Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Nr. 3. 
0BERÖSTERREKJH1S0HE BAUZELTUNG. 
Seite 21. 
Dampf betriebene Bahnlinie Lecco-Colico-Chiavenna- 
Sondrio in Oberitalien, nach dem so genannten Tale 
kurz als „Valtelina-Bahn“ bezeichnet. Diese, den Touristen 
und dem internationalen Reisepublikum wohlbekannte 
Bahnlinie stellt eine stark frequentierte Verbindung 
zwischen Oberitalien und der Schweiz her. Sie endet am 
Pusse der Schweizer Alpen und zwar westlich in Ohia- 
venna, wo die Schweizer Post den Reisenden zum Splügen 
und ins Engadin bringt, östlich in Sondrio, wo die Fahrt 
zum Berninapass und Stilfserjoch ihren Ausgangspunkt 
besitzt. 
Hier, an den schönen Ufern des Oomosees, wird 
seit drei Jahren an einem Werke gearbeitet, welches 
zweifellos eine wichtige Etappe in der Entwicklungs¬ 
geschichte der Eisenbahnen bedeutet. Hier wurde zum 
erstenmal in grossem Stile der Versuch unternommen, 
eine normalspurige wirkliche Vollbahn mit Eilzugs-, 
Lokalzugs- und Frachtenverkehr ausschliesslich elektrisch 
zu betreiben. 
Am 10. Oktobor d. J. hat die Eröffnungsfeier dieser 
Bahn durch den italienischen Arbeitenminister Balenzano 
in Gegenwart der Generaldirektoren der italienischen 
Eisenbahnen und der massgebenden Eisenbahnfachkreise 
Italiens stattgefunden und die bei dieser Gelegenheit ge¬ 
haltenen Reden zeugten von dem mächtigen Eindruck, 
welchen die Leistungen der neuartigen Betriebsart auf 
die Anwesenden geübt hat; erklärte doch der Minister, 
dass angesichts des vollen Gelingens des grossartigen 
Versuches die Umgestaltung der Eisenbahnen Italiens 
auf elektrischen Betrieb das Programm der nächsten 
Zukunft bilden müsse! 
Das Problem des elektrischen Vollbahnbetriebes be¬ 
schäftigte in den letzten Jahren die beteiligten elektro¬ 
technischen und Eisenbahnfachkreise in der intensivsten 
Weise. Bei den ersteren ist der Eifer begreiflich, denn 
für sie bedeutet die befriedigende Lösung dieser Frage 
die Aufschliessung eines riesigen Arbeitsfeldes, welches 
der elektrischen Fabrikation für lange Zeit stetige Be¬ 
schäftigung sichern würde. Von weit höherer wirtschaft¬ 
licher Bedeutung ist aber die Lösung dieses ausser¬ 
ordentlich wichtigen Problemes für die Eisenbahnen jener 
Länder, welche — wie zum Beispiel Schweden und Nor¬ 
wegen, die Schweiz etc. — auf den Import von Kohlen 
angewiesen sind, als Ersatz hiefür aber von der Natur 
mit einer nicht minder wertvollen Energiequelle: mit 
reichlichen Wasserkräften ausgestattet wurden. 
Ein solches Land ist auch Italien, dessen Eisen¬ 
bahnen genötigt sind, jährlich für mehr als 20 Millionen 
Lire Kohlen einzuführen. Dabei ist Italien reich an grossen 
Wasserkräften. Viele derselben sind bereits ausgenützt 
und die aus den Alpen in die oberitalienische Ebene 
herabstürzenden Gewässer betreiben eine Reihe der gross¬ 
artigsten Elektrizitätswerke, welche Fabriken mit Be¬ 
triebskraft — darunter Mailand — mit elektrischem Strom 
für Beleuchtung und Strassenbahnbetrieb versehen. Trotz¬ 
dem verfügt Italien noch heute über Wasserkräfte von 
etwa U/2 Millionen Pferdestärken, welche ihrer Aus¬ 
nützung harren. 
Das Bestreben, dieses in den heimischen Wasser¬ 
kräften brachliegende Nationalvermögen zu verwerten 
und sich vom ausländischen Kohlenimport nach Möglich¬ 
keit zu emanzipieren, veranlasste die italienische Re¬ 
gierung im Jahre 1897, die beiden grossen Eisenbahn¬ 
gesellschaften Italiens: die Societä Italiana per le Strade 
Ferrate Meridionali — auch Rete Adriatica genannt — 
und die Strade Ferrate del Mediterraneo aufzufordern, 
die Frage zu studieren und wenn möglich durch gross 
angelegte Versuche zu erhärten: ob der heutige Dampf¬ 
betrieb auf Vollbahnen technisch und wirtschaftlich in 
vollkommener Weise durch elektrische Traktion zu er¬ 
setzen sei? 
