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ÖBERÖSTERREICHISCHE BAULEITUNG.' JNr. 24.
Thurmwachen, Thurmbrände und Schutz der
Thurmwächter.
Von fachmännischer Seite gieng den „Münchner
Neuesten Nachrichten“ ein Aufsatz zu, in dem recht
beachtenswerte Ansichten über Beibehaltung der Thurm¬
wachen, über Kirchthurmbrände und Schutz der Thürmer
dargelegt sind. So lange die Gebilde von Menschenhand,
mögen sie noch so solid ausgeführt sein, der Gewalt der
Elemente unterliegen, dürfen die Feuerwehren nicht
daran denken, frühere Einrichtungen für überflüssig zu
erachten und gänzlich abzuschaffen. Der Schneesturm
im März 1897 hat die Wahrheit dieser Worte genügend
bewiesen. Der Münchner Feuertelegraph und die Tele¬
phonanlage waren damals trotz ihrer solidesten Aus¬
führung in wenigen Augenblicken zerstört und in wildem
Gewirr lag alles durcheinander. Es dauerte Wochen, bis
diese Anlagen nur einigermassen wieder betriebsfähig
gemacht werden konnten. . Zum Glück gab es damals
wenig Alarme. Wie aber dann, wenn zu jener Zeit
mehrere Grossfeuer entstanden wären? Erst auf Um¬
wegen hätte lange nach dem Entstehen die Feuerwehr
Kenntnis erhalten. Was aber kann eintreten, wenn Hilfe
nicht schnell genug kommt ?! — Bei einer immerhin
möglichen Störung der Feuertelegraphen kann nur der
Thürmer den Brand entdecken und die Alarmzeichen
geben. Damit er sich mit der Feuerwehr im Feuerhaus
verständigen kann, wäre eine Telephonverbindung mit
unterirdischem Kabel (nicht Freileitung) das geeignetste
Mittel.
Wenn nun aber anerkannt werden muss, dass die
Thurm wachen beizubehalten sind, so muss auch für die
Thürmer und ihre Angehörigen gesorgt werden für den
Fall sie selber in Feuersgefahr kommen sollten. Der.
seinerzeitige Brand in der Kreuzkirche zu Dresden hat
zur Genüge gelehrt, dass auch zum Schutze der Thürmer
etwas zu geschehen hat.
Mancher wird fragen, wie ist auf Tliürmen der Aus¬
bruch eines Brandes möglich? Die Antwort lautet: der
Kamin der Thürmerwohnung kann brennend werden
und Funken können in die Dachluken fliegen. Die
Feuerungsanlage kann unvermerkt defect werden. In
der Thürmerwohnung kann eine brennende Lampe um¬
geworfen werden. Trotz einer guten Blitzableitung kann
bei einer ausserordentlichen Entladung ein Blitz zünden.
Spengler, Kupferschmiede können bei ihrer Arbeit mit
Löthöfen unvorsichtig umgehen; Thurmbesucher können
trotz Verbotes brennende Zündhölzchen oder Cigarren¬
stummel wegwerfen. Durch die Thüröffnungen zwischen
Thurm und Langhaus können Brände übertragen werden
und grössere Brände in der Nähe der Thürme können
letztere durch Flugfeuer entzünden. Sollte z. B. der
Petersthürmer in München in Gefahr gerathen, ihm wäre
keine Hilfe zu bringen! Er kann sich weder am Aufzugs¬
seil herunterlassen, noch kann er am Blitzableiter herab¬
klettern; noch viel weniger seine Frau! Die Feuerwehr
hat Schiebleitern mit 24 Meter Höhe; bis zur Gallerie
aber sind 54 Meter, es wären also immer noch 30 Meter
zu erklimmen. Diese 30 Meter könnten nur vorzüglich
ausgebildete Steiger mit WeinhardPschen Steckleitern
oder Gemskrückenleitern erklimmen. Das würde immer
zwei bis drei Stunden erfordern. Kommen sie wirklich
ans Ziel, sind sie so ermattet, dass sie selber der Hilfe
bedürfen. Die Bedrängten könnten sich nur in jene Ecke
der Gallerie flüchten, auf deren Seite der Wind herweht
und von ihnen das Feuer wegtreibt. Die Wasserleitung,
die Schläuche mit Strahlrohren im Innern des Thurmes
nützen wenig. Denn in einem solchen Riesenschlot rast
das Feuer so ungestüm, dass ihm vier Wasserstrahlen
nicht Einhalt thun, geschweige nur ein Strahl, den der
in höchster Angst befindliche Thürmer bedienen kann.
