Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Nr. 22. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 191. 
junktur mit Aushilfsarbeit wirtschaftlich unterstützt 
werden. Der Gesetzgeber war der Anschauung, daß der 
Arbeiter mit einsetzender Besserung des Arbeitsmarktes 
auch wieder in seinem Berufe Beschäftigung und Ver¬ 
dienst finden wird. Denn der gelernte Arbeiter — und 
nur von diesem ist im Augenblick die Rede — wird 
sich so lange als arbeitslos betrachten, wie er ein¬ 
schlägige Berufsarbeit nicht wieder gefunden hat. Darf 
man also mit ziemlicher Sicherheit bei dem gelernten 
Arbeiter das Bestreben voraussetzen, sich sobald wie 
möglich wieder im eigenen Berufe betätigen zu wollen, 
so soll ein solches besonders noch wachgehalten werden 
durch Lohnverhältnisse, die dem gelernten Arbeitslosen 
unwert und unbefriedigend erscheinen müssen und nicht 
dem Preise gleichkommen, um den er unter normalen 
Verhältnissen seine Arbeitskraft, sein Fachkönnen dem 
Arbeitgeber verkauft. Aber auch dem ungelernten Ar¬ 
beiter soll nicht etwa Arbeit von Staatswegen verschafft 
werden. Es kann sich nicht um Grundsätze handeln 
ähnlich denen der französischen Nationalwerkstätten des 
Jahres 1848. Die Tätigkeit der Lokal- und Zentralstellen 
soll vielmehr eine vermittelnde sein und kennzeichnet 
sich besonders dadurch, daß man den Arbeitswilligen 
private Arbeitsgelegenheit zuzuweisen bemüht ist. Auch 
der ungelernte Arbeiter soll also in der ihm so ver¬ 
mittelnden Arbeit eine dauernde Beschäftigung erblicken, 
er erhält, wie oben bereits gesagt, einen Lohn, der noch 
unter dem Durchschnitt des sonst ihm gezahlten steht; 
auch er wird sich somit bald nach neuer gewinn¬ 
bringender Beschäftigung umtun und macht damit 
anderen Arbeitslosen Platz, die nach ihm in seiner bis¬ 
herigen Stelle sich über ungünstige Zeiten hinweghelfen 
wollen. 
Von Wichtigkeit ist übrigens eine politische Ma߬ 
nahme, die der Gesetzentwurf trifft. „Die Inanspruch¬ 
nahme der genannten mit der Arbeitslosenfürsorge be¬ 
trauten Stellen erfolgt von seiten der Arbeitsuchenden 
unbeschadet der Wahrnehmung ihres aktiven wie passiven 
Wahlrechts“. Sicherlich ein sympathischer und nach¬ 
ahmenswerter Grundsatz. Allerdings darf man hier wohl 
nicht einen Vergleich mit der Einschränkung des Wahl¬ 
rechts ziehen, die bei uns aus der Inanspruchnahme 
öffentlicher Armenpflege folgt. Der Unterschied der po¬ 
sitiven Leistungen in beiden Fällen ließe dies nicht zu. 
Die Regelung der Kosten, die den beiden Arten von 
Körperschaften durch ihre Tätigkeit erwachsen, erfolgt 
aus einem besonderen Fonds, mit dessen Verwaltung 
das Zentralamt betraut ist. Dieser Fonds wird gebildet 
aus Mitteln, die die beteiligten Verwaltungsbezirke nach 
prozentualen Steuerquoten aufzubringen haben. Außer¬ 
dem steht dem Zentralausschusse die Befugnis zu, Zu¬ 
schläge zu den Gemeindesteuern zu erheben. Endlich 
sollen auch freiwillige Zuwendungen den Fonds ver¬ 
größern helfen. 
Es sei nun noch kurz erwähnt, daß Lokal- und Zentral¬ 
ausschüsse ihrerseits beide wieder einer obersten Behörde, 
dem Lokal-Gouvernement, unterstehen. Sie hat das Recht, 
besondere Ausführungsbestimmungen zu dem vorliegenden 
Gesetzentwurf zu erlassen. Sie hat ferner die Befugnis, 
die Einrichtung des vorstehend geschilderten Arbeitslosen¬ 
fürsorgesystems auf das übrige England nach dem Londoner 
Vorbilde zu übertragen. Eine solche Einführung erfolgt 
auf Gemeindebeschluß hin, auch können hierbei Arbeiter¬ 
fürsorgestellen, welche innerhalb einzelner Grafschaften 
etwa schon bestehen und den gleichen Zwecken dienen, 
in die neue amtliche Organisation mit übernommen werden. 
