Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Seite 58. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 7. 
ist und unter lästiger Rauch- und Geruchsentwicklung 
vor sich geht; ihr Anblick kann kaum ein schöner ge¬ 
nannt werden; ebenso wird die Trennung der Leichen¬ 
reste vom Brennmateriale kaum möglich. 
2. Die Verbrennung in mehr oder weniger offenen 
Öfen, wobei der Leichnam mit dem Brennmateriale in 
Kontakt bleibt. Der Sarg wird auf den mit Brenn¬ 
materialien bedeckten Rost gestellt, der ganze übrige 
Raum des Ofens um den Sarg herum und über denselben 
mit Brennmaterial angefüllt. Die Entzündung findet von 
oben her statt und brennt die Flamme nach unten, so 
daß die Verbrennungsgase durch das glühende Material 
hindurchstreichen müssen, wo sie vollständig verbrennen 
und schließlich durch den Kamin entweichen, welcher 
durch einen Feuerkanal, der beiläufig 30 Zentimeter unter 
dem oberen Ende des Ofens ausmündet, mit diesem ver¬ 
bunden ist. Auch liegt hier außer vielen anderen Übel- 
ständen, die Schwierigkeit vor, die Asche des Kadavers 
herauszunehmen. 
3. Eine weitere Art der Leichenverbrennung ist die 
in Muffelöfen vorzunehmende. Die Prozedur im Muffelofen 
erfüllt jedoch auch nicht alle Bedingungen, die an eine 
vollkommene Leichenverbrennung im modernen Sinne 
gestellt werden; auch dürfte eine einmal benützte Retorte 
kaum wieder benützt werden, was die Kosten einer Einzel¬ 
verbrennung wesentlich steigern müßte. 
4. Wir kommen auf die Verbrennung in Flammen¬ 
öfen zu sprechen, wobei die Leiche nur mit der Flamme, 
also mit den aus den Brennmaterialien entwickelten brenn¬ 
baren Gasen in Kontakt bleibt und nicht mit diesem 
se]bst in Berührung tritt. Bei den Flammenöfen unter¬ 
scheidet man zunächst den Feuerherd und den Kalzinier¬ 
oder Verbrennungsraum; dieser letztere wird von den 
Flammen des im Feuerraume erzeugten Feuers durch¬ 
strichen und in eine möglichst hohe Temperatur versetzt. 
Die Bedingung für die vollkommene Leistungsfähigkeit 
dieser Art Apparate ist aber eine Verbrennung ohne 
Rauch- und Rußentwicklung und bei vollkommener Ge¬ 
ruchszerstörung. 
Die Erfahrungen der Feuerungstechnik haben durch 
praktische wie theoretische Beweise schon längst fest¬ 
gestellt, daß die Verbrennung von organischen Körpern, 
zu denen auch die Leichen zu zählen sind, nur dann 
rauch- und geruchlos und in jeder Beziehung vollkommen 
zu erreichen ist, wenn Sauerstoff, also die atmosphärische 
Luft, in genügendem Maße und im hocherhitzten Zu¬ 
stande unbehindert zutreten kann, denn die besondere 
Verwendbarkeit der hocherhitzten Luft beruht auf deren 
außerordentlichen Fähigkeit, in diesem Zustande chemische 
Verbindungen einzugehen, d. h., zu verbrennen. Mit der 
erhöhten Disposition der heißen Luft zur Verbrennung, 
nimmt die Vollkommenheit des Verbrennungsprozesses 
zu und so ist es ganz erklärlich, daß durch geeignete 
Anwendung von erhitzter Luft, die Bildung von Rauch 
und Ruß verhindert und vollkommene Geruchszerstörung 
bewirkt wird. 
Dem Zwecke entsprechende Flammenöfen müssen 
daher nach dem Gesagten nicht nur den Kalzinierraum 
aufheizen, sondern in denselben auch reichliche Mengen 
überhitzter, ■ weißglühender, durch Vorwärmung ge¬ 
wonnener Luft eintreten lassen. So beruhen die Ver¬ 
brennungsapparate von Poli und Brunetti mehr oder 
weniger auf diesem Prinzipe, besitzen jedoch wegen all¬ 
zureicher Verwendung von Metall innerhalb des Kalzinier¬ 
raumes nicht die gewünschte Dauerhaftigkeit. Erst Herrn 
Friedrich Siemens ist es gelungen, einen Flammenofen 
zu konstruieren, der durch seine Einfachheit und Zweck¬ 
mäßigkeit von keinem anderen System nur annähernd 
erreicht wurde. 
