Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 18. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 8. 
Zahlungstage zu erlegen. Für die Regulierung, Pflaste¬ 
rung, Kanalisierung und sonstigen Investitionen der 
Gassen der in erster Reihe zu erbauenden Häuser ist 
das notwendige Geld bereits in der hauptstädtischen 
Kasse deponiert; 
6. der Bedarf für die zu erbauenden Häuser wird 
sich auf zirka 400.000 bis 500.000 fl. belaufen, welche 
darlehensweise aufzunehmen sind und innerhalb 30 bis 
40 Jahren amortisiert werden sollen; 
7. der Ausschuss des Vereines behält sich nach 
jeder Richtung die Kontrolle zugunsten der Kredit¬ 
geber vor, nachdem sowohl in der Wahl der Mitglieder 
als auch in der Kreditgewährung strengstens vorge¬ 
gangen wird. 
Als im Jahre 1886 nahezu 100 Mitglieder dem Vereine 
beitraten, übernahm einen grossen Teil der Häuserbauten 
der Budapester Architekt und Baumeister Johann 
Bobula unter nachstehenden Bedingungen: 
1. A conto-Zahlung vor Beginn des Baues 10°/o von 
der Bausumme; 
2. Zahlung von weiteren 20°/0 bei Uebergabe des 
Baues. Den Rest der Bausumme schuldet der Bauherr 
dem Geldgeber, als welcher die Pest er ungarische 
Kommerzialbank gefunden wurde. Wir bringen in 
nebenstehender Illustration die Fassade und den Grund¬ 
riss des ersten Stockwerkes von einem solchen Wohn- 
liause, wie sie der Baumeister Bobula auf der Beamten¬ 
kolonie erbaut hatte und bei welchem sich die Baukosten 
auf 10.000 fl. stellten. 
Wie wir vor Kurzem benachrichtigt wurden, stehen 
heute auf dieser Beamtenkolonie bereits 200 Häuser, die 
Strassen sind gepflastert, kanalisiert, auch ist für Be¬ 
leuchtung und Wasserleitung vorgesorgt, trotzdem fühlen 
sich die Bewohner daselbst nicht heimisch, denn die 
Ansiedlung leidet an Gebrechen, für die es keine Ab¬ 
hilfe gibt. Es befindet sich nämlich in der Nähe der 
Kolonie gegen Süden die berühmte Schweinemastanstalt 
in Steinbruch mit Milliarden von Fliegen, gegen Norden 
zu die allgemeine österreichische Gasanstalt, gegen 
Westen der allgemeine Friedhof und gegen Osten zu 
mehrere Spitäler. Dass infolge dieser unangenehmen 
Nachbarschaften die Luft in der Kolonie keine reine sein 
kann, dass an Insekten kein Mangel ist und dass durch 
die baumlose, sandige Umgebung alldort der Staub bis 
in das Innere der Häuser dringt, ist eine Tatsache, die 
der weiteren Entwicklung der Kolonie unbedingt hinder¬ 
lich sein wird. Kornhoffer. 
Billige Arbeiterhäuser in Italien. 
Endlich hat auch das italienische Parlament, das 
bisher gar nichts für die ländlichen und industriellen 
Arbeiter getan, sich entschlossen, dem Gebiete der 
Wohlfahrtseinrichtungen einige Aufmerksamkeit zu 
schenken. So wurde in voriger Session eine Gesetzes¬ 
vorlage über den Bau billiger Arbeiterhäuser von der 
Regierung eingebracht. Der Schöpfer dieser Vorlage ist 
der bestbekannte Sozialpolitiker, Abgeordnete und ge¬ 
wesene Minister Luzatti. Es sei bei dieser Frage auf 
ein im Jahre 1891 in Rom erschienenes Werk hingewiesen, 
das statistisch die WohnungsVerhältnisse der Armen in 
grösseren italienischen Städten und des Auslandes be¬ 
handelt. In zahlreichen italienischen Städten hat die 
Stadterweiterung alte Stadtteile niedergeworfen und an 
deren Stelle Neubauten gestellt, doch wurden wieder 
nur Wohnhäuser für die Besitzenden gebaut und auf 
den Bau von Häusern mit wohlfeilen Wohnungen für 
Arbeiter vollkommen vergessen. Es war daher die 
höchste Zeit, dass sich endlich in diesem aristokratischen 
Parlamente, das bis heute nicht Zeit fand, die agrarischen 
und Bodenbesitz-Verhältnisse zu ordnen, endlich eine 
Stimme fand, diese Angelegenheit anzuregen. Gefördert 
wird die Schaffung dieser Wohlfährtseinrichtung durch 
die erfreuliche Tatsache, dass durch die Initiative der 
Grosstädte, industriellen Vereine sich das Genossenschafts¬ 
wesen in Italien sehr entwickelt hat, daher eine Basis 
für diese Bautätigkeit bereits geschaffen ist. 
