Seite 42.
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Nr. 6
in der Bauthätigkeit klar zu werden. Alle diese Uebel-
stände lassen sich auf ein gemeinsames Grundübel zurück¬
führen, darauf nämlich, dass die Bauthätigkeit in den
grösseren Städten mehr und mehr in ein ausbeuterisches
Speculantenthum entartet ist, welches nur auf Profit¬
macherei ausgeht, keine moralischen Bedenken kennt
und dem Gesetze ein Schnippchen zu schlagen weiss.
Nach der Verschiedenheit des Vorgehens aber lassen
sich zwei Arten dieses Speculantenthums unterscheiden:
der Bauschwindel im allgemeinen und der besondere
Bauschwindel.
Der erstere begnügt sich damit, die mannigfachen
Beziehungen der Bauthätigkeit zum Wirtschaftsleben im
allgemeinen auszubeuten. Es wird gebaut ohne Rücksicht
auf die wirtschaftliche Bedeutung des Bauens aber in
der Absicht, diese wirtschaftliche Bedeutung möglichst
auszunützen. Es wird schlecht gebaut, mit schlechtem
Material, mit schlechter Arbeit, soweit es nur irgendwie
angeht, um möglichst an Baukosten zu sparen. Und weil
ordentliche Sachverständige sieh zu solchem Gebaren
nicht hergeben, bauen Unbefugte unter der Deckung
von Befugten, von denen sich leider manche dazu bereit
finden lassen. Wer solche Gebäude ersteht, ist ebenso
betrogen, wie der, mit dessen Capital sie belehnt werden,
denn sie sind nicht wert, was sie zu sein scheinen. Oft
sind diese Gebäude geradezu eine Gefahr für Leben und
Gesundheit. Am bedenklichsten wird diese Art des
Bauschwindels, wenn sie von Leuten betrieben wird, die
kein Vermögen besitzen und daher keines zu verlieren
haben. Kaum, dass ein Bau fertig ist, müssen sie streben,
ihn zu veräussern oder zu belasten, um dadurch die
Mittel zu einer neuen Unternehmung gleicher Art zu
gewinnen. So zieht diese Art des Bauschwindels immer
weitere Kreise, neue Speculationen müssen immer wieder
die Kosten der früheren aufbringen und der ganze Ge¬
schäftsbetrieb hat grosse Aehnlichkeit mit Wechselreiterei;
denn, wie diese nur papierene Werte hervorbringt, so
sind auch die Werte, welche ein solcher Bauschwindel
schafft, höchst fragwürdiger Natur.
Während sich diese erste Art des Bauschwindels
noch in den Grenzen wirtschaftlicher Plusmacherei im
allgemeinen hält, hat die zweite Art ganz offenbaren
Betrugscharakter: Der Bauunternehmer geht von vorn¬
herein darauf aus, bestimmte Personen durch seine Bau¬
führung zu schädigen; er will diejenigen, deren Leistungen
er für den Bau in Anspruch nimmt, um die ihnen ge-
bürend vereinbarten Gegenleistungen bringen, indem er
sich im passenden Zeitpunkte für zahlungsunfähig erklärt.
Gewöhnlich gelingt ihm dies sogar in der Weise, dass
er die kritische Grenze des criminalistischen Betruges
und der schuldbaren Orida vermeidet; seine Praktik geht
straflos aus und seine Gläubiger haben das Nachsehen.
Aber selbst wenn er diese haarscharfe Grenze übersehen
sollte, entschädigt ihn die gerettete Beute für das Un¬
gemacht der Strafe, deren Schmach er nicht empfindet.
Die Methode dieser Art des Bauschwindels ist so mannig¬
faltig, wie die Formen des Betruges überhaupt; meist
besteht sie in der rechtzeitigen Aufnahme von Baucrediten,
die nicht zur Deckung von Bauschulden verwendet,
sondern beiseite geschafft werden; oft auch in der Weise,
dass ein zahlungsunfähiger Strohmann als Bauunternehmer
vorgeschoben wird, gegen welchen der eigentliche Bau¬
unternehmer als Baucreditgeber auftritt. Solche Schurke¬
reien sind, wenn sie einigermassen geschickt gemacht
werden, für das Strafrecht wie für das Civilrecht unfassbar.
