Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Nr. 6. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 43. 
Realcredites sind die Principien der Publicität und der 
Priorität: nur ein im Grundbuche eingetragenes Pfand¬ 
recht gilt und ujiter mehreren eingetragenen Pfand¬ 
rechten entscheidet die Reihenfolge der Eintragungen. 
Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen machen nur 
die Pfandvorrechte öffentlicher, auf der Steuerhoheit be¬ 
ruhenden Forderungen, indem dreijährige Steuerrück¬ 
stände, auch wenn sie nicht einverleibt sind, allen 
bücherlichen Pfandrechten Vorgehen. Die Schaffung eines 
gesetzlichen Pfandrechtes der Bauhandwerker an dem 
Gebäude, für welches sie Werkleistungen unternommen 
haben, würde daher die Grundlagen unseres Realcredit- 
systems untergraben und dadurch unendlich mehr schaden 
als nützen. Denn niemand könnte fürderhin auf eine 
Realität Credit gewähren, von der er nicht mit Zuver¬ 
lässigkeit wissen kann, ob auf ihr nicht stillschweigende 
Pfandrechte für Bauforderungen in unbekannter Höhe 
lasten. Ist es aber auch von vorneherein ausgeschlossen, 
den Bauhandwerkern ein gesetzliches Pfandrecht für 
ihre Bauforderungen einzuräumen, so scheint es doch 
nicht ausgeschlossen, ihnen für diese Bauforderungen 
einen gesetzlichen Pfandrechtstitel zu gewähren, das heisst, 
ihnen die Möglichkeit zu bieten, das Pfandrecht für ihre 
Bauforderungen auch gegen den Willen des Bauunter¬ 
nehmers und ohne gerichtliche Executionsführung zu 
erwirken; denn die Zustimmung des Bauunternehmers 
zur pfandrechtlichen Sicherung ihrer Bauführung wird 
ihnen wohl selten zutheil und die Executionsführung 
kommt regelmässig zu spät. 
Eine wirkliche Sicherung ihrer Bauforderungen wäre 
nur dadurch erreichbar, dass ihnen ein gesetzlicher Pfand¬ 
rechtstitel für ihre Forderungen eingeräumt würde. Aber 
auch dieser Pfandrechtstitel wäre unzureichend, wenn 
er erst zur Sicherung der bereits entstandenen Forde¬ 
rungen geltend gemacht werden könnte; denn in diesem 
Falle könnte die Sicherheit, die in dem Werte des Ge¬ 
bäudes liegt, bereits durch Eintragung anderer Vertrags¬ 
pfandrechte erschöpft sein. Es müsste daher den Bau¬ 
handwerkern ermöglicht werden, bereits auf Grund ihres 
Werkleistungsvertrages mit dem Bauunternehmer eine 
Cautionshypothek in der Höhe des Betrages ihrer ver¬ 
einbarten Bauforderung auf Grund des Gesetzes vor¬ 
merken zu lassen; und damit ihnen dieses gesetzliche 
Schutzmittel nicht durch eine Pression von Seite des 
Bauunternehmers verkümmert werden könnte, müsste 
jede Vereinbarung, durch welche ein Bauhandwerker auf 
die Geltendmachung seines gesetzlichen Cautions-Hypo- 
thekentitels verzichtet, und jede Geschäftsbedingung, in 
welcher ein solcher Verzicht zum Ausdrucke kommt, für 
rechtlich ungiltig erklärt werden. 
Durch Schaffung eines solchen gesetzlichen Cautions- 
titels, dessen Geltendmachung selbstverständlich möglichst 
einfach und billig zu gestalten wäre, und durch gesetz¬ 
lichen Ausschluss jeder dagegen verstossenden Vertrags¬ 
bestimmung, wäre es allein möglich, die Bauhandwerker, 
soweit Gesetze dies überhaupt imstande sind, gegen 
den besonderen Bauschwindel zu schützen, ohne die 
reele Bauthätigkeit schwer zu beeinträchtigen und die 
Grundlagen unseres Realcredites zu zerstören. 
