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OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Nr. 4.
Oefner- und Terrakotta-Waren aller Art. Die Farbe bei
der Klinkerung ist grün.“ Der aschgraue und schwarze
Ton sind mit dem letztbesprochenen verwandt und unter¬
scheiden sich mehr oder weniger nur durch die Brennfarbe.
Wir hoffen, dass die berufenen Faktoren dieses viel¬
versprechende Objekt nicht ausseracht lassen und diesen
verborgenen Schatz zum Besten der heimischen Industrie
ausbeuten werden. d. r.
Die persönliche Verantwortlichkeit des
Bauherrn oder seines bevollmächtigten
Vertreters bei einem Kaminunfalle.
Diese Frage wurde heuer vom Gerichte in einer
Weise beantwortet, welche wohl geeignet ist, das Interesse
aller Fabriksbesitzer im höchsten Grade zu erwecken.
Der Fall lag nachstehend:
Der Fabriksbesitzer A. baute eine neue Ringofen¬
ziegelei, für welche ihm der renommierte Baumeister
B. die Pläne lieferte, nach welchen der ortsansässige
Maurermeister 0. den Bau ausführte. Der vom Bau¬
meister B. mitgelieferte Plan des Kamin es 40 Meter
hoch mit 0*90 Meter langem Kopfdurchmesser, entsprach
allen gesetzlichen Anforderungen im vollen Masse, hatte
namentlich eine mehr als genügende Stabilität (2-8).
Nach diesem Plane führte Maurermeister 0. das
Fundament und das Postament des Kainines durch. Den
Bau der Röhre übertrug Herr A. einem „Spezialisten“
D., welcher zwar zur selbständigen Bauführung nicht
berechtigt war, sich jedoch ausweisen konnte, dass er
schon viele Kamine ausgeführt hat, also in diesem Fache
eine besondere Erfahrung besitzt. Als der Kamin bis
zur Höhe von 28 Meter gedieh, stürzte am 17. September
1901 um 4 Uhr nachmittags der grösste Teil der Röhre
ein, wobei zwei Meister getötet, zwei Arbeiter schwer
und mehrere leicht verletzt wurden.
Zwei Maurer, welche am Kamine arbeiteten, fielen
aus der Höhe von 28 Meter so glücklich herab, das sie
ohne lebensgefährliche Verletzungen davon kamen.
Der bedauernswerte Fall wurde sofort gerichtlich er¬
hoben und war am 26. Februar 1902 Gegenstand einer
Strafverhandlung vor dem viergliedrigen Senate des
k. k. Kreisgerichtes Königgrätz. Nachdem dieser Straf¬
prozess endgültig abgeschlossen ist, sein Verlauf und
sein Resultat für jeden Fabriksbesitzer ausserordentlich
wichtig ist, führen wir denselben hier an, zumal er
wiederholt öffentlich besprochen wurde.
Ueber Wunsch stehen wir Interessenten mit näheren
Angaben zur Verfügung.
1. Der als Zeuge vorgerufene Baumeister B. hat
nachgewiesen, dass er für den Kamin den Plan zu ver¬
fassen hatte, dass dieser allen Stabilitätsvorschriften ent¬
sprach und dass ihm keine Aufsicht auf die Bauaus¬
führung oblag. Daher konnte ihn keine Schuld treffen.
2. Der Maurermeister 0. wurde wegen des Ver¬
gehens gegen die Sicherheit des Lebens nach §§ 335,
383, 384 angeklagt, weil er als Leiter des ganzen Baues
angeblich auch die Ausführung des Kamines zu beauf¬
sichtigen hatte. Nachdem ihm jedoch nicht bewiesen
wurde, dass er die Beaufsichtigung des Kaminbaues
wirklich übernahm, wurde er gänzlich freigesprochen.
3. Der unberechtigte Kaminbauer D. und sein Ge¬
nosse E. wurden wegen des Vergehens nach § 335 zu
je zweimonatlichem mit Fasten verschärften Kerker aus
dem Grunde verurteilt, weil sie ohne hiezu berechtigt
zu sein und ohne die vorgeschriebene Aufsicht' den
Kamin ausführten und hiedurch das Unglück ver¬
schuldeten.
