Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Nr. 5. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 35. 
wäre sehr schwer, all die hervorragenden Bauwerke in 
aller Welt zu katalogisieren, die italienischen Künstlern 
zu verdanken sind. Italien hatte bis weit in das 17. Jahr¬ 
hundert hinein ein europäisches Monopol für Architektur, 
Baugewerbe und Kunstarbeiten. 
Es ist daher selbstredend, dass das arbeitsfreudige und 
intelligente Volk der Italiener an schwere Bauarbeiten 
gewohnt, auch in der Ziegel-, Terrakotta-Erzeugung, im 
ganzen Rahmen der Baukeramik eine ausserordentliche 
Erfahrung, eine Virtuosität erlangte, so dass italienische 
Ziegelarbeiter in allen Ländern gesucht wurden, wo über¬ 
haupt von einer Massenherstellung die Rede war. In 
vielen Ländern war bis zur Einführung des Ringofens 
und des mechanischen Betriebes der Zieglermeister un¬ 
bedingt ein Italiener. Kein Arbeiter zog so leicht in das 
Ausland und wunderte gänzlich aus wie der Italiener. 
Zu der Zeit der Usurpatoren, der Zwangsherrschaft, als 
das Reich ^ in Kleinstaaten zerrissen war und schwer 
durch schlechte, die Verdummung und Verarmung för¬ 
dernde Regierungen, Aristokraten und bigotte Kleriker 
zu leiden hatte, entvölkerte sich das ganze Reich durch 
Auswanderungen der besten Arbeiter immer mehr. Auch 
das geeinigte Italien mit seinen fortwährend wechselnden 
Regierungen und ihrer steten Finanznot war bisher nicht 
befähigt, die Lage der arbeitenden Klassen zu verbessern 
oder auch nur zu erleichtern. Erst in den letzten Jahren 
ist eine leichte Besserung der wirtschaftlichen Lage im 
allgemeinen durch eine Hebung der Industrie und des 
Handels, durch eine rationelle Gebarung der grossen 
Weinproduktion zu bemerken. Auch das Parlament, das 
ebensowenig wie in den benachbarten Staaten als eine 
wahre Volksvertretung zu betrachten ist, geht allen 
agrarischen Fragen, welche durch Gesetze den Grund¬ 
besitz regeln und grundbesitzende Bauern schaffen 
würden, scheu aus dem Wege, da die meisten Abgeord¬ 
neten „possidenti“, Grossgrundbesitzer, Grossunternehmer 
und — Advokaten sind, welche auch hier wie in allen 
Parlamenten die grossen Leuchten und Wortführer sind! 
Schutzmassregeln 
gegen die Gefahren der oberirdischen Stromleitung 
bei elektrischen Strassenbahnen. 
(Verordnung des bayerischen Staatsministeriums vom 27. No¬ 
vember 1902.) 
„I. Schutzmittel zur Verhütung von Unglücksfällen 
beim Eintritt von (Schwachstrom-) Drahtbrüchen längs 
der elektrischen Strassenbahn und von Brüchen der 
Arbeitsleitung der Strassenbahn: 
1. Seitens der Distriksverwaltungs-Behörden ist dafür 
Sorge zu tragen, dass in der Tagespresse das Publikum 
periodisch gewarnt und über die Lebensgefahr belehrt 
wird, die mit der Berührung gerissener, auf das Ober¬ 
leitungsnetz der Strassenbahn herabhängender Telephon- 
u. sonstiger Schwachstromleitungsdrähte und gerissener 
Arbeitsleitungen der Strassenbahn verbunden ist. 
2. Alle Motorwagen, Depots und Betriebsstationen 
der Strassenbahn sind mit Gummihandschuhen und 
Isolierzange auszurüsten. Die Isolierzangen müssen von 
solider Bauart und so beschaffen sein, dass mit ihnen 
ohne Mühe die Oberleitungsdrähte durchschnitten werden 
können. 
3. Gummihandschuhe und Isolierzange sind ausserdem 
in den Polizei-, Feuer- und Elektrizitätswachen zu depo¬ 
nieren. 
