Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Seite 22. 
Öberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 3. 
Staub auf den wenigen großen Verkehrswegen ent¬ 
standen, daß er zur unleidlichen Plage und dadurch ge¬ 
radezu eine Gefahr des Meidens dieses himmlischen 
Erdstriches, also eine nationale Kalamität zu werden 
drohte. Da war dringende Abhilfe notwendig und diese 
entstand auch in der Ligue contre la poussiere, von der 
wir noch weiterhin sprechen. 
Der Kalkstaub beschotterter Straßen ist in mehr¬ 
facher Weise schädlich, unser Granitpflaster enthält viele 
feine scharfe Quarzteilchen, das wegen seiner Geräusch¬ 
losigkeit so ungemein angenehme Holzpflaster erzeugt 
bei seiner Abnützung einen feinfaserigen Staub, doch 
würde ich diesen ebensowenig fürchten wie die Möglich¬ 
keit des leichteren Eindringens von Infektionsstoffen in 
dasselbe, da entsprechende Befeuchtung das eine und 
Imprägnierung mit Teer wohl auch das andere verhindern, 
sondern es ist hauptsächlich der Kostenpunkt, der hier 
in Betracht kommt. Wenn wir somit das selbst kaum 
Staub erzeugende und von dem auf dasselbe gebrachten 
leicht zu reinigende Zementasphaltpflaster als das beste 
bezeichnen müssen, so werden wir hören, daß wir der¬ 
malen noch andere Mittel haben, um auch die gefürchtete 
Landstraße von ihrem Staubschrecken zu befreien. 
Es tut mir immer weh, wenn ich Kinder sich im 
Staube der Straße herumbalgen, das schmutzige Spiel¬ 
zeug vom Boden aufnehmen sehe. Die unsaubere Hand 
faßt dann wieder die Nahrungsmittel an, und so mögen 
dann gar oft Infektionsstoffe verschleppt werden und 
Krankheiten entstehen, ohne daß man eine bestimmte 
Ursache nach zu weisen vermag. Großes Verdienst könnten 
sich alle jene Vereine erwerben, welche sich jetzt der 
Pflege der Kinder annehmen, wenn sie durch geeignete 
Erholungsstätten und Spielplätze das Tummeln auf der 
Straße überflüssig machen, ja aus sanitären Gründen ein 
Verbot gegen dasselbe erwirken würden. Eine sehr lästige 
Ursache für Staubbildung ist die der Abtragung alter 
Baulichkeiten. Fleißige Besprengung des Mauerwerkes 
mit Wasser ist wohl für viele Fälle ausreichend, unter 
Umständen dürfte aber eine solche mit desinfizierenden 
Substanzen sehr wünschenswert sein. Schließlich darf 
hier eine große Modetorheit nicht unerwähnt bleiben. 
Das Schleppkleid hat im eleganten Salon seine Berech¬ 
tigung, auf der Straße ist es in mehrfacher Weise von 
Schaden. Zunächst wirbelt es Staub auf, welchen der 
Nachfolgende einatmen muß, der Trägerin selbst schadet 
es ja weniger; dann bringt es Staub in das Haus, und 
da ist noch das arme Stubenmädchen zu beklagen, das 
ein solches Kleid zu reinigen hat, und endlich auch der¬ 
jenige, der eben das Stiegenhaus, das ja mit Vorliebe zu 
solchen Verrichtungen verwendet wird, zu passieren hat! 
Es ist schon darauf aufmerksam gemacht worden, 
d aß die hauptsächliche Übertragung der Tuberkulose 
durch den Menschen geschieht, aber nur durch den un¬ 
reinen, der seinen Auswurf in sorgloser Weise beseitigt. 
Besondere Sorgfalt muß auch der Art der Entfernung 
des Hausmulls zugewendet werden, damit diese ohne 
Staubentwicklung vor sich gehe. 
Hofrat Schrötter spricht weiters von der Bekämpfung 
der Staubentwicklung in gewerblichen Betrieben und 
kommt dann auf die Mittel zur Unterdrückung des 
Straßenstaubes zu sprechen. 
