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ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Nr. 13.
die Gerufenen. Die Rufer wurden vereinzelnd Millionäre
und die Gerufenen konnten abziehen mit leeren Taschen,
oft mit zerrütteten Familienverhältnissen und mit zer¬
rüttetem Geiste. Es gibt keine Stadt und kaum ein Dorf
in unserem Vaterlande, die nicht schwere Opfer der
einstigen Gründungsperiode darbrächten. Diese Richtung,
die fieberhaft um sich griff, die die ganze Anschauung
über Erwerb und Besitz beeinflusste und durchdrang,
die alle Schichten der Gesellschaft, von der standesherr¬
lichen an bis zum standeslosen Proletarier einnahm und
blendete, diese Richtung nach Geld und Gold mittels
der hundertfachen Verwertung dessen, was man einzu¬
setzen hatte, musste keiner Entwicklung feindlicher
sein als dem technischen und soliden Gedeihen der
Professionen. Alle geistigen und materiellen Bedin¬
gungen, welche die innere Ausbildung und die äussere
fortschreitende Entfaltung einer Profession erfordern,
wurden von der damaligen Zeitrichtung als nebensächlich
hintangesetzt.
Die Pflege der Gewerbe erfordert jedoch hingebenden
Sinn; aber der Sinn stand manchen Leuten nach Erwerb,
ohne Hingabe an die Sache, von der der Erwerb kommen
sollte. Die Gewerbe erfordern Mühe und Mühung, ver¬
langen einen langsamen und sicheren Gang. Die Gewerbe
sind die natürlichsten Feinde des Sprunges, sie sind das
Huhn, das goldene Eier legt, das heisst, wenn man dem
Huhn zum Hervorbringen Zeit lässt. Aber die frühere
Zeit hasste den Gang und liebt den Sprung; sie wollte
das Huhn schlachten, um die goldenen Eier sämmtlicli
mit einemmale zu besitzen. Deshalb betheiligten sich
auch viele Gewerbetreibende an den Gründungs-Specula-
tionen und verloren dabei ihre jahrelangen Ersparnisse.
Mancher Betrieb nahm durch: die damaligen Zeit¬
verhältnisse einen ins Grossartige gehenden Schwung
an, aber der innere Trieb war bald erlahmt und der
Schwung hat sich als Schein und Schaum erwiesen.
At>er wie Alles, das nicht wahren Lebenskeim enthält,
kein wirkliches Leben entfalten kann, sondern nur
für kurze Zeit ein vergilbtes Scheinleben äussert, so
ergieng es auch diesen durch Künstlichkeit upd Machina¬
tionen geschaffenen Zuständen. Sie brachen zusammen
und an die Gesellschaft trat die Aufgabe heran, wieder
fundamental aufzurichten, was bis in seine Grundfesten
erschüttert war. Ein zwiefacher Sinn hat seit dem Grün¬
dungstaumel wieder angefangen, in die Professionen ein¬
zudringen: der Sinn für Arbeit und die Ueberzeugung,
dass man nur durch Arbeit zu seinen gerechten An¬
sprüchen, Erwartungen und Hoffnungen gelangen könne.
Der Arbeitgeberstand hat darauf Bedacht za nehmen,
dass nicht die vage Speculation sich der Production be¬
diene, um ihr Spiel zu treiben: Blendwerk statt wahren
Leistungen hinzustellen, um Täuschungen aus- und duroh-
zuführen.
Staub-Explosionen.
(Von Kurt von W a 1 f e 1 d.)
Die moderne Wissenschaft hat es auf den Staub
abgesehen, sie stempelt ihn zu einem Bösewicht aller¬
ersten Ranges. Der Staub ist nicht nur ein gefährlicher
Krankheitserreger, nein, er soll sogar jetzt noch explodier¬
bar sein und so mit einem jähen Schlag zahlreiche
Menschen tödten können. Staub explodierbar, das wird
vielen Lesern nicht einleuchten aber dennoch ist es so.