4. Alle Motorwagen, Strassenbahndepots und Betriebs¬ 
stationen, ebenso die Polizei-, Feuer- und Elektrizitäts¬ 
wachen sind mit Schlüsseln für die Streckenausschalt- 
Vorrichtungen zu versehen. 
Die Streckenausschalt-Vorrichtungen müssen leicht 
auffindbar sein; mit ihrer Bedienung müssen vertraut 
sein ausser dem Aufsichts- und Streckenpersonal der 
Strassenbahn deren Fahrpersonal, ferner das Personal 
der Elektrizitätswachen und die sämtlichen Mannschaften 
der Berufsfeuerwehr. 
Wo keine Berufsfeuerwehr besteht, muss eine hin¬ 
reichende Anzahl städtischer Bediensteter und ausge¬ 
wählter Chargierter und Mannschaften der freiwilligen 
Feuerwehr mit der Bedienung der Ausschaltvorrichtungen 
vertraut sein. 
5. Die Schutzleisten sind vom Streckenpersonal 
ständig zu kontrollieren. 
II. Massregeln zur Verhütung von Brüchen der 
Arbeitsleitung der Strassenbahn. 
1. Die Oberleitung der Strassenbahn (Arbeitsdraht, 
Auf hänge- und Spannvorrichtungen) ist in regelmässigen 
Zwischenräumen eingehend zu revidieren. Die Revision 
ist in geraden Strecken alle sechs Wochen und in Kurven^ 
Weichen, Kreuzungen und an Streckenisolatoren alle 
drei Wochen vorzunehmen. Nach schwerem Unwetter 
(insbesondere nach heftigen Stürmen, schwerem Schnee¬ 
fall, Rauhfrost) ist sogleich die ganze Anlage zu revidieren. 
Bei diesen Revisionen ist auch die Isolation der 
Spanndrähte zu prüfen. 
Der rechtzeitigen Auswechslung stark abgenützter 
Teile des Arbeitsdrahtes (Fahrdrahtes) ist die grösste 
Sorgfalt zuzuwenden. 
Ueber die Ergebnisse der Revisionen ist Buch zu 
führen. 
2. Die Distrikts-Polizeibehörden haben wiederholt im 
Jahre unvermutete eingehende Revisionen der Oberleitung 
durch Sachverständige vornehmen zu lassen. 
Die Strassenbahn-Unternehmungen haben zu diesem 
Zwecke einen bespannten Turmwagen und das etwa 
erforderliche Personal zur Verfügung zu stellen.u 
Der elektrische Betrieb auf Vollbahnen. 
Unter Zugrundelegung der elektrischen Traktions versuche 
in Italien. 
Von Ingenieur Fritz Golvig. 
III. 
Nahe der Östlichen Endstation Sondrio, am Fusse 
der hier steil abstürzenden Alpen, erhebt sich der statt¬ 
liche Bau der elektrischen Betriebszentrale, seine Be¬ 
stimmung schon von ferne durch die dahinter liegenden 
imposanten Wasserwerksanlagen verratend. Seltsam mutet 
der Kontrast an zwischen diesem, der modernsten Technik 
sein Erstehen verdankenden Bauwerk und den zum Teile 
verfallenen Häusern des benachbarten kleinen Ortes Mor_ 
begno. Hier werden der Adda mittelst eines vielfach in 
Tunnels gemauerten Kanales 7500 Pferdekräfte ab¬ 
gewonnen, welche, den Kraftbedarf für die Traktion 
der Valtelinabahn weit überschreitend, in späterer Folge 
auch die Betriebskraft für ein weiteres grosses Bahnnetz 
liefern sollen. Es ist wahrhaft bewunderungswürdig, mit 
welcher Ruhe die grossen Turbinen und Dynamos ihren 
Dienst versehen, wie sich der Betrieb der Zentrale 
lautlos und trotz der grossen Kraftschwankungen, 
welche der Bahnbetrieb mit sich bringt, fast ohne Zu-
	        
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