Schottland und Irland kommen für das Gesetz nicht in 
Frage. Der Gesetzentwurf ist bisher in erster und zweiter 
Lesung angenommen. 
Aus den Gemeinderats-Sitzungen in Linz. 
(Sitzung vom 8. November). 
Gemeinderat Pupp beantragt, ein Ansuchen des 
Baumeisters Steinberger um zwölfjährige Umlagenfreiheit 
für einen geplanten Neubau an Stelle des Hauses Land¬ 
straße Nr. 11 abzulehnen. 
Gemeinderat Weingärtner glaubt, es wäre gut, 
einem derartigen Ansuchen Folge zu geben, weil dadurch 
die Baulust angeregt und der Ausbau der inneren Stadt, 
der so viel zu wünschen übrig lasse, gefördert werde. 
Er stellt deshalb den Abänderungsantrag, dem Ansuchen 
des Baumeisters Steinberger Folge zu geben. Diesen An¬ 
trag unterstützen noch die Gemeinderäte Vizebürger¬ 
meister Poche und He lletz grub er, ferner Gemeinde¬ 
rat Sedlacek; letzterer stellt für den Fall, als der An¬ 
trag Weingärtner doch als zu weitgehend erachtet würde, 
den Vermittlungsantrag, die Umlagenfreiheit für den ge¬ 
planten Neubau wenigstens auf acht Jahre zu bewilligen. 
Über Vorschlag des Gemeinderates Helletzgruber 
wird diesem Anträge noch der Passus beigefügt, der 
Bewerber habe sich bezüglich der Ausführung der Fas¬ 
sade den einzuholenden Weisungen des Bauamtes zu 
unterwerfen. 
Vizebürgermeister Dr. Dinghofer vertritt den 
finanziellen Standpunkt der Gemeinde und fürchtet, daß 
durch die Annahme des Antrages Weingärtner ein Prä¬ 
judiz geschaffen werde, auf das sich auch alle übrigen 
Bewerber in Zukunft berufen könnten, wodurch der 
Gemeinde bedeutende Einnahmen entgehen müßten. 
Schließlich wird der Antrag des Referenten mit 
Majorität angenommen. 
Gemeinderat Ec kl berichtet über ein neuerliches 
Ansuchen des Vorortevereines wegen verschiedener Her¬ 
stellungen auf der Wiener Reichstraße und legt drei vom 
Stadtbauamte ausgearbeitete Profile betreffend die Re¬ 
gulierung dieser Straße vor. 
Nach den Anträgen des Referenten wird beschlossen: 
1. In der Wiener Reichstraße zwei Reihen einer bestimmten 
Akazienart in einer Entfernung von fünf Metern von der 
Front der Häuser zu pflanzen; 2. die Statthalterei zu 
ersuchen, zur Entwässerung der Straße durch Anlegung 
von Rinnsalen die Hälfte der Kosten von 9622 Kronen 
nach den seinerzeit zwischen Stadt und Straßenärar ge¬ 
troffenen Vereinbarungen zu tragen ; die vorschrifts¬ 
mäßige Herstellung von Trottoiren in der Breite von 
fünf Metern vor den Häusern Nr. 11 bis 45, wenn die 
betreffenden Hausbesitzer den Drittelbeitrag zu den Her¬ 
stellungskosten leisten; 4. die Verbreiterung der Trottoire 
vor den Häusern Nr. 11 und 14 von zwei auf drei Meter 
zu genehmigen; 5. verschiedene Übergänge und der¬ 
gleichen aus gewonnenem Altmaterial herzustellen, sobald 
die Bahnhoffrage gelöst ist. 
Nach dem Anträge des Gemeinderat Gmeiner wird 
einem Ansuchen des Josef Reindlhofer um Parzellierungs¬ 
bewilligung Folge gegeben, ebenso einem Ansuchen des 
Vororte Vereines um Verhandlung mit der Staatsbahn¬ 
verwaltung wegen Grundabtretung zur Verbreiterung der 
Wiener Reichstraße. 
Dem Anträge des Gemeinderat Gmeiner ent-
	        
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