Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

Seite 48. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 6. 
Was hilft da die prächtige Passade, die Pracht des 
Saales, all die modernen LichtefFekte, die wohl nur bei 
dem ersten Besuche vielleicht als sensationell das Auge 
erfreuen. Man wird selbst dem prächtigsten Musentempel, 
der diesen Aufgaben nicht gerecht wird, in der Erwartung, 
wieder schlechte Plätze zu erhalten, den Rücken kehren. 
Das Theater als Ort der Schaustellungen aller Art, hat 
seinen Ursprung religiösen Festfeiern, besonders dem 
Dyonisiuskultus zu verdanken. Wie öffentliche Reden 
und Darstellungen für eine große Menge von Menschen 
für deren Sinneneindrücke berechnet sind, so war es 
natürlich, daß um den Redner oder Sänger, der einen 
höheren Standpunkt eingenommen, sich in einem Halbkreis 
die schaulustige Menge scharte. — Auf diese Form der 
Aufstellung von Vortragenden und Zuhörern beruht die 
ganze Bauentwicklung und Gestaltung des Theaters. 
Die durch die Lust zum Sehen und zum Hören ganz 
natürlich entwickelte Kreis-, Halbkreis- oder Ellipseform, 
wo von allen Punkten Auge und Ohr, Bild und Ton man 
erfassen konnte, bildete daher das Grundschema für alte 
Schaustellungsgebäude. Diese Formen finden wir bei dem 
griechischen und römischen Schauspielhause, bei den 
römischen Kreis- oder Amphitheatern für Gladiatoren-, 
Tier- und Waffenkämpfe, bei dem Zirkus für Wagen 
rennen. Schon bei den Griechen errichtete man für die 
Sänger und Tänzer der Dyonisiusspiele Laubhütten, die 
„Szene“, welcher Ausdruck sich bis heute als Bezeichnung 
für die Bühne oder den Spielraum erhalten hat. 
Die Form war die eines länglichen Vierecks mit 
einigen Stufen zu beiden Seiten für den Auftritt und 
Abgang des Chores, die sich auc^i bei Beginn der Dauer 
bauten im griechischen Theater erhalten hat. Vor der 
Szene lag im Halbkreise oder als Segment die Orchestra, 
der Tanzplatz, in welcher bei den Griechen der Altar 
des Dyonisius stand, sich die Sitzplätze für die Priester 
des Dyonisius feleutliereus erhoben und * .der bei den 
Griechen als Spielraum für den Chor, die Tänzer und 
Instrumentalmusiker diente. Bei den Römern wurde 
hingegen die Orchestra bereits als vornehmster Platz dem 
Zuschauerraum beigezogen, so daß der Sprechplatz 
„pulpitum“ der Römer bis an die Zuschauer reichte. 
Der stufenförmige Zuschauerraum ist bereits so oft ge 
zeichnet und beschrieben, daß es wohl überflüssig erscheint, 
auf die Schilderung des Stufenwerkes der „Gradinata“ 
zurückzukommen. Die Form des Zuschauerraumes bildete 
bei den Römern ein durch die Bühne in der Gänze ab 
geschlossenes Kreisstück von 185 bis 200°, während bei 
den Griechen, deren Szene von geringerer Breite war, 
der Halbkreis durch Tangenten verlängert wurde. Über 
den Bauplatz sei bemerkt, daß derselbe bei den Griechen 
zumeist am Fuße von Hügeln gelegen war. Als Örtlich 
keit wählte man gerne felsige Abhänge, da mit geringen 
Kosten und mit Sparung des Baumaterials das ganze 
Stufenwerk des Zuschauerraumes in den Felsen einge 
lassen werden konnte. (Fortsetzung folgt.) 
Aus den Gemeinderats-Sitzungen in Linz. 
(Sitzung vom 28. Februar 1906). 
Gemeinderat Dr. Jäger stellt folgenden Antrag: 
1. Der Gemeinderat beschließe in Ausführung seiner 
durch die Einstellung von entsprechenden Ausgabeposten 
in den Voranschlägen pro 1904, 1905 und 1906 zum Aus 
drucke gebrachten Absichten die Herstellung billiger 
Wohnungen für Arbeiter noch im Laufe des Jahres 1906 
in Angriff zu nehmen. 2. Zu diesem Zwecke sind im 
Hinblicke auf den Umstand, daß im Innern der Stadt 
bereits die Arbeiterhäuser der Allgemeinen Sparkasse und 
das Baronin Handelhaus sich befinden, zunächst an der 
Peripherie der Stadt geeignete Arbeiterhäuser zu erbauen. 