Bei dem Siemens’schen Apparate tritt zwischen der 
Flamme und dem zu verbrennenden Leichnam ein so¬ 
genannter Vorwärmer, welcher die von der Flamme ab¬ 
gehende Hitze an sich nimmt und in großer Menge auf¬ 
speichert, um sie in geeigneter Zeit an die den Vorwärmer 
durchstreifende Luft abzugeben, welche alsdann stunden¬ 
lang im hocherhitzten, überschüssigem Maße ohne irgend 
welcher Beimischung von Verbrennungsprodukten in den 
Kalzinieraum zur eigentlichen Verbrennung eintritt. Nach 
dieser Beendigung kann der Vorwärmer in ganz kurzer 
Zeit wieder auf die Anfangstempelatur gebracht werden, 
so daß es möglich ist, eine zweite Verbrennung der ersten 
rasch folgen zu lassen. Diese Methode der Leichen-Ver- 
brennung beruht auf ausschließlicher Verwendung hoch¬ 
erhitzter, im überschüssigen Maße zutretender Luft, nicht 
auf Verwendung von Flammen, denn läßt man irgend eine 
Flamme direkt auf den Leichnam gehen, so strömen auf 
denselben heiße Verbrennungsprodukte ein, allein ein 
nicht genügender Überschuß von noch unverbrauchtem 
Sauerstoff, und um einen Leichnam rasch und vollständig 
zu verbrennen, muß ein großer Überschuß von Sauerstoff* 
auf denselben bei hoher Temperatur einwirken. 
Nunmehr gehen wir über zur speziellen Beschreibung 
der Siemens’schen Verbrennungsmethode. Die Einrichtung 
ist hier derart zu denken, daß der eigentliche Verbrennungs¬ 
apparat sich im Erdgeschoß befindet. Im ersten Stock¬ 
werke bitten wir, sich eine schöne, dem Zwecke ent¬ 
sprechende Leichenhalle vorzustellen, in welcher ein mit 
Versenkung ausgestatteter Katafalk plaziert ist. Derselbe 
entzieht den darunter befindlichen Ofen mit dem zum 
Einbringen des Verbrennungsobjektes besonders gebauten 
Wagen dem Anblicke der in der oberen Halle befind¬ 
lichen Personen. 
Der ganze Apparat besteht: 
1. Aus dem Gaserzeuger mit dem Gaszuleitungskanale; 
2. aus der Vorwärmekammer; 
3. aus der Verbrennungskammer mit dem Tonroste; 
4. aus dem Aschenraume mit dem zum Schornsteine 
führenden Kanal; 
5. aus dem Schornsteine. Letzterer wird entweder ent¬ 
sprechend verkleidet oder ist durch das Gesamtbau¬ 
werk verdeckt. 
Der Verbrennungsprozess geht nun folgendermaßen 
vor sich: 
Nachdem der Gaserzeuger mit Brennmaterial gefüllt 
und die Gasentwicklung eingeleitet worden ist, strömt 
das Gas durch den mit einem Ventil regulierbaren Gas¬ 
kanal in den unteren Teil de$ Vorwärmers (welcher eben¬ 
falls mit einem durch ein Ventil regulierbaren Einlaß ver¬ 
sehen ist), wo dasselbe mit der einströmenden atmo¬ 
sphärischen Luft verbrennt. Das so gebildete Feuer 
durchstreicht von unten nach oben den Vorwärmer und 
gibt die gesamte Hitze an die die Kammer füllenden 
Ziegelmassen ab. Die abziehenden Verbrennungsprodukte 
entweichen durch die Öffnungen der übereinander ge¬ 
schichteten Ziegelmassen, durchstreichen in fast abge¬ 
kühltem Zustande die Verbrennungskammer, den darunter 
befindlichen Tonrost, den Aschenfall und gelangen durch 
den vom letzteren abgehenden regulierbaren Schornstein¬ 
kanal in den Schornstein. Nach einigen Stunden ist der 
Vorwärmekanal gehörig erhitzt und kann, wenn derselbe
	        
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