Wenn nun die Frage aufgeworfen wird, wie gegen
den Bauschwindel Abhilfe geschaffen werden soll, so
muss zwischen den zwei angegebenen Arten desselben
unterschieden werden.
Gegen die erste Art des Bauschwindels dürften die
bestehenden Gesetzesbestimmungen ausreichenden Schutz
gewähren, wenn sie mit aller Strenge gehandhabt werden.
Die Bauordnung, die Gewerbeordnung und das Gesetz
vom 26. December 1893, R.-G.-Bl. Nr. 193, betreffend
die Regelung der concessionierten Baugewerbe, enthalten
vom Standpunkte des öffentlichen und allgemein volks¬
wirtschaftlichen Interesses hinreichende Bestimmungen
darüber, wie und von wem ein Bau geführt werden
darf, um Bauschwindeleien der ersten Art möglichst
hintanzuhalten. Ganz verhindern lassen sie sich natürlich
ebensowenig, wie Gesetzesverletzungen überhaupt. Aber
soweit es überhaupt möglich ist, unerlaubten und schäd¬
lichen Handlungen entgegenzuwirken, kann die Bau¬
ordnung präventiv und die Gewerbeordnung, wie das
Specialgesetz über die Baugesetze repressiv wirken. Nur
müssen die competenten Behörden es sich angelegen
sein lassen, die Bauordnung durch strenge Bauaufsicht
und die Gewerbevorschriften durch strenge Handhabung
der Strafnormen in Achtung zu setzen. Die Baubehörden
haben ihre behördliche Pflicht keineswegs erfüllt, wenn
sie den eingereichten Bauplan nach seiner gesetzlichen
Zulässigkeit und den unterschriebenen Bauführer in Bezug
auf seine Befugtheit prüfen; sie müssen auch über¬
wachen, dass der Bauplan wirklich gesetzmässig aus¬
geführt und von einem befugten Bauführer ausgeführt
wird. Und sie haben bei jeder Gesetzesverletzung in
erstem* Beziehung selbst amtszuhandeln, bei jeder Ge¬
setzesverletzung in letzterer Beziehung die Gewerbe¬
behörde anzurufen. Diese aber hat in solchen Fällen
genau und streng nach den Gesetzesvorschriften vor¬
zugehen, welche gegen unbefugte Bauführer Geldstrafen
bis zu 2000 fl. und Arreststrafen bis zu 6 Monaten, gegen
Deckungspersonen Geldstrafen bis zu 1000 fl. und den
Verlust der Gewerbebefugnis vorsehen. Eine bedeutende
Unterstützung kann den Behörden durch die gewerblichen
Genossenschaften und Vereinigungen gewährt werden,
welche häufig in der Lage sind, Gesetzesverletzungen
zur Anzeige zu bringen und dadurch ihrem Berufsinteresse,
wie dem Interesse der Allgemeinheit zu dienen.
Wenn es aber auf diese Weise möglich sein dürfte,
dem Bauschwindel der ersten Art thunlichst vorzu¬
beugen und entgegenzutreten, so muss zugegeben werden,
dass die bestehenden Gesetze nicht genügen, dem Bau¬
schwindel der zweiten Art erfolgreich zu begegnen. Das
Strafrecht ist unzureichend zur Ahndung und das Oivil-
recht unzureichend zur Verhütung derartiger Schwin¬
deleien. Seit langer Zeit geht daher das Begehren der¬
jenigen, welche den Bau durch ihre Werkleistungen
errichten helfen (der Bauhandwerker), dahin, dass ihnen
ein Vorzugspfandrecht für ihre Forderungen an dem
Bauwerke gewährt werde. Dieses Begehren geht schliess¬
lich auf den Gedanken des römischen Rechtes zurück,
welcher dem ein gesetzliches und sogar ein Vorzugs¬
pfandrecht an einer Sache verleiht, deren Wert er durch
seine Leistung oder Aufwendung erhalten oder wieder¬
hergestellt hat. (D. 20. 4. 6. eius enim pecunia salvam
fecit totius pignoris causam.) Dieser Gedanke des römischen
Rechtes steht aber mit dem germanischen Grundgedanken
des Realcredites in schroffstem Widerspruche. Die Grund-
principien unseres auf germanischem Rechte beruhenden