Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Nr. 2. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 13. 
Auch der Sammelwut von alten Gegenständen sollte ge¬ 
steuert werden, da dieselbe nicht das Kunstgewerbe, 
auch nicht immer den Geschmack fördert, wohl aber 
den Antikenhändlern und Fälschern die Taschen füllt. 
Die Kunstgewerbe-, Handwerker- und Gewerbevereine 
sowie auch die Innungen sollten immer und immer wieder 
Konkurrenzen, die mit anständigen Preisen bezahlt 
werden, teils für Entwürfe, teils für ausgeführte Arbeiten, 
ausschreiben und namentlich darauf sehen, daß diese 
Arbeiten solid, gut und, wenn auch einfach, doch stil¬ 
gerecht durchgeführt würden und die Handwerker sollten 
nur gute Gewerbekünstler für ihre Entwürfe zu Rate 
ziehen, wie seinerzeit auch Dürer, Holbein und andere 
zu Rate gezogen wurden, wie es in München und Wien 
noch und zwar mit bestem Erfolg geschieht. — Auch 
die Zeitschriften sollten nicht nur Abbildungen von Land¬ 
schaften, Denkmälern, sondern auch von geschnitzten 
Rahmen, Intarsien, Möbeln, Schmuck, Öfen und Kaminen, 
Pokalen und anderen kunstgewerblichen Gegenständen 
nebst begleitendem Text bringen, damit das Publikum, 
namentlich in der Provinz, Geschmack am wirklich Guten 
und Schönen erhalte. 
Zurzeit sind wohl die Fabriken ziemlich beschäftigt, 
die für den gewöhnlichsten Bedarf arbeiten, doch die¬ 
jenigen Geschäfte, die schöne Einrichtungen anfertigen, 
insbesondere auch die Tischler, Drechsler und Holzbild¬ 
hauer haben nichts oder weniger zu tun und der Ver¬ 
dienst derselben steht durchaus nicht im Einklang mit 
der geistigen und körperlichen Mühe und Arbeit, die 
solche verursacht. — Möchten daher alle Faktoren Zu¬ 
sammenwirken, damit es besser werde; namentlich muß 
der Staat sich seiner Pflicht bewußt sein und das Volk 
(insbesondere die Bessersituierten) zum wirklich Schönen 
und Guten erziehen, damit es keinen billigen Schund, 
wie jetzt, sondern geschmackvolle, solide und schöne 
Gegenstände kaufe und bestelle. Wie oft kommt es vor, 
daß Leute nobel und elegant in Samt und Seide ge¬ 
kleidet einhergehen, während es im Hause trotz vor¬ 
handener Geldmittel traurig und öde aussieht. Es gilt 
auch hier der Spruch: „Zeige mir, wie du wohnst und 
ich will dir sagen, wer du bist.“ 
Wandinschriften von Pompeji. 
ii. 
Daneben finden sich auch einige mit breiten und dick¬ 
bauchigen Buchstaben, wie solche auf Denkmälern der 
letzten republikanischen Zeit zu sehen sind. Und wirklich 
stammen diese wenigen aus jener älteren voraugustäischen 
Zeit; Orthographie, sprachliche Kriterien, die Namen der 
Kandidaten machen dies unzweifelhaft. Sie sind auch 
nicht auf den Stuck gemalt, sondern in beträchtlicher 
Höhe auf den Tuff der Mauern und Pfeilern, welche dem 
schrecklichen Erdbeben vom Jahre 63 nach Christi 
Widerstand geleistet hatten, bei welcher Gelegenheit 
beinahe das ganze alte Pompeji zusammenstürzte (vgl. 
