Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Nr. 12. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 91. 
wioklung epochemachenden Gesetze findet auch der 
Antrag III des vierten österreichischen Ingenieur- und 
Architektentages seine Erledigung, denn, einmal be¬ 
gonnen, wird man nach den sicher kommenden Er¬ 
fahrungen auch den weiteren Ausbau unseres Wasser- 
strassennetzes fortsetzen. 
Während die schiffbaren Anschlüsse an die Elbe 
von den Agrariern vielfach bekämpft wurden, fand der 
Ausbau des Donau - Odercanales nahezu gar keine 
Opposition. 
Bis zum Jahre 1914 kommen daher zur Verbauung 
für die Wasser Strassen : 
Beitrag des Staates . . 175,000.000 K 
Beiträge der Länder . . 21,800.000 „ 
Summa . 196,800.000 K 
Für die Flussregulierungen und Meliorationen berechnete 
der Berichterstatter den in den nächsten 12 Jahren zu 
verbauenden Betrag inclusive die Beiträge der Länder 
auf rund 350 Millionen Kronen. 
Die grossen Aufgaben, die nach Bewilligung der er¬ 
forderlichen Geldmittel zu lösen sein werden, eröffnen 
den österreichischen Technikern ein noch nicht da¬ 
gewesenes Arbeitsfeld. Sie werden auch alle ihnen ge¬ 
stellten Aufgaben getreulich erfüllen und jederzeit des 
energischen Eintretens der hohen Regierung und jener 
Abgeordneten dankbar gedenken, die durch die Ver¬ 
einigung der auf wirtschaftlichem Gebiete vorwärts¬ 
strebenden Kräfte einen der wesentlichsten Abschnitte 
der grossen Aufgaben unserer „gesammten Wasserwirt¬ 
schaft“ zur gedeihlichen Entscheidung brachten, im 
Interesse unseres grossen Vaterlandes. 
Durch die gleichzeitige Bewilligung des Erforder¬ 
nisses für die projectiert.en Eisenbahnbauten bis Ende 
1905 mit 543,127.000 K beginnt dann wieder ein gewaltiger 
Umschwung auf allen Gebieten der mit dem Baugewerbe 
in Zusammenhang stehenden Industrien; der Bau selbst 
und die Production in der Industrie bringt Arbeit und 
Verdienst in alle Schichten der Bevölkerung. Begrüssen 
wir daher auch aus vollem Herzen die Morgenröthe einer 
neuen Zeit der schaffenden Arbeit! 
Die Hauszinssteuer. 
(Referat and Beschluss des 3. Oesterr. Städtetages.) 
II. 
Aber nicht nur unmittelbar bringt die hohe Steuer- 
belast.ung des Mietzinses Wohnungstheuerung und für 
die ärmere Bevölkerung Wohnungsnoth mit sich, sondern 
auch mittelbar. Je höher der Mietzins steigt, je unver¬ 
hältnismässiger der Einkommentheil, der für das Wohn- 
bedürfnis verwendet werden muss, bemessen werden 
muss, desto mehr steigt auch für den Mieter die 
Schwierigkeit, sich den Mietzins durch Verkürzung seiner 
anderen Existenzbedürfnisse abzukargen, desto mehr 
vergrössert sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Miet¬ 
zins vom Mieter nicht entrichtet wird, dass der Mieter 
in Zinsrückstand kommt. Und da die Mietzinssteuern 
vom Vermieter abgeführt werden müssen, auch wenn er 
den Mietzins nicht erhält, der Vermieter also mit der 
Gefahr rechnen muss, nicht nur selbst den Mietzins zu 
verlieren, sondern auch die Steuern dafür aus Eigenem 
tragen zu müssen, so ist es selbstverständlich, dass er 
zum Zins noch eine Risicoprämie für diese Möglichkeiten 
schlägt. Und diese Risicoprämie ist in der letzten Zeit 
gerade durch socialpolitisohe Gesetze, welche den Schutz 
der wirtschaftlich Schwachen bezwecken, durch die Be¬ 
schränkungen der Executionsführung gegen die noth- 
wendige Habe des Schuldners, nicht unwesentlich erhöht 
worden. Denn in den Kreisen der Bevölkerung, um 
welche es sich hier handelt, übersteigt der Hausrath 
selten das Mass des Nothwendigen; es ist daher durch 
diese Executions-Beschränkungen das einzige reale 
Sicherungsmittel des Vermieters bezüglich seiner Zins¬ 
forderung, sein Pfandrecht an den in die Wohnung ein- 
gebrachten Habseligkeiten des Mieters, praktisch auf¬ 
gehoben, und der Vermieter genöthigt, sich wegen et¬ 
waiger Zinsausfälle anderweitig zu decken. 
