Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Sr. 13. OBERÖSTERREIGHIßCtiE BAUZEITUNG. Seite 99. 
' §5. 
Behufs Sicherstellung der Regulierung' derjenigen 
Flüsse in Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien, Nieder- 
und Oberösterreich, welche mit den im § 1 genannten 
Canälen, cänalisierten und in Canalisierung begriffenen 
Flüssen ein einheitliches Gewässernetz bilden und, sei es 
wegen der Zufuhr von Wasser, sei {es mit Rücksicht auf 
die Geschiebe-Bewegung für die in Betracht kommenden 
Wasserstrassen besondere Bedeutung besitzen, sind die 
Verhandlungen mit den betheiligten Königreichen und 
Ländern sofort einzuleiten, wobei für die finanziellen 
Leistungen der Königreiche und Länder die bei solchen 
Massnahmen bisher üblichen Gesichtspunkte Anwendung 
zu finden haben. Die Regulierung dieser Flüsse, muss 
spätestens gleichzeitig mit dem Bau der Canäle (§ 6, 
Absatz 1) in Angriff genommen werden. 
Für alle übrigen Wasserläufe in den im Reichsrathe 
vertretenen Königreichen und Ländern, hinsichtlich 
welcher sich eine Regulierung als nothwendig darstellt, 
ist dieselbe thunlichst rasch vorzubereiten und sobald 
die entsprechenden Vorarbeiten vorliegen, ehestens in 
Angriff zu nehmen. 
Die behufs Durchführung solcher Regulierungen er¬ 
forderliche Erhöhung des jährlichen Staatsbeitrages für 
den Meliorationsfond ist durch ein besonderes Gesetz 
festzustellen. 
Die Einstellung von Dotationen für Wasserbauten in 
die jeweiligen Staatsvoranschläge bleibt hiedurch un¬ 
berührt. 
Die Hauszinssteuer. 
(Referat und Beschluss des 3. Oesterr. Städtetages.) 
III. 
Man kann nämlich von dem Gedanken ausgehen, 
dass jeder Person und jeder Familie, je nach ihrer Zu¬ 
sammensetzung, ein bestimmtes Mindestmass an Wohn- 
raum und Wohnvorrichtungen nöthig sei, welches sozu¬ 
sagen das abstracte Wohnminirnum darstellt. Soweit 
nun das Einkommen einer Person oder Familie, nach 
Deckung der übrigen unentbehrlichen Lebensbedürfnisse 
nur noch oder nicht einmal mehr zur Bestreitung des 
unbesteuerten Mietzinses für dieses Wohnminirnum hin¬ 
reicht, dürfte man billigerweise von diesem Mietzinse 
eine Steuer überhaupt nicht erheben. Jeder dieses 
abstracte Wohnungsminimum übersteigende Wohnungs¬ 
aufwand wäre dagegen als steuerbar zu behandeln, und 
zwar in umso stärkerem Grade, je mehr er es übersteigt. 
Diese Behandlung der Mietzinssteuer würde somit die 
Ermittlung des abstracten, absoluten Wohnminimums 
und des hiefür an jedem Orte erforderlichen Aufwandes 
nöthig machen, die Festsetzung der Steuersätze für die 
über diese Mindestzinse hinausgehenden Mietzinse wäre 
Sache des freien Ermessens. Es dürfte sich jedoch 
herausstellen, dass dieses abstracte, absolute Wohn- 
ininimum ein rein theoretischer Begriff ist, dessen An¬ 
wendung in Wirklichkeit zu schweren Unzukömmlich¬ 
keiten führen würde. So wenig es einen abstracten 
Menschen gibt, so wenig gibt es ein abstractes Wohnungs¬ 
minimum. Das Herkommen und die Lebensgewohnheiten, 
Bildung, Stand und Stellung der Menschen weisen so 
tiefgehende Verschiedenheiten auf, die sich auch in dem 
Masse des Wohnbedürfnisses ausdrücken, dass eine Ver¬ 
allgemeinerung desselben völlig unzulässig erscheint. 
Wohnverhältnisse, welche den einen Menschen ganz zu¬ 
frieden stellen, sind dem anderen unerträglich. Von 
diesem Gesichtspunkte aus würde man zur Aufstellung 
einer Reihe relativer Wohnminima gelangen, welche für 
die Differenzierung der Steuersätze massgebend wären. 
