Volltext: V. Jahrgang, 1900 (V. JG., 1900)

Nr. 6. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 45. 
Neuerliche Versuche mit Telegraphie ohne Draht 
wurden in Chamounix und auf dem Gipfel des Montblanc 
angestellt und lieferten sehr günstige Resultate. Der be¬ 
sondere Vortheil hierbei lag in dem Umstande, dass die 
beiden Stationen, obwohl zwölf Kilometer von einander 
entfernt, doch deutlich für einander sichtbar waren, 
während gleichzeitig die ausserordentliche Höhendifferenz 
von 3350 Meter Gelegenheit zu hervorragend interessanten 
Beobachtungen gewährte. Der 25 Meter hohe Drahtmast 
war in einem Winkel von 30 Grad gegen den Erdboden 
geneigt. Wolkenbildung beeinflusste die Uebermittlung 
gar nicht; dagegen waren gewisse Beeinflussungen durch 
atmosphärische Elektricität erkennbar, die jedoch nie 
stark genug wurden, einen telegraphischen Verkehr 
gänzlich zu verhindern. Die grössten Störungen rief da¬ 
gegen die elektrische Lichtanlage in Ohamounix mit ihrem 
Dreiphasensystem hervor. Nachtversuche waren dadurch 
völlig ausgeschlossen. 
Hochofengase. In unserer Zeit, wo jede natürliche 
und künstliche Energiequelle zu industriellen Zwecken bis 
aufs äusserste ausgenutzt, wo jede noch so geringe 
Steigerung der Leistungsfähigkeit der Kraftmaschinen 
mit Freude begrüsst wird, ist es doppelt befremdlich zu 
hören, welche ungeheure Mengen von Energie bisher bei 
der Eisengewinnung alljährlich verschwendet worden sind. 
Ein Hochofen mit einer wöchentlichen Production von 
600 Tonnen Roheisen liefert bei einem gleich hohen 
Verbrauche an Kohle 20.000 Cubikmeter, Gas pro Stunde. 
Von dieser riesigen Gasmenge wird nur ein Drittel zur 
Speisung des Gebläses verwendet, der Rest geht in die 
Luft. Dieser Rest stellt aber, wenn er in geeigneten 
Maschinen zur Erzeugung von Kraft verwendet würde, 
einen Energiebetrag von 3500 bis 4000 Pferdekräften dar- 
— Erst jetzt ist es gelungen, diese Hochofenabgase 
nutzbar zu machen. Eine internationale Gesellschaft hat 
sich gebildet, der auch die Firma Siemens & Halske an¬ 
gehört;, wenn die zur Verfügung stehenden Maschinen 
das leisten, was von ihnen erwartet wird, kann die Ge¬ 
sellschaft gute Geschäfte machen. 
Theater, die im Kirchenstile erbaut sind, mit Thürmen, 
Säulen etc., dürfte es wohl schon mehrfach geben. Neu 
dagegen ist die Idee der Erbauung einer Kirche mit 
Bühne, Parketklappsitzen, Logen, Garderoberäumen, wie 
ein richtiges Theater. Eine Baptisten-Gemeinde im Staate 
Ohio (Amerika) hat diesen wunderlichen Gedanken ver¬ 
wirklicht. Der Prediger steht auf der Bühne statt auf 
der Kanzel. Der Chor nimmt vor der Bühne denselben 
Raum ein, der im Theater für das Orchester bestimmt ist. 
Das Scliieneimetz von Asien — wenn man von einem 
solchen überhaupt schon sprechen darf — hat eine Länge 
von 48.000 Kilometer, von denen zwei Drittel auf Britisch 
Indien entfallen. Die sibirische Bahn umfasst bereits 
5100 Kilometer. In China haben die verschiedenen Syn- 
dicate von Europäern und Amerikanern Concessionen 
für etwa 5800 Kilometer erlangt, die zum grössten Theile 
schon in Angriff genommen sind. Die chinesische Re¬ 
gierung selbst besitzt bisher nur 480Kilometer Eisenbahn; 
diese Strecken rentieren sich aber ausgezeichnet, zuma} 
die zwischen Peking und seinem Hafen Tientsin. Japan 
ist -schon reichlich mit Bahnen versehen, die sich über 
5000 Kilometer erstrecken. In den französischen Oolonien 
Asiens sind die Schienenwege bislang noch auf eine Länge 
von 200 Kilometer beschränkt; dagegen sind bereits 
nahezu 4000 Kilometer in Oochinchina, Annam und Tonkin 
im Baue, von deren Einfluss auf die Aufscldiessung und 
Entwicklung dieser Länder die Regierung sich viel ver¬ 
spricht. Civilisiert, wie Ostindien, sind auch die hol¬ 
ländischen Besitzungen, vor allem Java, das allein 1600 
Kilometer Eisenbahn aufweist. Alle die Länder bleiben 
freilich weit hinter den indischen Bahnen zurück, deren 
Länge 34.000 Kilometer beträgt. Persien zählt vorläufig 
noch nicht mit. Die Türkei dagegen ist in Begriff, den 
schon bestehenden 2400 Kilometern Eisenbahnen neue 
grosse Linien, von deutschen Gesellschaften erbaut, hinzu¬ 
zufügen. 
