Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Nr. 7. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 51. 
werden durch slavische Arbeiter, zumeist Tschechen er¬ 
setzt. Besser ist es noch immer in den übrigen Kron- 
ländern Oesterreichs, namentlich in den Alpenländern, 
in der Schweiz und in Frankreich. Die Arbeiten in den 
grossen Falzziegelfabriken in Marseille, in den ver¬ 
schiedensten Departements und in der Nähe von Paris 
sind zumeist Italiener, die, obwohl von den einheimischen 
Arbeitern nicht gerne gesehen, doch mit Vorliebe ver¬ 
wendet werden. Mehr ständig ansässig und als Fabriks¬ 
arbeiter in Terrakotta- und Bautonwarenfabriken findet 
man Italiener in England und Belgien. Gering ist deren 
Zahl in dem industrielosen Spanien und Portugal und 
in den Balkanstaaten. In Deutschland, wo die Ziegel¬ 
industrie auf einer hohen Stufe steht und mehr als 
11.000 Betriebe gezählt werden, sind die einst viel¬ 
gesuchten Italiener in steter Abnahme begriffen. Da nur 
noch zwei Fünftel der sämtlichen Ziegeleien im Hand¬ 
schlag betrieben werden und daher die mechanische 
Arbeit herrscht, anderseits auch der Zulauf der Ein¬ 
geborenen immer grösser wurde, das im Handschlag 
best erfahrene Zieglergeschlecht aus Lippe allein mehr als 
10.000 Arbeiter stellt, so hörte der Zufluss der Italiener 
immer mehr auf. Wenn man heute trotz den Verboten der 
Regierung (besonders in Preussen) ausländische Arbeiter 
in Ziegeleien verwendet, so sind es der Verzweiflung 
nahe, ländliche Arbeiter aus dem österreichischen 
Galizien, aus Russisch-Polen und die sogenannten Weiss¬ 
russen heute die billigsten Arbeiter, die von gewissen¬ 
losen jüdischen Maklern um ein Spottgeld für den 
Sommerbetrieb verschachert und überallhin verfrachtet 
werden. Es sind diese intelligenzlosen von Juden als 
Ware gehandelten armen Teufel durch ihre billige Arbeit 
die grössten Schädlinge für die einheimischen Arbeits¬ 
nehmer der Ziegelindustrie. Diese billigen Ziegler, deren 
Arbeitsgeber wird die Schuld treffen, deren Konkurrenz¬ 
treiben, dem Nachbarn die Preise drücken, wird es zu¬ 
zuschreiben sein, dass die Ziegelpreise einen unglaub¬ 
lichen Tiefstand erreicht haben, so dass man als letztes 
Auskunftsmittel zu Kartellen, Verkaufsvereinigungen 
und Aktiengesellschaften greifen muss. Leider haben 
diese Nothelfer sich auch nicht stets bewährt. 
Der italienische Arbeiter und auch der Ziegelarbeiter 
dieser Nation hat bei Arbeitgebern, Unternehmern und 
Leitern stets einen besonderen Vorzug genossen. 
Wenn die Ziegelarbeiter italienischer Zunge ver¬ 
hältnismässig wenig verdient haben, so mag erwähnt 
werden, dass die Handschlagziegelei in keinem Lande 
überhaupt glänzend bezahlt werden konnte, da auch die 
Verkaufspreise mässig waren. Durch die Einführung der 
Maschinenziegelei haben sich die Löhne für die Hand¬ 
arbeiter nicht verbessert und hat man selbstredend auch 
den Italienern nicht mehr oder weniger als einheimischen 
Arbeitern bezahlt. Schliesslich braucht es nicht erwähnt 
zu werden, dass in keinem Lande der Welt die Lage 
und der Verdienst ein besonders glänzender ist und dass 
durch das Ziegelschlagen Reichtümer erworben werden! 
In neuester Zeit beschäftigt man sich auch in Italien 
mit der Lage der Arbeiter. Doch ist es nicht die stets 
wechselnde Regierung, die endlich ihre alte Schuld gegen 
die arbeitenden, besitzlosen Klassen erfüllen würde, son¬ 
dern sind es nur papierene Erörterungen, sozialpolitische 
Abhandlungen über die Lage italienischer Arbeiter im 
Auslande, die von Katheder-Sozialisten — die sicher 
nicht wissen, wo den Arbeiter der Schuh drückt — 
veröffentlicht werden. 