Tacitus, Ann. 15, 22), bis dann nach sechzehn Jahren 
auch das neu entstandene für immer begraben werden 
sollte. Die Buchstaben sind verblichen und nur unter 
verschiedenem Lichte und mit größter Anstrengung der 
Augen zu lesen. Diese älteren Empfehlungen zeigen 
noch etwas von dem alten republikanischen Ernste. Nur 
„Biedermänner“ werden darin empfohlen, während die 
neueren gleichviel prunkhafter sind und oft die schönsten 
Superlative loslassen. Sehr populär scheint Cuspius 
Pansa gewesen zu sein, der uns aus dem Bulwerschen 
Romane „Die letzten Tage von Pompeji0 so gut bekannt 
ist. Sein Name wird unter den Kandidaten für die 
städtische Adilität am häufigsten genannt. Die Emp¬ 
fehlungen stammen von Leuten der verschiedensten 
Sorte, die, wohl selten selbst im Besitze des Wahlrechts, 
auf diese Weise ihrer Stimme Geltung zu verschaffen 
suchten. Hier empfehlen die Maultiertreiber ihren Kandi¬ 
daten, dort die Obsthändler. Auch Müller, Färber, Sack¬ 
träger, Mantelhändler und die gesamte Körperschaft 
der Holzhändler lassen sich bescheiden hören. Sogar 
humoristische Vereine stellen ihre Kandidaten auf, so 
die Brüderschaft der „Siebenschläfer“, der „Langfinger“, 
der „Jelängerjelieberzecher“. Sie alle empfehlen einen 
gewissen Cerrinius Vatia; wohl ein stadtbekannter Spa߬ 
vogel, der das Hundertste ins Tausendste zu mischen 
verstand. Die Empfehlung der Zecher steht auf der 
sogenannten casa delk orso und dort scheint auch ihre 
Kneipe gewesen zu sein. Eine an die südliche Wand 
des Atriums dieses Hauses eingeritzte Griffelinschrift läßt 
wenigstens darauf schließen. Hedone — vielleicht haben 
wir es mit einer aufgeräumten, kugeligen Wirtin zu tun 
— spricht: „Um einen Aß kann man hier trinken; wer 
zwei zahlt, kann auch eine bessere Sorte haben. Um das 
Vierfache soll Dir sogar Falerner (wir würden etwa 
„Vöslauer“ sagen) gereicht werden.“ 
An die Wand gemalt sind ferner Anzeigen von 
Gladiatoren- und anderen Festspielen. Oft werden solche, 
wie ausdrücklich gesagt ist, für das Wohl und Heil der 
kaiserlichen Familie in Rom veranstaltet. Wir hören auch, 
wem die auftretende Gladiatorenfamilie gehört, wie viele 
Paare und wann sie kämpfen werden. Gewöhnlich reihen 
sich an den Gladiatorenkampf noch andere Belustigungen 
als Tierhetzen und Athletenkämpfe. Auch verspricht man, 
den Zirkus oder das Theater mit wohlriechendem Wasser 
zu besprengen und die Zuschauer durch aufgespannte 
Tücher gegen die Sonnenhitze zu schützen. 
Auch Anzeigen von Verpachtungen werden an die 
Wand geschrieben. Im Wirtshause des Nigidius Majus 
z. B. sind Kaufläden zu vermieten, auch Wohnungen im 
ersten Stockwerk, wo meist die Armut hauste. Im Hause 
einer Julia sind außer den erwähnten Lokalitäten noch 
fünf Badestuben auf fünf Jahre zu vergeben. Hat jemand 
etwas verloren, so zeigt er es an der Straßenecke an. 
So ist einem aus seinem Laden eine eherne Urne ab¬ 
handen gekommen. Er verspricht dem, der die Urne 
herbeischafft, eine gewisse Summe; wer den Dieb nam¬ 
haft macht, erhält das doppelte. — Eine Schenke führt 
einen sehr schönen Elefanten im Schilde. Der Elefant 
wurde kurz vor der Katastrophe aufgefrischt und stolz 
auf sein Werk schreibt der Meister: Sittius hat (Jjesem 
Elefanten wieder aufgeholfen. Ein Gemälde, das kämpfende 
Gladiatoren vorstellt, wird in nicht eben klassischem 
Latein dem Schutze der Patronin der Stadt, der Göttin 
Venus, empfohlen. — An der inneren Wand eines Ladens 
an der Forumstraße, dem Eingang der neuen Thermen 
fast gegenüber, steht in griechischer Sprache zu lesen: 
„Hier wohnt des Zeus Sohn, der ruhmvolle Sieger Herakles. 
Was schlecht ist, darf nicht herein“. Der zweite Teil 
dieser Inschrift erinnert an eine Anekdote, die uns der 
griechische Schriftsteller Diogenes von Laerte von seinem 
Namensvetter, dem berühmten Cyniker Diogenes erzählt. 
Dieser ging nämlich einst in Athen an einem Hause vor¬ 
über, über dessen Eingang die obigen Worte zu lesen 
waren und erstaunt fragte er, wie denn da nun eigentlich
	        
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