Volltext: V. Jahrgang, 1900 (V. JG., 1900)

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V. Jahrgang, Nr. 10. 
Linz, 15. Mai 1900. 
Öberösterreichische Bauzeitnng 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“ 
Redaction und Administration: LINZ, Mozarztstrasse 28. — Herausgeber und Verleger: EDUARD KORNHOFFER. 
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Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
j ganzjährig mit K 20.— / ganzjährig mit . K 16 
für die halbjährig . . „ 10.— für | halbjährig . . . „ 8 
i ovinz | vierteijährig . „ 5.— 000 \ vierteljährig . . „ 4 
Erscheint am 1. und 15. 
Monat. 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Mozartstrasse 28, ferner bei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reclamationen und Beschwerden direct an uns erbeten. 
Inhalt. Ländliche Wohngebäude. — Wohnungseinrichtungen. — Aus 
den Gemeinderaths-Sitzungen in Linz. — Local-Baunotizen. — Technische 
Neuigkeiten. — Briefkasten. — Offene Stellen. — Angesuchte Baulicenzen 
in Linz. — Anmeldungen für Wasserbezug. — Inserate. 
Ländliche Wohngebäude in Oberösterreich. 
Von einem Stadtbaumeister. 
Um den benannten Gegenstand gehörig würdigen zu 
können, wird es nothwendig sein, in Kürze zu beleuchten, 
wie die jetzt noch häufig vorkommenden Formen länd¬ 
licher Gebäude in Oberösterreich nach und nach sich 
entwickelt haben. Im Mittelalter sehen wir die einzelne 
Landbesitzung des Adels befestigt, mit Mauern und 
Thürmen eingeschlossen, zu einer sogenannten Burg ge¬ 
staltet, welche die Wohn- und Wirtschaftsgebäude, sowie 
die kleine Kirche oder Kapelle, die dabei nie fehlte, in 
sich vereinigte. — Die Hörigen bauten sich in schlechten 
Hütten rings um die Burg an, damit sie ihr Herr schütze, 
und es kann demnach von ländlichen Wohngebäuden im 
jetzigen Sinne des Wortes zur damaligen Zeit nicht die 
Rede gewesen sein. 
Es ist aber bei der Anlage der Burgen zu bemerken, 
dass sie stets auf einem Orte, welcher so viel als irgend 
die Gegend zuliess, eine grosse Fernsicht gewährte oder 
bei flacher Umgebung doch immer an einem von der 
Natur ausgezeichneten schönen Platz erbaut wurden. 
Vorzüglich wählte man dazu hohe Punkte, Felsen oder 
wenigstens Hügel. Die Ursache dieser Wahl gründete 
sich in jenen unruhigen Zeiten allerdings nur auf Sicher¬ 
heit der Lage. Daher finden wir z. B. in Ländern, wo 
flache, sumpfige Gegenden häufig sind, dass dergleichen 
Besitzungen mitten in Sümpfe hin eingebaut waren. Neben 
der grossen Annehmlichkeit, welche eine schöne Fernsicht 
gewährt, besonders wenn Abwechslung damit verbunden 
ist, ist auch noch sehr zu berücksichtigen, wie wesentlich 
einö freie schöne Aussicht auf die Heiterkeit des Geistes 
und folglich auf die Gesundheit des Körpers und der 
Seele einwirkt. Diese Rücksicht wird in unseren Tagen 
von den Gutsbesitzern höchst selten oder gar nicht ge¬ 
nommen, denn der rationell gebildete Landwirt des 
20. Jahrhunderts ist vollkommen beglückt, wenn er un¬ 
mittelbar unter den Fenstern seines Wohngebäudes den 
wohlgefüllten Düngerplatz seines Gehöftes vor Augen hat. 
Dieser Anblick und das damit in Verbindung stehende 
Aroma ersetzen ihm hinlänglich jede Fernsicht auf Ströme, 
Flüsse und Berge; weil er nach einem sehr richtigen 
Schlüsse davon nicht leben kann, wohl aber von einem 
Berge Humus. Als die Gewalt des Ritterthums gebrochen 
war, die Städte sich zu erheben anfiengen und der Land¬ 
adel keine Burgen mehr nöthig hatte, entstanden Dörfer 
mit den sogenannten Schlössern der Besitzer. Die für 
die Bewirtschaftung unbequemen Burgen waren grössten- 
theils zerstört und wo sie es nicht waren, verliess man sie 
freiwillig und baute sich den neuen Wohnsitz in der Ebene. 
Das neu auf blühende Geschlecht hatte seinen vater¬ 
ländischen Baustil verlassen und wir sehen von der Mitte 
des siebzehnten Jahrhunderts an den bei den Kirchen 
und öffentlichen Gebäuden bereits eingeführten italie¬ 
nischen und noch mehr den französischen Baustil bei 
den grösseren Wohngebäuden auf dem Lande als Vorbild 
dienen. Namentlich im letzten Jahrhundert baute man 
in diesen Formen und nahm, theils weil man aus früheren 
Zeiten daran gewohnt gewesen, theils von missver¬ 
standener Raumgewinnung getrieben, die hohen Dächer 
(welche als Strohdächer auf den Scheunen und Ställen 
ganz passend waren) und besonders die schrecklichen, 
jede architektonische Form zerstörenden Mansarden 
oder gebrochenen Dächer, mit auf, und je höher ein 
solches Haus wurde, umsomehr freute sich der Besitzer 
über die Pracht seines Hauses. 
Man hatte aber vergessen oder man wusste nicht, 
dass diese hohen gebrochenen Dächer ursprünglich dazu 
erfunden waren, um auf den fünf oder sechs Stockwerke 
hohen Pariser Wohngebäuden noch ein vermietbares 
Stockwerk zu gewinnen, ohne der Festigkeit der leicht 
gebauten Häuser zu schaden. Wie wir aber gewohnt sind, 
alles auf Treu und Glauben nachzuäffen, so wurden diese 
hohen, wunderbar scheusslich aussehenden Mansarddächer 
so Mode, dass man wohl schwerlich ein bedeutendes 
Landhaus des vorigen Jahrhunderts ohne diesen ein¬ 
gebildeten Schmuck gewahren wird. Ausserdem hatte 
man bei ihrer Anwendung noch einen anderen Umstand 
gänzlich ausseracht gelassen. Die hohen Mansardendächer 
waren, wie oben erwähnt, für städtische Wohngebäude 
mit vielen Stockwerken bestimmt, wo sie im Vergleich 
zu den hohen Häusern und von verhältnismässig engen 
Strassen aus gesehen, viel von ihrem überwiegenden 
Verhältnis verloren; allein da die Landgebäude vermöge 
ihrer Bequemlichkeit und aus anderen Ursachen ge¬ 
wöhnlich nur ein Stockwerk hoch wurden, so war es 
ganz natürlich, dass als man dem ungeachtet die hohen 
Häuser beibehielt, jene schauderhafte Form der Land¬ 
häuser entstehen musste, welche man durch einen grossen 
Theil unseres Landes verbreitet sieht. 
Hiezu kam noch die sogenannte Nützlichkeitstheorie, 
welche vom Anfang des vorigen Jahrhunderts an jeder
	        
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