Nach dem Gesetzentwürfe Luzatti soll vor allem 
andern die Bildung von Baugesellschaften gefördert 
werden, die sich mit dem Bau, dem Verkauf und der 
Vermietung von Arbeiterhäusern befassen. Mit der 
Bildung dieser Gesellschaften sollen die Sparkassen, die 
sogenannten Monte di pietä, Pfandleihanstalten, Wohl¬ 
tätigkeitsvereine und Brüderschaften, die seit Jahr¬ 
hunderten bestehen und über grosse Barmittel verfügen, 
herangezogen werden. Dieselben sollen die nötigen Bar¬ 
beträge anschaffen und daher auch die ersten Hypotheken 
auf die gesellschaftlichen zum Verkauf oder zur Ver¬ 
mietung bestimmten Arbeiterhäuser übernehmen. Auch 
soll in den Statuten bestimmt werden, dass den Gesell¬ 
schaftern nicht mehr als 5 Perzent bezahlt werden. Alle 
5 Perzent überschreitenden Gewinne sind an die National¬ 
kasse zur Versorgung von alten und invaliden Arbeitern 
zu überweisen. Die von der Gesellschaft erbauten und 
erworbenen Häuser können nur nach einem gewissen 
Verhältnisse zu den Kosten verkauft oder vermietet 
werden und ist zu diesem Zwecke eine eigene Tabelle 
aufzustellen. 
Der Käufer hat den Kaufpreis in jährlichen Raten, 
inbegriffen die Zinsen und Amortisations-Quote des 
Kapitales, und diesem Kapitale entsprechende Asse¬ 
kuranz-Prämie zu bezahlen. Diese Jahreszahlungen 
sollen nicht öfter als dreissigmal geschehen und darf 
überhaupt nur bis zum fünfundsechzigsten Jahre des 
Käufers geschehen. Die Versicherung darf nur bei 
solchen vaterländischen Gesellschaften erfolgen, die 
keine Spekulation betreiben und keine Dividenden 
bezahlen. 
Um derartige Gesellschaften zu fördern, gewährt 
der Staat folgende Begünstigungen: 
Vollkommene Stempelfreiheit der Geschäftsbücher, 
Hypothekenscheine, Statuten und deren Abänderungen, 
Verwaltungsprotokolle, Aktien und Obligationen der 
Gesellschaft, Leihverträge, Hypotheken-Umschreibungen; 
Steuerfreiheit der Mietzinse und Erträgnisse. 
Ermässigung der Stempel und Taxen auf 1 Lire für 
die Verkaufs- und Mietverträge, Lebensversicherungs- 
Verträge. 
Rückerstattung der Gebühren für Grundkäufe, 
wenn die Gründe für den Bau von Arbeiterwohnhäusern 
verwendet werden. 
Die allgemeine Steuerfreiheit der Gebäude, wie der 
Genuss obiger Begünstigungen, ist auf 10 Jahre nach Ver¬ 
öffentlichung des Gesetzes beantragt; die Staatssteuer 
wird hingegen 15 Jahre vbm Einkommen der Gebäude 
nicht erhoben. 
Diese Begünstigungen sollen jedoch nicht auf die 
Baugesellschaften für billige Arbeiterhäuser beschränkt 
bleiben, sondern sich auch auf Gemeinden, Besitzer von 
Industriebezirken, grössere landwirtschaftliche Betriebe 
aus dehnen, welche für ihre Arbeiter Wohnhäuser errichten.
	        
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