Ob und in welchem Zeitpunkte mit dem Baue solcher 
Häuser auch in der innern Stadt vorgegangen werden 
soll, bleibt einer späteren Beschlußfassung des Gemeinde 
rates Vorbehalten; doch bezeichnet der Gemeinderat heute 
die vom Stadtbauamte hiefür ausgearbeitete Type VII 
als zur Ausführung sehr geeignet. 3. Für den Bau der 
dermalen in Angriff zu nehmenden Häuser haben folgende 
Grundsätze zu gelten: 
a) Die Arbeiterhäuser müssen durchwegs den Vor 
schriften des Gesetzes vom 28. Juli 1902, R.-G.-Bl. Nr. 144, 
und der Ministerialverordnung vom 7. Jänner 1903, R.-G.-Bl. 
Nr. 6, entsprechen; b) in einem Hause sollen nicht mehr 
als höchstens acht Familien untergebracht werden ; c) die 
Wohnungen haben meist nur zwei, keinesfalls mehr als 
drei bewohnbare Räume zu erhalten; d) jede Wohnung 
soll möglichst einen eigenen Zugang haben und soll keine 
Stiege von mehr als vier Familien benützt werden müssen. 
Jede Wohnung hat ferner einen eigenen Abort und einen 
eigenen Keller (Holzlage) zu bekommen. Auch ist für 
die Waschküchen derart vorzusorgen, daß höchstens vier 
Familien ein- und dieselbe benützen müssen. Endlich ist 
womöglich der Dachraum so einzuteilen, daß jede Partei 
einen geschlossenen Bodenraum bekommt; e) jedes zu 
erbauende Haus ist vollständig zu unterkellern; f) der 
Flächenraum der be wohnbaren Räume soll bei Wohnungen 
mit zwei bewohnbaren Räumen mindestens 36 Quadrat, 
meter, aber auch bei Wohnungen mit drei bewohnbaren 
Räumen nicht mehr als 40 Quadratmeter betragen, und 
hat. das . B.ürger;meistei;aint jetzt ä schon ; und,vor Inangriff 
nahme des Baues bei der kompetenten Behörde um die 
Bewilligung obiger Überschreitung der im § 5, Z. 1, lit. b, 
des Gesetzes vom 8. Juli 1902, R.-G.-Bl. Nr. 144, fest 
gesetzten Maximalgrenze der Bodenfläche der bewohnbaren 
Räume im Sinne des §10 des vorzitierten Gesetzes ein 
zuschreiten; g) die lichte Höhe der bewohnbaren Räume 
soll 2 90 Meter betragen; h) zu jedem Arbeiterhause ist 
soviel Grund beizugeben, daß jede Partei einen Garten 
von 80 bis 100 Quadratmeter erhält; i) die Häuser sind 
durchwegs mit der städtischen Wasserleitung zu versehen 
und zu kanalisieren. Für je zwei Wohnungen ist ein 
eigenes Auslaufrohr anzubringen; k) als Trottoir vor den 
Arbeiterhäusern sind durchwegs makadamisierte Gehsteige 
mit Randsteinen vorzusehen. 
4. Zur Ausführung vorstehender Beschlüsse bestimmt 
der Gemeinderat nach Maßgabe des Bedarfes den westlich 
von der Elisabeth westbahn gelegenen Teil der ehemals 
zum Feichtergute (Feiertaggute), gehörigen, von der 
Stadtgemeinde erworbenen Grundstücke und ist hierüber 
vom Bauamte ein entsprechender Parzellierungsplan ehe 
baldigst in Vorlage zu bringen. 5. Auf den vorgenannten 
Grundstücken sind nach dem offenen Bausystem vier bis 
fünf einstöckige Arbeiterhäuser mit zusammen 32 Woh 
nungen, wovon mindestens 24 zwei bewohnbare Räume 
und die übrigen drei bewohnbare Räume erhalten sollen, 
zu erbauen, und jedem für acht Parteien eingerichteten 
Arbeiterhause rund 1000 Quadratmeter Grund, Arbeiter 
häusern für nur vier Parteien etwa 500 Quadratmeter Grund 
inklusive Bauareal beizugeben. Der Gesamtkostenaufwand 
für diese Arbeiterhäuser inklusive Grund, Bau, Umfriedung, 
Trottoirherstellung, Interkalarzinsen soll den Betrag von
	        
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