Der elektrische Betrieb auf Vollbahnen. 
Unter Zugrundelegung der elektrischen Traktionsversuche 
in Italien. 
Von Ingenieur Fritz Golvig. 
V. 
Beginnt man die Rentabilitäts-Berechnung für die 
Umwandlung einer Dampf bahn auf elektrische Traktion 
ziffermässig aufzustellen, so fällt zunächst eine nicht 
unbeträchtliche Mehrbelastung ins Auge, verursacht 
durch jenen Aufwand, den die Verzinsung der Um¬ 
gestaltungskosten erheischt. Wie bereits angeführt, 
kostete die Umgestaltung der 106 Kilometer langen 
Valtelinabahn auf elektrischen Betrieb zirka 6 Millionen 
Lire, ein Betrag, der sich dort auf etwa 4*5 bis 5 Millionen 
Lire reduzieren lässt, wenn man berücksichtigt, dass 
der grösste Teil der Wasserkraftzentrale durch diese 
Bahn allein noch nicht ausgenützt wird, sowie, dass der 
Wert der — anderwärts weiterverwendeten — Dampf¬ 
lokomotiven in Abzug zu bringen ist. 
Wenn Wasserkräfte zur Verfügung stehen, so repräsen¬ 
tiert die Kapitalsverzinsung den hauptsächlich in Betracht 
kommenden Jahresaufwand, neben dem der Betrieb der 
Zentrale, sowie die Erhaltung des Leitungsnetzes relativ 
wenig Kosten verursachen. 
Diesen durch den elektrischen Betrieb verursachten 
Mehrkosten stehen aber grosse Ersparnisse gegenüber, 
nicht allein durch den Entfall der Kohle, sondern auch 
durch andere, der Bauart und Wirkungsweise der 
elektrischen Lokomotive zu dankenden Ursachen. 
Der Verbrauch an Kohle spielt eine sehr bedeutende 
Rolle im Jahreshaushalt der Eisenbahnen; derselbe be¬ 
trug bei den österreichischen Eisenbahnen laut der vom 
Eisenbahnministerium herausgegebenen sehr gründlichen 
Statistik im Jahre 1900 33 Millionen Kronen oder 
9V2 Perzent der gesamten direkten Betriebskosten. In 
anderen Ländern ist dieser Perzentsatz höher oder geringer, 
je nach den Kohlenpreisen (in Italien zum Beispiel 
10 Perzent), und er ist natürlich überall den Schwankungen 
des Kohlenmarktes unterworfen. Auch in Oesterreich 
ist der Kohlenverbrauch bei den einzelnen Bahnen ver¬ 
schieden, hauptsächlich abhängig von ihrer grösseren 
oder geringeren Entfernung von den Kohlengruben und 
von den Steigungen ihrer Strecken. Am günstigsten 
sind unsere — auch ebenes Terrain besitzende — Kohlen¬ 
bahnen daran, die Aussig-Teplitzer und die Nordbahn, 
bei welchen der obige Perzentsatz nur 41/2 Perzent, be¬ 
ziehungsweise ß1l2 Perzent ausmacht, während er bei 
der Südbahn, die hinsichtlich des Kohlenbezuges un¬ 
günstiger daran ist und mehrere Bergbahnen betreiben 
muss, auf 13*4 Perzent ansteigt. Diese beträchtlichen 
Ausgaben für Kohle kommen beim elektrischen Betrieb 
mittelst Wasserkraft natürlich gänzlich in Wegfall. 
Eine stark in Betracht kommende Reduktion der 
Betriebskosten resultiert aber auch aus dem Konto für 
Erhaltung der Lokomotiven, wie aus der folgenden 
Betrachtung hervorgeht. Die heutige Dampflokomotive 
wird, was ihre nutzbar verbrachte Fahrzeit anlangt, 
ausserordentlich ungenügend ausgenützt; sie ist an ihr 
Heizhaus und Personal gebunden, sie verbraucht täglich 
viel Zeit ungenützt zum Anheizen und Putzen und 
bringt einen guten Teil ihres Daseins in der Reparatur- 
Werkstätte zu. Kommt es doch bei Linien mit schlechtem 
Speisewasser häufig vor, dass Lokomotiven jedes dritte 
Jahr einer Hauptreparatur bedürfen und dann ein halbes
	        
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