Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

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OBKliOSTKIMKLCHlSOlili BAU ZEITUNG. 
Nr. 28. 
Der Brand im Pariser Warenhause in 
Budapest. 
Vortrag, gehalten vom Kommandanten der Feuerwehr der Stadt 
Wien Eduard Müller in der Hauptversammlung des Vereines 
der Baumeister Niederösterreichs. 
Das Pariser Warenhaus in Budapest bestand im 
wesentlichen aus einem ebenerdigen Warenraume im 
Eckhause Kerepeserstrasse Nr. 38 und in Verkaufs- und 
Magazinsräumen im darübergelegenen ersten Ober¬ 
geschosse des an stossenden Hauses Kerepeserstrasse 
Nr. 40 — ferner in Magazins- und Manipulationsräumen, 
die in den Souterrain-Lokalitäten der beiden genannten 
Häuser untergebracht waren, endlich in einigen Bureau¬ 
zwecken dienenden Lokalitäten in dein an das Eckhaus 
stossenden Gebäude Klauzalgasse Nr. 3. 
Ausserdem war der grosse Hof des Hauses Kerepeser¬ 
strasse Nr. 38 in der Höhe zwischen dem ersten und 
zweiten Stockwerke mit einem Glasdache versehen und 
solchergestalt als grosses Magazin mit einer rundherum¬ 
laufenden Galerie eingerichtet. 
Die Verbindung der Magazine und Verkaufsräume 
in beiden Häusern Kerepeserstrasse Nr. 38 und 40 war 
dadurch hergestellt, dass die aneinander stossenden 
Feuermauern im Gassentrakte an zwei Stellen in der 
Breite von 5 beziehungsweise 3 Meter und in dem 
schmalen Hoftrakte in einer Breite einer gewöhnlichen 
Türe ausgebrochen worden waren. Die ersteren beiden 
Oeffnungen sind ohne jeden Abschluss geblieben, die 
Oeffnung in den Magazinen im Hoftrakte war durch eine 
Türe abgeschlossen. 
Ausser diesem Warenhause enthielten die beiden Ge¬ 
bäude nur Wohnungen und die Kanzlei eines Advokaten. 
In beiden Häusern bestand je eine freitragende Haupt¬ 
treppe und eine kleinere Nebentreppe, sämtlich aus Stein 
(Karstmarmor) hergestellt. 
Der Eingang zu dem Hause Nr. 38, dem eigentlichen 
Warenhause, bestand in einem etwa 2 Meter breiten 
Hausflur, an der Grenze gegen das Haus Nr. 40 gelegen, 
der einerseits von der Feuermauer des Hauses Nr. 38, 
anderseits von einem grossen als Schaufenster dienenden 
Portale des ebenerdigen Verkaufsraumes vom Pariser 
Warenhaus begrenzt wird. 
Dieser Hausflur führte direkt in das Stiegenhaus zur 
Haupt stiege und stand zu ebener Erde und in der Höhe 
des ersten Stockwerkes durch je zwei gewöhnliche 
Fenster mit dem als Magazin benützten bereits erwähnten 
überdeckten Hofraum in Verbindung. Zur Sicherung der 
Magazine gegen Einbruch waren diese Fenster mit 
ziemlich engmaschigen Drahtnetzen verwahrt. 
Die Hauptstiege im Hause Nr. 40 war durch einen 
Hausflur, der mit dem Warenhause in keiner Weise in 
Verbindung stand, direkt zugänglich und lag in dem 
grossen freien Hofe des bezeichneten Hauses. 
Sowohl das Warenhaus Nr. 38 als auch das Haus 
Nr. 40 hatte vier Stockwerke, von denen, wie gesagt, 
die ersten Stockwerke Verkaufs- und Magazinsräume des 
Pariser Warenhauses enthielten, während die darüber 
liegenden drei Geschosse von Wohnparteien benützt 
wurden. Die Verbindung der einzelnen Wohnungen mit 
den Stiegen ist in beiden Häusern durch freitragende, 
sogenannte fliegende Gänge vermittelt worden, so dass 
es in jedem Hause unter normalen Umständen möglich 
war, von jeder Wohnung jede der beiden Treppen er¬ 
reichen zu können. 