Freilich muss es organischer Staub sein, wie Mehl, Holz
oder Kohle; und dann muss dieser Staub fein vertheilt
und mit der nöthigen Menge Luft gemischt sein. Der
organische Staub spielt dann genau die Rolle wie Sumpf¬
gas, Wasserstoff- und Leuchtgas. Die genannten drei
Gase brennen an sich ruhig und gefahrlos. Mischen sie
sich aber mit der mehrfachen Menge ihres Volumens
mit Luft, so entsteht ein explodierbares Gasgemenge.
Das ist eine Thatsache, die seit Jahrzehnten bekannt ist.
Es war den Feuerversicherungen der ganzen Welt
bekannt, dass Kornmühlen leicht der Explosionsgefahr
ausgesetzt sind, und sie nahmen dieselbe nur gegen be¬
sonders hohe Prämie in ihrer Versicherung auf. Man
konnte sich keinen Grund denken, warum gerade die
Mehlmühlen so sehr der Explosionsgefahr ausgesetzt
sein sollten, aber die Thatsachen sprachen doch für die
Versicherungs-Gesellschaften. Von Zeit zu Zeit ex¬
plodierten in jedem Erdtheile mehr oder weniger grosse
Mehlmühlen und kein Mensch fand eine Erklärung dafür,
wenigstens keine richtige. Bei vielen Fällen glaubte man
auch eher an eine Brandstifung als an eine Staub¬
explosion.
So wurde im Jahre 1875 in Frankreich ein Müller
Berthier verurtheilt, obgleich der Verurtheilte bei Gott
und allen Heiligen schwur, dass er unschuldig sei, dass
die Mühle durch eine Explosion zerstört worden sei. Der
Fall erregte Aufsehen und wurde in Pariser Blättern
eingehend besprochen. So kam er auch zur Kenntnis
Marcellin Berthelots. Dieser grosse Entdecker warf sich
jetzt mit der ganzen Wucht seines Geistes auf die Er¬
scheinungen der sogenannten Staub-Explosionen. Sein
Eifer wurde noch dadurch gesteigert, als sechs Monate
spater die Nachricht durch die Zeitungen lief, dass die
grössten Kornmühlen der Welt, die Washburnmühlen zu
Minneapolis, durch eine Explosion zerstört worden seien.
Bei dieser furchtbaren Explosion wurden 40 Menschen
getödtet und ein Grundstück im Werte von fünf Millionen
in wenigen Minuten zerstört. Ein Jahr später erklärte
Berthelot vor der Pariser Akademie der Wissenschaft
Folgendes: „Die Staub-Explosion ist nichts als eine
äusserst schnelle Verbrennung. Eine innige Mischung
von Luft und feinem organischen Staub kann einer
Mischung von Luft und brennbaren Gasen gleichgestellt
werden.“ Diese Behauptungen bewies Berthelot mit
schlagenden Experimenten. Auf seine Veranlassung hin
wurde der Fall Berthier nochmals verhandelt und der
Müller wurde freigesprochen.
Durch Berthelots Entdeckungen und Untersuchungen
ist die ganze gebildete Welt aufgeklärt und gewarnt
worden. Das Leuchtgas hat mit den Explosionen nichts
zu thun; jede Flamme, eine Kerze, ein Fidibus kann
das Gemenge von Luft und Staub entzünden. Berthelot
wies bei seinen Erklärungen auf einen Fall hin, der sich
im Jahre 1785 zu Turin ereignete. Ein Bäckergeselle
arbeitete bei dem Licht einer einfachen Oellampe. Er
rührte seinen Teig ganz in der Nähe einer FörderÖffnung
durch welche das Mehl aus einem höheren Stockwerk
in den im Keller gelegenen Backraum fiel. Bald hüllte
den jungen Menschen eine Mehlstaubwolke ein, die sich
nach einiger Zeit an der Oelflamme entzündete und eine
gewaltige Explosion hervorrief. Der Geselle erlitt schwere
Verletzungen und kam nur mit knapper Noth mit dem
Leben davon. Berthelot betonte diesen Fall, der mehr
als hundert Jahre zurücklag, ganz besonders, weil hier
keine Gasflamme die Entzündung hervorgerufen hatte,
sondern eine kleine, einfache Oellampe.