Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Nr. 22. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 171. 
mittel sich bis in das Jahr 1903 erstrecken wird. IJie- 
nach stehen im ablaufenden Jahre zuzüglich des Bedarfes 
für Localbahnen noch folgende Bestellungen in Aussicht: 
Maschinelle Einrichtungen 1*2 Millionen Kronen, 116 
Locomotiven mit Tendern 9#1 Millionen Kronen, 80 Per¬ 
sonen- und 1300 Güterwagen 7H Millionen Kronen, 
Eisenconstructionen 2 Millionen Kronen, zusammen 19*4 
Millionen Kronen. Die rechtzeitige Bewilligung des 
Budgets für das Jahr 1902 würde es überdies der Staats¬ 
eisenbahn-Verwaltung ermöglichen, noch im ablaufenden 
Jahre für die Betriebszwecke der Staatsbahnen mit Be¬ 
stellungen an eisernem Oberbaumateriale im Betrage von 
5*6 Millionen Kronen vorzugehen, so dass also der Ge- 
sammtwert der in den letzten Monaten dieses Jahres zu 
bewirkenden Bestellungen sich auf 25 Millionen Kronen 
belaufen würde. Weitere namhafte Bestellungen sind 
den in Rede stehenden Industriezweigen auch für das 
Jahr 1902 gesichert, wobei indess ebenso wie bei den 
vorerwähnten FahrparkanSchaffungen die Ablieferungen 
und Zahlungen bis in das Jahr 1903 reichen werden. 
Die Wertbeträge dieser Bestellungen dürften sich be¬ 
ziffern bei den maschinellen Einrichtungen auf 4 Mil¬ 
lionen Kronen, welche zu gleichen Theilen auf das Be¬ 
triebsnetz und auf Neubaulinien entfallen, beim Fahr¬ 
park auf 11*3 Millionen Kronen,. wovon 4'4 Millionen 
Kronen für Locomotiven und 6’9 Millionen Kronen für 
Wagen zu verwenden sein werden. An Eisenconstructionen 
für Brücken- und Hochbau könnten im Ganzen 6’5 Mil¬ 
lionen Kronen, und zwar 3*2 Millionen Kronen für das 
Betriebsnetz und 3*4 Millionen Kronen für den Neubau 
aufgewendet werden. Rechnet man hiezu noch den Be¬ 
darf an eisernem Oberbaumaterial für Zwecke des Staats¬ 
bahnbetriebes per 5*5 Millionen Kronen und für Zwecke 
des Neubaues per 5’2 Millionen Kronen, ferner den Be¬ 
darf an Ersatzbestandtheilen für Fahrbetriebsmittel 
(Achsen, Radreifen, Kesselbleche etc.) im Betrage von 
5 Millionen Kronen, so ergibt sich für die im Jahre 1902 
zu bewirkenden und überwiegend im Jahre 1903 zu 
effectuierenden Bestellungen ein Gesammtbetrag von 
37*5 Millionen Kronen. Der Gesammtwert der bei den 
betheiligten Industriezweigen in den restlichen Monaten 
des ablaufenden Jahres, ferner im Jahre 1902 zu be¬ 
wirkenden Bestellungen des Eisenbahnministeriums be¬ 
läuft sich nach dem Gesagten auf 62-5 Millionen Kronen. 
Bäder und Heilstättenbauten. 
Y. 