Die Steuersätze für die einzelnen Wohnkategorien dürften 
nämlich den für jede derselben, abgesehen von der 
Steuer, erforderlichen Mietaufwand nicht in dem Masse 
erhöhen, dass die einzelnen Bevölkerungsschichten ge- 
nöthigt wären, die Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses 
unter das für sie geltende relative Wohnminirnum ein¬ 
zuschränken. Diese Art der Differenzierung würde von 
der ersterwähnten den Vorzug haben, dass sie weniger 
abstract und willkürlich ist und den wirklichen Ver¬ 
hältnissen Rechnung trägt. Sie setzt aber voraus, dass 
die relativen Wohnminima nicht willkürlich erfunden, 
sondern aus der Wirklichkeit hergenommen werden. Dies 
ist aber nur auf Grund einer eingehenden Wohnungs¬ 
und. Mietzinsstatistik möglich. Nur vermittels einer 
solchen Statistik wäre es durchführbar, die Wohnungen 
und Mietzinse nach den Wohnbedürfnissen und den Ein¬ 
kommenverhältnissen der Bevölkerung zu classificieren 
und dadurch die Anhaltspunkte für eine wenigstens an¬ 
nähernd gerechte Steuerprogression zu finden. 
Zweierlei aber lässt sich, ohne die Ergebnisse dieser 
Statistik abzuwarten, wohl auch jetzt schon behaupten. 
Erstens lässt sich voraussehen, dass die Statistik 
derartige locale Verschiedenheiten der Wohnungs- und 
Mietzinsverhältnisse nachweisen wird, dass eine gleich¬ 
förmige Differenzierung der Mietzinssteuern für das 
ganze Reich ungerecht wäre. Namentlich die Wohnungs¬ 
verhältnisse in Wien und den grösseren Städten erfordern 
eine besondere Beachtung. Von der jetzigen staatlichen 
Hauszinssteuer, die für das ganze Reich etwa 60 Millionen 
Kronen beträgt, zahlt Wien allein die Hälfte. Eine gleich¬ 
förmige Differenzierung der staatlichen Hauszinssteuer 
würde daher, wenn sie bei den niedrigsten Zinsclassen 
anhebt und schon bei den mittleren sich dem jetzigen 
Steuerfusse nähert, die grösseren Städte und besonders 
Wien, kaum entlasten, und wenn sie erst bei einiger- 
massen höheren Zinsclassen einsetzt, wieder für die 
übrigen Gebiete wirkungslos sein. Es müsste daher bei 
der Differenzierung der staatlichen Hauszinssteuer vor 
allem auf die Örtlichen Verschiedenheiten der Wohn¬ 
verhältnisse Rücksicht genommen werden, was aller¬ 
dings nichts anderes ist, als eine weitere Ausbildung 
des schon im Hauszinssteuergesetze enthaltenen Orts- 
classensystem. Während aber jetzt gerade in den Orten, 
wo die übrigen Verhältnisse ohnehin den Mietzins in die 
Höhe treiben, der höhere Steuersatz zur Anwendung 
kommt und die vorhandene Wohnungsnot!! der ärmeren 
Bevölkerung noch gesetzlich gesteigert wird, müsste 
eine gerechtere Gesetzgebung eben in diesen Orten der 
steigenden Tendenz der Mietzinse entgegenwirken, indem 
sie entweder den Steuersatz hier stärker differenziert 
oder die Grenzen der Mietzinsclassen, welche am meisten 
der Entlastung bedürfen, höher stellt als anderwärts. 
Zweitens ist aber die jetzige Steuerbelastung des 
Mietzinses bereits so hoch, dass eine Progression über 
dieselbe hinaus selbst für die wohlhabenden Kreise der 
Bevölkerung nicht mehr erträglich wäre. Es dürfte da¬ 
her kaum zulässig sein, den Ausfall an Mietsteuern, der 
sich durch die Entlastung der niederen Mietzinsclassen 
ergeben würde, durch eine schon bei den mittleren Miet¬ 
zinsclassen einsetzende Erhöhung über den beabsichtigten
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.