Schliesslich kann auch nicht verkannt werden, dass 
gerade die zuletzt berührten Umstände auch die Bau- 
thätigkeit in einer für die Wohninteressen der armen 
Bevölkerung ungünstigen Richtung beeinflussen. Es 
lässt sich den Eigenthümern von Mietgebäuden nicht 
verdenken, dass sie das Bestreben haben, nur wirt¬ 
schaftlich besser gestellte Mieter für ihre Wohnungen zu 
erlangen, und dass wenig Neigung besteht, solche Miet¬ 
gebäude zu errichten oder zu erwerben, welche für die 
ärmere Bevölkerung bestimmt sind, deren Verwaltung 
unangenehmer, deren Ertrag unsicherer und deren Steuer¬ 
belastung trotzdem die gleiche ist, wie die der Wohn¬ 
gebäude für bemittelte Mieter. 
So ruft die hohe Mietzinsbesteuerung nicht nur un¬ 
mittelbar, sondern auch in ihren Folgewirknngen, 
Wohnungstheuerung und Wohnungsnoth für die ärmere 
Bevölkerung hervor. Zustände, deren Reformbedürftigkeit 
in den grösseren Städten schon die Volkszählung von 
1890 erwiesen hat und bezüglich deren insbesondere auch 
die Ergebnisse der Volkszählung vom 31. December 1900 
ins Gewicht fallen werden, bei der zufolge einer von der 
Gemeinde Wien gegebenen Anregung eine Wohnungs¬ 
aufnahme stattfand, die voraussichtlich jenes statistische 
Material liefern wird, das erforderlich ist, um der in 
Rede stehenden Frage in jeder Richtung näher zn treten. 
Ein durch bestimmte dauernde Ursachen veranlasster 
Nothstand kann nun nur dadurch gelindert werden, 
dass man diese Ursachen selbst dauernd abschwächt 
oder beseitigt. Die durch den hohen Steuerdruck her¬ 
vorgerufene Wohnungsnoth lässt sich nur durch Ver¬ 
ringerung des Steuerdruckes beheben. 
Wie soll dies aber geschehen? Es drängt sich da 
vor allem der Gedanke einer Differenzierung der Miet¬ 
zinssteuern auf, der Gedanke einer Steuerprogression 
nach Massgabe der Steuerbasis wie er in fast allen 
modernen Steuer- und Gebürengesetzen, auch wenn sie 
Ertragssteuern, wie die Erwerbsteuer, die Uebertragungs- 
gebüren und die Fondabgaben von Verlassenschaften 
betreffen, zum Ausdrucke kommt. Die Steuerbasis für 
ein solches progressives System könnte aber unmöglich 
den Zinsertrag des Gebäudes als Ganzes bilden, da dieser 
Zinsertrag weder auf die wirtschaftliche Lage des Haus- * 
besitzers, noch auf die seiner Mietparteien einen logischen 
Schluss zulässt; ja, man würde dadurch gerade das 
Gegentheil des Bezweckten erreichen, da die Grösse 
der Gebäude, wenigstens in den Städten zur Wohl¬ 
habenheit seiner Mietparteien gewöhnlich in einem um¬ 
gekehrten Verhältnisse steht, und Gebäude für kleine 
Leute schon aus Rücksicht einer möglichst ökonomischen 
Bauführung umfangreich, mit vielen Stockwerken und 
für eine recht grosse Zahl von Bewohnern, kurz als Miet¬ 
kasernen, angelegt zu werden pflegen. Es könnte daher 
nur der Mietzins der einzelnen Wohnung als Steuerbasis 
in Aussicht genommen werden. Und dies würde mit
	        
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