4. Der Bauherr A. wurde des Vergehens gegen die
Sicherheit des Lebens nach § 335 mit der Begründung
schuldig erkannt, dass er die Kaminröhre von einem
unberechtigten Unternehmer und ohne vorgeschriebene
Bauaufsicht ausführen liess, wodurch er das Unglück
verschuldet, und zu drei Monaten Gefängnis mit Fasten
verschärft, verurteilt.
Herr A. hat sämtliche Ansprüche der Hinter¬
bliebenen und Verwundeten noch vor der Strafverhand¬
lung in kulanter Weise und mit grossen Geldopfern be¬
friedigt, was jedenfalls ein schwerwiegender Milderungs¬
grund war. Ausserdem hat er 16.281 Kronen an die
Unfallversicherung zu bezahlen.
Im Allerhöchsten Gnadenwege wurde Herrn A. die
Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt.
Dies ist das bei einem Kaminbaue erlebte Schicksal
eines Mannes, welcher sich der geachtetsten Lebens¬
stellung und des vorteilhaftesten Rufes erfreut, welcher
von seinen Mitbürgern zu den ersten Ehrenstellen be¬
rufen wurde und dessen Unglück in der ganzen Gegend
die aufrichtigste Teilnahme hervorrief.
Bis zu dem Zeitpunkte der Katastrophe wurden
hunderte Kamine in ganz gleicher Weise ausgeführt. Aus¬
ländische Unternehmer, welche gar keine Berechtigung
zur selbständigen Bauausführung besitzen, haben Böhmen
und andere Kronländer mit ihren „Kunstbauten“ im
wahren Sinne des Wortes überschwemmt, ohne sich um
das Gesetz und die vorgeschriebene verantwortliche
Bauleitung auch nur im geringsten zu kümmern.
Als die Behörden an Fällen, wie der hier beschriebene,
sahen, wohin diese Gebarung führt, und namentlich als
die gewissenlose Art der Konstruktion und Ausführung
solcher Kaminbauten auf Rechnung deren Stabilität be¬
kannt wurde, erschienen diesfalls strenge Verordnungen.
Die Erlässe der k. k. Statthalterei (13. März 1901,
Zahl 33.682), des Landesausschusses (8. Juni 1901,
Zahl 35.932) des Königreichs Böhmen, des Ministeriums
des Innern und des Handels (24. März 1902, Zahl 38.290),
welche den untergeordneten Behörden zur Abstellung
der bisherigen gefährlichen Missbräuche nebst den
Stabilitätsvorschriften mit ganz besonderer Schärfe streng
anordnen, die Bauberechtigung der Kamin-Bauunternehmer
zu prüfen, haben einen teilweisen Wandel herbeigeführt.
Die ausländischen nicht berechtigten Spezialisten
reichen die Pläne nicht mehr, wie es früher ausnahms¬
los geschah, nur unter ihrer eigenen Firma ein, sondern
sie lassen dieselben von Baumeistern mit unterschreiben,
welche nach dem bekannten Terminus die Pläne und
den eigentlichen Unternehmer „decken“.
Diese Baumeister, welche sich zur „Deckung“ her¬
geben, haben auf die Bauausführung keinen Einfluss
und keine Aufsicht.
Sehen wir nun, wie sich das Verhältnis für den Bau¬
herrn gestalten wird, wenn bei einem so geführten Baue
ein Unglück eintritt, welches doch selbst bei der grössten
Vorsicht möglich ist und welches ja [bei diesen Bauten
auch wiederholt vorkam. Nicht allein ein Einsturz,
sondern auch ein sonstiger Bauunfall z. B. Absturz der
Arbeiter, Tötung und Verwundung derselben durch
herabfallendes Material, durch Reissen des Seiles, Be¬
schädigung des Gerüstes etc. etc. kommen hier in
Betracht.