Es wird daher dem österreichischen Städtetage nach¬ 
stehende Resolution zur Annahme empfohlen: 
Resolution: 
1. Es wird an alle competenten Behörden die Auf¬ 
forderung gerichtet, der schwindelhaften Bauthätigkeit 
durch die strengste Handhabung der bestehenden ge¬ 
setzlichen Vorschriften entgegenzutreten. 
2. Es wird an die k. k. Regierung, sowie an die 
Volksvertretung die Aufforderung gerichtet, den For¬ 
derungen der Bauhandwerker für ihre zur Herstellung 
eines Bauwerkes in Anspruch genommenen Werk¬ 
leistungen einen gesetzlichen und durch Vertrag un¬ 
verlierbaren Cautions-Pfandrechtstitel an dem Bauwerke 
im Wege der Gesetzgebung einzuräumen.“ 
Die Resolution wurde ohne Debatte und einstimmig 
angenommen. „Wiener Communalblatt“. 
Mehr künstlerische Oekonomie in Bautischler¬ 
arbeiten. 
(Von Erich Schirmer.) 
Einer der grössten Vorzüge des Holzes ist der, dass 
es schon durch seine blosse Substanz, auch ohne weit¬ 
gehende Ausschmückung schon durch ganz leichte 
Farbengebung dem Auge wohlthut und bei reichlicher 
Verwendung dem Zimmer den Eindruck wohlbehäbiger 
Gemüthlichkeit zu verleihen vermag. 
Natürlich thut es auch beim Holze das Material allein 
nicht; verständige Bearbeitung und Verwendung des¬ 
selben muss vorausgesetzt werden. Wie z. B. bei Wand¬ 
paneelen deren Höhe, Eintheilung und Ausbildung selbst¬ 
redend für jedes Zimmer besonders bestimmt werden, so 
fordern die Abmessungen und die künftige Benutzung 
jedes Raumes, die Lage der Thüren und Fenster von 
vornherein Berücksichtigung. Will man das nicht, will 
man mit einer Schablone für alle möglichen Räume aus- 
kommen, dann unterlässt man freilich besser die An¬ 
wendung eines so edlen Materials, wie das Holz es nun 
einmal ist. Denn nichts sieht schlechter aus, als 
überladene Ornamentik, als Masstabs-Verirrungen oder 
als wenn z. B. die Höhe der Fensterbrüstungen in keiner 
Weise mit den Wandtäfelungen stimmen will, wenn die 
Thüren, wie sie eben liegen, ohne organischen Zusammen¬ 
hang in jene einschneiden, wenn in den Zimmerecken 
die Füllungen plötzlich halb so breit sind, wie in den 
Wandfluchten, weil die Schablone eben für diese Länge 
gerade nicht gepasst hat. Dergleichen Roheiten verträgt 
das Holz nicht. 
Alle Bauglieder eines Hauses sollen eine doppelte 
Function haben: die Erfüllung des praktischen Zweckes 
und die Befriedigung des Schönheitsgefühls. Beide haben 
Hand in Hand zu gehen. Hier ist es, wo der Meister 
durch Beherrschung der Form sein Können durch Ein¬ 
fachheit bethätigen kann. Steht ihm doch ein reich¬ 
haltiges Material von Mitteln zur Verfügung von der 
einfachsten Betonung der Construction bis zur reichsten 
Gliederung, ja bis zur Ueberladung, um die Wirkung 
zum Ausdruck zu bringen, die er gewollt, schlichte 
Einfachheit, würdiger Ernst, üppigste Pracht. 
Ebenso wie die nackte Kahlheit berührt die Ueber¬ 
ladung mit Ornamenten unangenehm. Erfreulicherweise 
nimmt jener Theil des Durchsehnittspubhcums, der auf 
dem Standpunkt steht, die Schönheit eines Bauwerkes 
nach der Grösse und Anzahl seiner ornamentalen Details, 
nicht aber nach der schönen Linienführung der Silhouette 
oder der fein abgewogenen Gruppierung zu beurtheilen, 
mehr und mehr ab. 
Die ästhetische Wirkung beruht auf: 
der Form (Umrisslinie, Silhouette), 
der Vertheilung von Licht und Schatten, 
der Farbe.
	        
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