Sowohl das Haus .Nr. 38 als jenes Nr. 40 waren so¬ 
genannte massive unverbrennbare Gebäude. Sämtliche 
Hoftrakte, sowie die in der Klauzalgasse gelegene Front, 
des Hauses Nr. 38 waren in Ziegelmauerwerk hergestellt 
und nur die Fronten in der Kerepeserstrasse beider 
Häuser, sowie die Mittelmauern dieser Trakte bestanden 
aus eisernen, innen ausgemauerten, aussen mittels Asbest¬ 
mörtelverputz geschützten Pfeilern mit starken Trag¬ 
konstruktionen. 
Die Decken sämtlicher Räume in beiden Geschossen 
bildeten Ziegelgewölbe zwischen eisernen Traversen. In 
ähnlicher Weise waren auch die fliegenden Gänge her- 
gestellt; auch diese bestanden aus Ziegelgewölben 
zwischen aus der Hauptfront ragenden eisernen Trägern. 
Von dem brennbaren Inhalt der beiden Gebäude und 
den Dachstühlen abgesehen, bestanden somit beide Häuser 
aus vollkommen unverbrennbaren Materialien. 
Das Pariser Warenhaus enthielt nach Art aller der¬ 
artigen Verkaufsstätten Waren aller Art wie: Wäsche, 
Kleidungsstücke, Waren für den Hausbedarf, „Kunst¬ 
gegenstände“, Uhren, Waffen, kurzum alles und jedes. 
Die Räume waren sämtlich elektrisch beleuchtet, ein 
Umstand, auf den man sich, wenn die Frage der Feuer¬ 
sicherheit einer Oertlichkeit aufgerollt wird, besonders 
gern viel zu gute tut. 
In diesem Warenhause und zwar in dem Schaufenster, 
das den einseitigen Abschluss des Hausflurs bildete, war 
am 24. August abends kurz vor 7 Uhr in dem Augen¬ 
blicke Feuer entstanden, als der Maschinist die elektrische 
Beleuchtungsanlage in Funktion setzte. Ob Löschversuche 
an Ort und Stelle unternommen wurden, war mit Sicher¬ 
heit nicht zu erfahren; Tatsache ist, dass das Feuer an 
den gerade dort angehäuften, leicht brennbaren Stoffen 
leichte und viele Nahrung fand und sich mit grosser 
Schnelligkeit sowohl im Verkaufsräume zu ebener Erde 
als auch durch die rückwärtigen Oeffnungen in das 
grosse Hofmagazin verbreitete. 
Fast unmittelbar nach Ausbruch des Brandes ist die 
Feuerwehr zu Hilfe gerufen worden und auch in kurzer 
Zeit, leider aber mit zu geringen Mitteln, auf dem Brand¬ 
platze eingetroffen. Die Angestellten des Warenhauses 
sowie die anwesenden Käufer hatten zum weitaus grössten 
Teile sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können und 
zwar waren die meisten durch den Ausgang in der 
Klauzalgasse, einige der im ersten Stockwerk anwesenden 
durch die Komptoirräume im Hause Klauzalgasse Nr. 3 
beziehungsweise über die Hauptstiege im Hause Kerepeser¬ 
strasse Nr. 40 entkommen. In diesem letzteren Hause 
sind die eisernen Rollbalken der gegen den Hof zu füh¬ 
renden Magazine und Komptoirfenster durch Bedienstete 
vor ihrer Flucht geschlossen worden, ebenso waren die 
eisernen Türen, die aus den Magazinen im ersten Stock 
in das Stiegenhaus führten, geschlossen. 
Die am Brandplatze eingetroffene Feuerwehr fand 
das Schaufenster im Hausflur des Hauses Nr. 38 von den 
Flamen bereits durchbrochen und einen grossen Teil des 
Warenhauses in Brand vor und war nicht mehr in der 
Lage, das Feuer im Hauseingange erfolgreich zu be¬ 
kämpfen und vom Stiegenhause abzuhalten — was auch 
später eingetroffenen Abteilungen nicht mehr gelungen 
ist, ein Beweis dafür, dass die Feuerwehr nicht nur in 
möglichst kurzer Zeit, sondern auch mit genügenden 
Kräften eintreffen muss, um in kritischen Fällen er¬ 
folgreich wirken zu können (was in Wien bei dem Mangel
	        
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