Die hier von der italienischen Regierung den beiden 
grossen Bahnen gestellte Aufgabe lautete also wesentlich 
anders als jene, welche sich die „Studiengesellschaft für 
elektrische Schnellbahnen“ in Berlin, deren denkwürdige 
Versuche vom Vorjahre noch in aller Erinnerung sind, 
gestellt hatte. Der Studiengesellschaft schwebte das Ziel 
vor Augen, zu erforschen und durch Versuche zu er¬ 
gründen, ob es möglich sei, die jetzt auf Eisenbahnen 
übliche Geschwindigkeit ausserordentlich, ja auf das zwei- 
und dreifache der heutigen Eilzugsgeschwindigkeit zu 
steigern. Diese hochinteressanten Versuche sind zur Zeit 
noch nicht abgeschlossen, aber soviel ist schon jetzt klar, 
dass, wenn es — wTie wahrscheinlich — gelingen sollte, 
die Schwierigkeiten, welche zum Beispiel die Erhaltung 
des Oberbaues, das rasche Bremsen und die Sicherheits¬ 
vorrichtungen angesichts der ungeheuren Schnelligkeit 
erfordern, zu überwinden, solche Bahnen angesichts der 
hohen Baukosten und infolge dessen der fraglichen 
Rentabilität vorerst noch keineswegs allgemeine An¬ 
wendbarkeit besitzen, vielmehr auf die gegenseitige Ver¬ 
bindung einzelner grosser Städte mit bedeutendem Ver¬ 
kehr (z. B. Berlin—Hamburg, Paris—Brüssel) beschränkt 
bleiben dürften. Unter allen Umständen aber wäre es 
unmöglich, eine solche Schnellbahn in den Verkehr der 
heute bestehenden Bahnnetze einzufügen; sie erfordert 
einen eigenen neuen Bahnkörper, bei dem hinsichtlich 
Spurweite, Kurven etc. den Erfordernissen der ausser¬ 
ordentlichen Geschwindigkeit Rechnung getragen ist. 
Ganz anders lautete das Programm der italienischen 
Regierung; nicht die höhere Geschwindigkeit war es, die 
da von der elektrischen Traktion verlangt wurde, die 
elektrische Lokomotive sollte nicht eigene Geleise er¬ 
halten, nein, auf dem heutigen bestehenden Eisenbahn¬ 
netz sollte unter Berücksichtigung der Wasserkräfte des 
Landes der Dampfbetrieb durch den elektrischen Betrieb, 
die Dampflokomotive durch die elektrische Lokomotive 
ersetzt werden. (Fortsetzung folgt.) 
Aus den Gemeinderats-Sitzungen in Linz. 
In der Gemeinderats-Sitzung vom 21. Jänner wurden 
folgende Bauangelegenheiten beschlossen: 
Ueber Antrag des Gemeinderates Dimmel beschloss 
der Gemeinderat, dem Maurermeister Karl Schwam- 
berger die Parzelle Nr. 501 in der Ludlgasse in nächster 
Nähe de^ Reitschulgebäudes pachtweise gegen einen 
jährlichen Pachtschilling von 40 K und unter weiteren, 
näher bezeichneten Bedingungen zu verpachten. 
Gemeinderat Beyer beantragt, die Lieferung der 
Gasbeleuchtungskörper für den städtischen Volks¬ 
garten-Saalbau der Firma Nikolaus Mund in Wien 
um den Kostenbetrag von 2927 K zu übertragen. Dieser 
Antrag wird angenommen. 
Gemeinderat Beyer berichtet weiter in Angelegen¬ 
heit der Anschaffung einer elektrischen Uhr im Volks¬ 
garten-Salon und stellt den Antrag: Der Gemeinderat 
bewillige die Anbringung einer elektrischen Uhr an der 
Stirnseite des Volksgarten-Salons und ist die Lieferung 
derselben dem Hof Uhrmacher Friedrich Baumann in Wien 
um den Betrag von 400 K zu übertragen (wird angenommen).
	        
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