Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 2. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 2. 
wertes, die Amortisation des Bauwertes ohne Baugrund 
zu. 4°/0 in 100 Jahren. 
Es ist somit nachgewiesen, dass ein Spar- und Bau¬ 
verein der Beamten, wie er von den Linzer Eisenbahn¬ 
beamten unlängst ins Leben gerufen wurde, eine wohl- 
begründete, feste Grundlage für sein gemeinnütziges 
Wirken findet, umsomehr, als Herr Ziviiingenieur R. Urba- 
nitzky sich bereit erklärte, auf seinen für solche Zwecke 
sehr günstig gelegenen Baugründen auf Grund dieser 
Baupläne Cottagewohnhäuser zu den dieser Rentabilitäts- 
Berechnung zugrunde gelegten Pauschalpreisen zu er¬ 
bauen und dem genannten Vereine ins Eigentum zu über¬ 
geben. 
Nachdem der genannte Verein jedem Beamten, auch 
dem der nicht der Eisenbahnbranche ungehörigen Dienst¬ 
zweige, den Eintritt gegen Zeichnung eines Anteiles von 
500 Kronen gestattet, welcher Anteil auch in Monats¬ 
raten von je 5 Kronen abgestattet werden kann und jeder 
Beamte hiedurch das Anrecht auf eine Wohnung in 
diesen Oottagehäusern erwirbt, so wäre nur zu wünschen, 
dass alle, welche ein gesundes Wohnen auf jungfräu¬ 
lichem Boden von Gärten umgeben, der engen Stadt vor¬ 
ziehen, die sich jetzt bietende Gelegenheit benützen. 
Die verhältnismässig geringe Entfernung yon der 
Stadt ist durch die elektrische Strassenbahn ausgeglichen 
und gelegentliche Bewegung ist den zur sitzenden Lebens¬ 
weise Gezwungenen nur gesundheitsfördernd. 
Mit dem Aufwande von wenigen Tausend Gulden an 
Barkapital kann aber auch eine Familie ein solches Haus 
samt Garten ins Eigentum erwerben, erhält das Bar¬ 
kapital 61/, °/0 verzinst, bei Annahme obiger billiger 
Wohnungszinse und bewohnt den ersten Stock, welcher 
bei jedem Hause immer das angenehmste Wohnen bietet. 
_ d. r. 
Einige Worte über das jetzt moderne 
Bestechungssystem. 
Unter dem Titel: „Uebelstände am wirtschaftlichen 
Leben Deutschlands“ bringt das Fachblatt „Baukeramik“ 
aus der Feder Fr. Worts folgenden interessanten Artikel: 
Im Handel und Gewerbe bürgern sich schwere 
moralische Misstände ein, an denen nicht lange mehr 
achtlos vorübergegangen werden darf, wenn unser wirt¬ 
schaftliches Leben nicht ernsten Schaden leiden soll. 
Der unheilvollste dieser Misstände ist ohne Zweifel die 
in vielen Branchen bereits planmässig geübte Bestechung 
von Angestellten zur Erlangung von Aufträgen. In dem 
letzten Jahrzehnt ist es namentlich in Deutschland auf 
diesem Gebiete immer schlimmer geworden und der all¬ 
gemeine geschäftliche Niedergang hat ein übriges getan, 
um Zustände zu schaffen, die von Tag zu Tag unleidlicher 
werden. Unter vier Augen wissen uns die Kaufleute 
und Industriellen viel Widerwärtiges über diesen Gegen¬ 
stand zu erzählen; ans helle Tageslicht dringt so gut 
wie nichts darüber, so dass das Publikum keine Ahnung 
davon hat, welchen Umfang die Korruption in Handel 
und Gewerbe bereits annehmen konnte. 
Die einzelnen Lieferanten hätten, wenn sich das 
Geschäft in rein mechanischer Weise abspielte, lediglich 
mit drei Faktoren zu rechnen: nämlich mit Qualität der 
Ware, Preisstellung und Lieferfrist. Der Leistungs¬ 
fähigste würde jeweilig den Auftrag erhalten. Es ist 
ohne weiteres klar, dass sich die Dinge in Wirklichkeit 
nicht so abspielen können, weil in der Regel eine Menge 
anderer Faktoren einen entscheidenden Einfluss ausüben. 