Der Druck der Wasserleitung reicht nicht bis zur Thürmer-
wohnung, es müsste eine grosse gewöhnliche oder die
Dampfspritze dazwischen geschaltet werden, aber es
kann, wenn man die Dampfspritze an die Thurmleitung
anschliesst, bei den Abzweigungen das Wasser auslaufen
und es kommt nicht in die Höhe. Es müssten daher alle
Abzweigungen entfernt werden, denn das sogenannte
Langhaus ist mit den Einrichtungen der Wehr leicht zu
schützen (?). — Um dem Thürmer erfolgreich beispringen
zu können, empfiehlt unser Fachmann in seinem Aufsätze,
an der südwestlichen Ecke des Thurmes eine eiserne
Aufstiegleiter anzubringen, die bis auf drei Meter Abstand
zum Erdboden herabreicht. Die Oeffnungen zwischen
Thurm und Langhaus (Kirchdacli) wären zu vermauern.
Wenn auf dem Frauenthurm je die sehr nöthige Feuer¬
wache wieder errichtet werden sollte, so wäre ebenfalls
eine eiserne Aufstiegleiter anzubringen oder es wären
beide Thürme durch einen Eisensteg zu verbinden,
über den der Wächter flüchten könnte. Diesen Vor¬
schlag hat Oberbaurath Zenetti bereits vor 25 Jahren
gemacht. Beide Frauenthürme wären mit Wasserleitungs¬
röhren zu versehen, die ohne Unterbrechnung bis in die
Höhe reichen, um mittels Dampfspritze das Wasser
emportreiben zu können. Auch hier soll man die Oeff¬
nungen zwischen Thurm und Langhaus vermauern, und
das kolossale Balkenwerk im Thurm und Langhaus und
dessen Holztreppen wären mit feuersicherem Anstrich
zu versehen. Diese Sicherungsmassnahmen sind selbst¬
verständlich auch für andere Städte zu empfehlen, wo
die nie ganz entbehrlichen Thurmwachen und Thürmer-
wolmungen bestehen. (Hier mag auch auf das Werk
„Kirchen- und Thurmbrände“ von R. Fried verwiesen
werden.) L. N.
Bäder und Heilstättenbauten.
•VH.
Oesterreichs Seebäder gehören der jüngsten
Zeit an. Trotzdem kann die Bäderindustrie bereits auf
reiche Erfolge zurückblicken und es ist nur zu wünschen,
dass eben diese guten Ergebnisse zur Gründung neuer
Unternehmungen Veranlassung geben. Was da der Ein¬
zelne nicht zu thun vermag, ist Vereinigungen möglich.
Mit Halbheiten ist in unserer Zeit bei Errichtung der¬
artiger Orte nichts gethan. Das Publicum stellt heute
ganz andere Anforderungen an zweckdienliche elegante
Bauten und Comfort, als dies noch vor wenigen Jahr¬
zehnten der Fall gewesen ist.
Es wird zumeist die begründete Frage zu beant¬
worten sein, ob Oesterreich auch die natürlichen Mittel
besitzt, um eine grössere Entwicklung der Seebäder¬
industrie zu ermöglichen und ob man auch auf eine
hinreichende Förderung und Theilnahme des heimischen
Publicums rechnen kann.
Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass das
wohlhabendere Publicum ein immer grösseres Interesse an
den Seebädern gewinnt, umsomehr als auch die Aerzte
den Seebädern in der Balneotherapie, der Lehre der
Heilung durch Bäder, einen grossen Wert beilegen und