtigen Lage kamen, was die die Winden bedienenden 
unkundigen Leute vielleicht gar nicht wahrnahmen und, 
wenn doch, es nicht zu beurteilen verstanden; wenn dieser 
Umstand an mehreren, vielleicht eine Gruppe bildenden 
Bolzen nach und nach eintrat, mußte das Unglück vollends 
rasch eintreten, insbesondere dann, wenn diese unkundigen 
Leute noch mehr antrieben und dadurch sämtliche Bolzen 
zum Kippen brachten. Auch an Äußerungen geretteter 
Personen fehlt es nicht, welche ein eigentümliches Knistern 
und Krachen während ziemlich langer Zeit gehört haben 
wollen, auch sollen die Uhren schon vormittags stehen 
geblieben sein, was aber bei jeder Hebung wohl ein 
treten wird. 
Wenn schon die geschilderten Unvorsichtigkeiten 
von großer Gefahr waren, wurde dieselbe durch den 
Personenverkehr im Hause, durch die zugelassene Menge 
Menschen — die Angabe schwankt zwischen 150 und 
200 — noch ganz erheblich gesteigert. Freilich kommt 
hier nicht die Vermehrung der toten Last in Betracht — 
diese Mehrbelastung war auf das Hebgeschäft bei der 
vorhandenen großen Last ohne alle Bedeutung, es war 
aber eben die Menschenbelastung kein totes Gewicht, 
sondern eine lebende Belastung, welche durch die fort 
währende Bewegung jeden Augenblick Belastungsver 
schiebungen hervorrufen und die Balancierung des Ge 
bäudes außerordentlich gefährden mußte. Durch den 
Menschenverkehr wurden andauernd Erschütterungen 
verursacht, welche bei dem nur auf Bolzen stehenden 
Hause unbedingt unheilvoll wirken mußten. 
Legt man sich nun die Frage vor: wer hat das Un 
glück verschuldet? so muß in erster Linie der Unter 
nehmer hierfür verantwortlich gemacht werden. Er ver 
säumte die sachgemäße Bedienung der Hebegeschirre 
und unterließ jede Sicherheitsvorkehrung bezüglich des 
provisorischen Unterbauens. Außerdem ließ er in un 
begreiflichem Leichtsinn das ganze Haus mit Menschen 
sich anfüllen, wo es doch nur des Wortes „Gefahr“ be 
durft hatte, jedermann von dem Hause fernzuhalten, denn 
das weiß jeder Techniker aus Erfahrung, daß das Publikum, 
wenn es auf eine etwaige Gefahr aufmerksam gemacht 
wird, sehr willig folgt. Wenn er durch den Anschlag: 
„Jeder betrete das Haus auf eigene Gefahr“ sich der 
Verantwortung entziehen wollte, war er sehr im Irrtum, 
er erreicht damit wahrscheinlich das Gegenteil, denn 
das klingt eher als eine Aufforderung und durchaus nicht 
als strenges Verbot und entbindet ihn von der Verant 
wortung in keiner Weise. H. a. 
Über Theaterbau. 
YI. 
Das große Theater in Pompeji erbringt über 
das Vorhandensein einer derartigen Einrichtung den 
sprechendsten Beweis. Ob nun die Ansichten des fran 
zösischen Architekten Mazois der historischen Wahrheit 
entsprechen, wird wegen dem Fehlen jeder erhaltenen 
Theatermaschinerie sehr schwer zu beweisen sein. Das 
selbe gilt auch von so vielen Fragen über die Einrich 
tung der antiken Szene. Der archäologischen Forscher 
Fleiß scheitert da eben an dem Quellenmangel, an 
sprechenden Beweisen und erhaltenen Objekten und es 
werden wohl so viele Aufstellungen und Behauptungen 
nur auf das Gebiet persönlicher Vermutungen und An 
sichten ohne wissenschaftliche und reale Beweiskraft 
zurückzuführen sein. 
So wäre es auch ein gänzjich mißlungener Versuch, 
ein Urteil über die antike Szenenmalerei abgeben zu 
wollen. Wir wissen sehr wenig über die antike Malerei 
überhaupt, da alle historischen Kunstwerke im Gegen 
sätze zur Architektur und Plastik gänzlich verschwunden 
sind. Umso weniger kann dies daher von den flüchtigen, 
leicht zerstörbaren Leinwanddekorationen der Fall sein. 
Auch die erhaltenen Wandmalereien Pompejis werden 
uns kaum nur ein annäherndes Bild der Malerkunst in 
der römischen Spätzeit bieten können, da hier mit wenigen 
Ausnahmen von kaum mehr als allgemein gebräuchlichen 
Wandmalereien für Innendekoration die Rede sein kann. 
Daß die perspektivische Darstellung den Griechen und 
Römern bekannt war, steht außer Frage und ist 
durch literarische und Kunstwerke erwiesen. Ob die 
Perspektive auch für die szenische Malerei verwendet 
wurde, wird jedoch als Voraussetzung anzusehen sein, 
da die antike Bühne mehr für ein reliefartiges als per 
spektivisches Bild geschaffen war. 
Dies wäre wohl das Wesentlichste, was über das 
antike Theater, den grundlegenden und gestaltenden 
Vorgänger des modernen Theaterbaues zu sagen ist. 
Wir werden nun von einigen Ländern interessante 
Theaterbauten anfuhren und beginnen mit 
Italien. 
War Griechenland und Rom der Ausgangspunkt und 
die Wiege des Theaterbaues, so hat das Theater auch 
in dem späteren Italien eine weitere Entwicklung er 
fahren. Es gilt dies nicht nur vom Theaterbau und der 
Bühneneinrichtung, der Entwicklung der Szenenmalerei,
	        
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