Pariser Weltausstellung. Es dürfte unsere Leser 
interessieren, zu hören, dass schon im Januar vorigen 
Jahres 2558, im Juli 4597 und im October über 6000 Ar¬ 
beiter auf dem Terrain der Pariser Weltausstellung be¬ 
schäftigt waren. — Auch über die Wasserversorgung des 
Riesenunternehmens erfahren wir, dass etwa 8,000.000 
Cubikmeter durch die Speisepumpen der zahllosen Dampf¬ 
maschinen fliesse.n werden. Für Trinkwasser für die Be¬ 
sucher, sowie für das zum Besprengen der Wege und 
Anlagen nöthige Nass werden zwei am Seineufer auf¬ 
gestellte Dampfpumpen sorgen, die die Stadt Paris stellt, 
die überhaupt das Trink- und Besprengungswasser für die 
Ausstellung liefert. Der Grösse der verbrauchten Wasser¬ 
mengen entsprechend wird das Hauptrohr eine Weite 
von 60 Centimeter haben. 
Wie viel Staubkörnchen sind in einem Cubikmeter 
Luft ? Es ist niemandem übel zu nehmen, wenn er darauf 
antwortet: „Verzeihen Sie, ich weiss es nicht!“ — Die 
betreffenden Versuche sind von englischen Physikern vor 
mehreren Jahren vorgenommen worden, und zwar zum 
grössten Theile auf dem Ben Nevis, dem höchsten Gipfel 
des schottischen Hochlandes. Am merkwürdigsten ist die 
ausserordentliche Verschiedenheit der erhaltenen Re¬ 
sultate im Verlaufe weniger Stunden. So wurden üm 
8 Uhr morgens 300, um Mitternacht 600, um 1 Uhr nachts 
dagegen 14.400 Stück ausgewachsener Staubkörner in 
einem Fingerhut voll Luft vorgefunden. Dass letztere Zahl 
für einen Grosstädter noch fast chemisch reine Atmo¬ 
sphäre bedeuten würde, ist aus den in London und Paris 
angestellten Versuchen zu ersehen, von denen erstere 
100.000 Partikelchen, die französische Luft noch mehr in 
demselben kleinen Raume ergab. Bei diesen „Riesen¬ 
mengen fester Substanz“, die demnach jeder Grosstädter 
in wenigen Secunden in sich aufnimmt, ist es wirklich 
wunderbar, dass man doch noch- ab und zu so etwas wie 
Hunger empfindet. 
Erbohruiig des Gravelials-Tunnels der Bergener 
Bahn in Norwegen. Im Publicum herrschen meist recht 
übertriebene Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit 
der zur Erbohrung von Tunnels verwendeten Bohr¬ 
maschinen gegenüber der Arbeit von Menschenhand. 
Mancher hat sich wohl schon gewundert, dass trotz der 
Anwendung dieser Maschinen so ein paar lumpige Kilo¬ 
meter mehrere Jahre zu ihrer Erbohrung bedürfen. Inter¬ 
essant ist da der Vergleich zwischen maschineller und 
menschlicher Leistungsfähigkeit bei Tunnels, für die beide 
zur Anwendung gelangen, wie es zum Beispiel bei dem 
augenblicklich in der Erbohrung begriffenen langen 
Gravehals-Tunnel der Bergener Bahn in Norwegen der 
Fall ist. Derselbe soll 5320 Meter lang werden und wird 
an der einen Seite durch elektrische Bohrmaschinen, die 
durch künstlich aufgestaute Wasserkraft getrieben werden, 
am anderen Ende durch Handarbeit vorgetrieben. Dabei 
ergibt sich für letztere ein Tagesresultat von 0*90 Meter, 
bei einem Dynamitverbrauche von circa 1 Kilogramm pro
	        
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