Schon seit altersher hat man sich bemüht, des 
Staubes auf den Straßen und öffentlichen Plätzen Herr 
zu werden. Bei der Frage der Beschotterung und der 
Wahl des Pflastermateriales handelt es sich nicht nur 
um die. Art und Menge des Staubes, sondern es kommen 
auch noch andere Punkte zur Erwägung, neben den 
Kosten (das richtige, schon an sich teuere Material muß 
oft noch weit hergebracht werden) vor allem die Geräusch¬ 
bildung, welche ja auch in unseren größeren Städten zur 
Plage für unsere Nerven wird. 
Das einfachste Mittel, das Besprengen mit Wasser, 
ist, selbst mehrmals am Tage vorgenommen, nicht aus¬ 
reichend, denn mit dem Eintrocknen ist wieder der alte 
Zustand gegeben, und man darf nicht vergessen, daß 
viel Wind, also Staub, und Austrocknen eine gewisse 
ungünstige Relation bilden. Vielfache Versuche durch 
Besprengungen mittels Wasser stark anziehender Sub¬ 
stanzen, Salz- und Chlorkalziumlösungen, Meerwasser, 
konnten nicht weiter zur Anwendung kommen, da diese 
Stoffe zu viele unangenehme Nebeneigenschaften haben. 
Nach dem schon früher Gesagten ist es wohl natürlich, 
daß man sich an der Riviera, wo es durch die Ent¬ 
wicklung des ungehemmten Automobilismus geradezu 
Notwendigkeit geworden war, am energischesten mit der 
Frage beschäftigte, und in der Tat hat ein umsichtiger 
Arzt, Doktor Guglielminetti in Monte Carlo, zuerst durch 
Beimengung von Teer zum Erdreiche eine ausgezeichnete 
staubfreie Straße hergestellt. Im Anschlüsse hieran hat 
sich durch die Energie desselben Mannes zunächst in 
Nizza eine Ligue contre la poussiere, dann eine solche 
in Paris und an anderen Orten gebildet und jeder Fahr¬ 
gast sowie Fußgeher, welcher die dermalige neueste, 
tadellose Fahrbahn in der Hauptallee des Praters benützte, 
wird nicht nur an dieser sein Wohlgefallen haben, son¬ 
dern es mit heller Freude begrüßen, wenn er hört, daß 
nun auch in Wien eine „Österreichische Gesellschaft 
zur Bekämpfung des Straßenstaubes“ ins Leben ge¬ 
treten ist. 
Bereits sind als Früchte der dermaligen Bestrebungen 
zahlreiche Verfahren entstanden, entweder gleich durch 
die Art des Neubaues oder Verbesserung der schon be¬ 
stehenden Straßen die Staubbildung zu verhindern. Viel¬ 
versprechend schien das sogenannte Westrumitverfahren, 
nach dem Erfinder, dem Holländer Westrum, so genannt. 
Die Straße wird mit einer zehnperzentigen wässerigen 
Lösung, deren Hauptbestandteile Teer und Petroleum 
mit einem Zusatze von Ammoniak und Ätznatron sind, 
besprengt. Die Kosten sind gering, nur ein paar Heller 
für den Quadratmeter, allerdings muß die Anwendung 
beiläufig fünfmal im Jahre erfolgen; dafür verbilligt sich 
aber die weitere Erhaltung der Straße umsomehr, da sie 
bald vollkommen fest und durch den Regen nicht ge¬ 
lockert wird, also einer viel geringeren Beaufsichtigung, 
selteneren Kehrens etc. bedarf. Eine solche Straße ist 
schon nach ein paar Tagen der Anwendung des Mittels 
vollkommen geruchlos und durch ihre gelbliche Farbe 
auch dem Auge angenehm. 
Also kein Staub, kein Kot, elastisches Fahren, sehr 
wenig Geräusch, relativ billig, und endlich sollen bak¬ 
teriologische Untersuchungen in der Luft über solchen 
Straßen einen geringeren Keimgehalt ergeben haben. 
Allein die nimmerruhende Technik hat bereits andere, 
wie es scheint, noch zweckmäßigere und billigere Ver¬ 
fahren, auf ähnlichen Mischungen beruhend, ersonnen. 
Unser reges städtisches Bauamt stellt eben in einer Reihe 
von Straßen ausgedehnte Versuche an, um das beste 
Verfahren zu ermitteln und uns dann nach allgemeiner 
Einführung desselben, man denke nur, Wien, mit staub¬ 
freien Straßen zu überraschen! Da nun auch bei uns 
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