Vor allem sind es persönliche Beziehungen aller Art, 
welche das Geschäft fördern oder hindern. Der lang¬ 
jährige Lieferant wird beispielsweise auch einen Auftrag 
erhalten, wenn seine Preise teurer sein sollten als die 
seiner Konkurrenten, weil man die alten erprobten Ver¬ 
bindungen nicht gern aufgibt, zumal der Lieferant die 
Bedürfnisse des Bestellers genau kennt und man einem 
befreundeten Reisenden oder Vertreter nicht einfach die 
Türe weisen kann, wenn ein neuer Wettbewerber auf 
der Bildfläche erscheint. Niemand wird leugnen wollen, 
dass es ein Unglück für das Geschäftsleben wäre, wenn 
alle persönlichen Beziehungen solcher Art durch das 
nackte Interesse gesprengt würden und der Käufer seine 
Aufträge in brutaler Weise ausschliesslich dem in den 
Sciioss würfe, der ihm die vorteilhaftesten Preise und 
die kulantesten Konditionen stellte. An dem Sub¬ 
missions verfahren des Staates und den ihm nachgeahmten 
privaten Submissionen der Grossindustrie kann man 
leicht studieren, zu welchen Folgen es führt, wenn ein 
Minimum von Brauchbarkeit der Ware und der billigste 
Preis ausschlaggebend für die Erlangung von Lieferungen 
wird. Die Qualität der Waren wird beständig bis zur 
äussersten Grenze verschlechtert und viele Existenzen 
gehen durch ihre verlustbringenden Lieferungen, welche 
auf falscher Kalkulation beruhen, dem wirtschaftlichen 
Ruin entgegen. 
Da aber persönliche Beziehungen vielfach eine aus¬ 
schlaggebende Rolle im geschäftlichen Verkehr spielen, 
lag die Gefahr stets nahe, dass der Verkäufer alle er¬ 
denklichen Mittel in Bewegung setzen werde, um solche 
Beziehungen zu erhalten und zu schaffen. So lange 
Handel und Gewerbe noch so primitiv entwickelt waren, 
dass der Geschäftsinhaber oder seine nächsten Ver¬ 
trauenspersonen den Einkauf der benötigten Waren im 
allgemeinen selbst besorgten, konnten nicht leicht allzu¬ 
schwere Misstände einreissen. Der Prinzipal übersah die 
Bedürfnisse seines Geschäftes, verfolgte die Marktlage, 
verfügte über die erforderliche Warenkunde und war so 
in der Regel wohl imstande, bei jedem Angebote be¬ 
urteilen zu können, ob sich die Annahme empfahl oder 
nicht. Qie moderne Entwicklung des Erwerbslebens, 
welche vor allem zur Bildung von Grossbetrieben aller 
Art geführt hat, macht es heutigentages vielfach den 
leitenden Persönlichkeiten unmöglich, sich selbst um den 
Einkauf der dutzend- ja hunderterlei Artikel zu kümmern, 
welche gebraucht werden. Man muss wohl oder übel 
Angestellte — Bureaubeamte, Werkführer, Meister — 
mit dem Einkauf betrauen. Die natürliche Folge ist, 
dass alles Sinnen und Trachten des Verkäufers darauf 
gerichtet ist, die Gunst dieser Angestellten zu erwerben, 
von deren Gnade die Aufträge nunmehr abhängen. 
Glücklicherweise gibt es unter den Angestellten 
ausserordentlich zahlreiche durchaus ehrenhafte Persön¬ 
lichkeiten, an denen alle Versuchungen wirkungslos 
abprallen. Aber es gibt natürlich auch viele wurm¬ 
stichige Existenzen, welche ihre günstige Position als 
entscheidende Instanz weidlich ausnützen, um sich per¬ 
sönliche Vorteile aller Art zu sichern. Es ist erstaunlich, 
wie rasch sich jeweilig die unlauteren Elemente unter 
den Einkäufern und Verkäufern zusammenfinden. Dem 
eingeweihten Beobachter erscheint dieses Phänomen 
nicht selten einer Naturkraft vergleichbar. Wie der 
Magnet das Eisen, wie ein hygroskopisches Salz die 
Feuchtigkeit, also ziehen sich solche Naturen an, und
	        
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