In Deutschland und Oesterreich war im Mittelalter 
das Badewesen keine allgemeine, gemeinnützige Ein¬ 
richtung. Es wurde zu einem Gewerbe, zu einer Erwerbs¬ 
quelle, und es bildeten sich eigene Zünfte, wie die der 
Bader und Barbiere. Das Baden war, da hiefür bezahlt 
werden musste, nicht Gewohnheit, Vergnügen oder reli¬ 
giöse Pflicht. Man badete nur zu festlichen Gelegen¬ 
heiten, Turnieren, Hochzeiten, und die Bader und ihre 
Gesellen verabsäumten es nicht, sich durch Umzüge und 
Musik in Erinnerung zu bringen. Freilich darf inan sich 
nicht vorstellen, dass diese Bader oder Badestubenbesitzer 
ihre damalige Kundschaft mit einem üppigen Comfort 
umgeben hätten. Von eigenen Gebäuden war auch keine 
Rede. In den hofseitigen Räumen gewöhnlicher Wohn¬ 
häuser wurden die „Badestuben“ in der ursprünglichsten 
Art eingerichtet und Hessen an Reinlichkeit viel zu 
wünschen übrig. Das Wasser, das sehr spärlich zuge¬ 
messen wurde, erhitzte man in Kesseln und schüttete 
es dann in Holzwannen. Ein findiger Bader des 15. Jahr¬ 
hunderts erfand den sogenannten Schwitzkasten, in dem 
der Schwitzlustige mit Ausnahme des Kopfes einge¬ 
schlossen wurde. Es waren dies die Vorläufer der 
modernen Dampfbäder. Da damals selbst in den besseren 
Kreisen der Besitz einiger Stück Leibwäsche, namentlich 
Leinenhemden, ein sehr seltener Schatz war und man 
keine Waschanstalten besass, übernahmen die Bader 
auch das Reinigen der paar Wäschestücke des Bade¬ 
gastes, der so, gänzlich gereinigt, die Badestube ver¬ 
lassen konnte. Selbstredend betrieben die Bader und 
Barbiere noch manch andere Allotria in ihren Bade¬ 
stuben, den feinen Sitten jener Zeit entsprechend. So 
waren die gewerbsmässigen Badestuben zu Unterhaltungs¬ 
orten oft schlimmster Art geworden, in denen alle Laster 
ungescheut geübt wurden. Die Erträgnisse dieser Bäder 
waren daher recht bedeutend, so dass mehrere deutsche 
Landesfürsten sich nicht scheuten, als Monopol das Bader¬ 
gewerbe zu betreiben. Jedenfalls eines der lustigsten 
Staatsmonopole, die je bestanden haben. 
Einen grösseren Umfang nahm der Gebrauch der 
Bäder, als die Krankheit des Aussatzes in Europa von 
Asien eingeschleppt, immer weitere Verbreitung gewann. 
An vielen Orten wurden eigene Badeanstalten für Aus¬ 
sätzige errichtet und auch die Privatwohlthätigkeit Hess 
zahlreiche „Seelenbäder“ erstehen. Diese schrecken¬ 
erregende Krankheit wirkte lähmend auf das allgemein 
verbreitete Badevergnügen mit all den üblichen Aus¬ 
schweifungen. Geistlichkeit und Obrigkeit eiferten gegen 
das zügellose Badetreiben und verfolgten es mit zeit¬ 
lichen und ewigen Strafen. So fand in Mitteleuropa das 
Badewesen gegen Ende des XVI. Jahrhunderts einen 
Niedergang und das öffentliche Badergewerbe sein Ende. 
Auch in Italien erreichte der Bäderunfug seine Höhe. 
Man trieb es dort noch ärger, als einst im Golfe von 
Neapel. Auch da schritt endlich die Behörde ein. 
Hingegen kamen immer mehr die sogenannten „Bade¬ 
fahrten“ auf, das ist der Besuch von Heilquellen. Ourorte 
mit allen heute üblichen Einrichtungen gab es damals 
freilich noch nicht, und so war der Besuch von Heil¬ 
quellen nur den ersten Ständen ermöglicht, da eine der¬ 
artige Fahrt selbstredend grosse Summen erforderte und 
nur in Begleitung eines Gefolges von Dienern und Pferden 
möglich war. Man musste Zelte, Proviant und Wein und 
alle anderen Lebensbedürfnisse mitführen, da derartige 
Quellen abseits von bewohnten Orten lagen. An Orten, 
deren Thermen einen gewissen Ruf erlangten, entstanden 
daher zur Sommerszeit ganze Zeltstädte und entwickelte 
sich ein lustiges Leben. Viele dieser Thermen, deren 
Heilkraft durch Jahrhunderte erhalten ist, haben sich zu 
modernen Heilstätten entwickelt. 
Es war England Vorbehalten, die Einrichtung öffent¬ 
licher Bäder im XVIII. Jahrhundert wieder zu beleben. 
Das meerumgürtete Inselland, das verhältnismässig wenig 
veränderliche Klima Altenglands wies auf die See hin 
als ein sich stets erneuerndes heilkräftiges Bad. Beson¬ 
ders der niedrige, sich einer herrlichen Flut erfreuende 
Oststrand erwies sich für Seebäder sehr geeignet, und 
um 1760 bestanden bereits die Bäder um Brighton, 
denen nach Jahrzehnten die auf der Insel Wight u. a. o. 
folgten, die heute zu denen von der vornehmen Gesell¬ 
schaft des vereinigten Königreiches und des Continentes 
meistbesuchten der Welt zählen. Die Seebäder sind da¬ 
her in der Neuzeit die ältesten öffentlichen Badeanstalten,
	        
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