Volltext: V. Jahrgang, 1900 (V. JG., 1900)

Seite 30. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 4. 
Technische Neuigkeiten. 
Mitgetheilt vom Internationalen Patentbureau IL Fr. Reichelt in 
Berlin NW. 
Rauchentwicklung, Leuchtgas. In höherem Masse 
noch, als die englischen Fabriksstädte Birmingham, Leeds, 
Sheffield, hüllt sich die schottische Metropole der Industrie, 
das rauchgeschwärzte Glasgow, in eine mehr von der 
gewerblichen Strebsamkeit seiner Bewohner, als von 
ihrem Sinn für hygienische Lebensweise zeugende Atmo¬ 
sphäre. Zum grossen Theil trägt die starke Rauchent¬ 
wicklung der zahllosen Fabrikschornsteine und die Ab¬ 
gase der Hochöfen zu dieser Luftverschlechterung bei. 
Ein bedeutender Factor ist aber auch die ausgedehnte 
Erzeugung und Verwendung von Leuchtgas in den aus¬ 
gedehnten Fabrikbetrieben sowohl wie in den Privat¬ 
häusern, die dabei mitwirkt, die Glasgower Luft in ein 
nahezu greifbares, mit dem Messer zu schneidendes 
Etwas zu verwandeln. Und doch wurde einstmals gerade 
in Glasgow den kühnen Neuerern, welche die qualmende 
Oellampe und die flackernde Kerze durch die leuchtende 
Gasflamme verdrängen wollten, starke Opposition ge¬ 
macht; die stärkste vielleicht gerade von dem schwächeren 
Geschlecht. Ein Materialwarenhändler war der Muthige, 
der zuerst seine drei Unschlittkerzen durch ebenso viele 
Gasflämmchen zu ersetzen sich unterfieng. Sofort erhob 
sich lebhafter Widerspruch gegen diese gesundheits¬ 
schädliche Neuerung unter seiner weiblichen Kundschaft, 
welche erklärte, das giftige Gas werde seinem Thee das 
Aroma und seinem Berghonig wie seinem Rohrzucker die 
Frische rauben, und es sei daher unmöglich, ferner bei 
ihm zu kaufen. Die jüngeren unter den Gasgegnerinnen 
bekehrten sich zuerst, als hinter jeder Gasflamme ein 
Spiegel aufgestellt wurde, und bald hatte der unter¬ 
nehmende Kaufmann gewonnenes Spiel. :— Ihm folgten 
bald darauf die Directoren des königlichen Theaters, die 
eine Ankündigung in den Zeitungen erliessen, dass am 
18. September 1818 zur Aufführung einer MozarPschen 
Oper zum erstenmal die grosse Krystallkrone an der 
Decke des Zuschauerraums im Glanz unzähliger Gas¬ 
flämmchen erstrahlen würde. 
Der Haiipteingang zur Pariser Weltausstellung. 
Wir erläutern heute unseren Lesern den Haupteingang 
zur Pariser Weltausstellung, wie er sich den Millionen 
Besuchern der grossen Völkerschau in diesem Jahre all¬ 
abendlich präsentieren wird. Im Glanze unzähliger Glüh¬ 
lampen strahlend, von hohen Masten herab mit dem Licht 
mächtiger Scheinwerfer überflutet, wird sich ein Wunder¬ 
bau von phantastischer Schönheit vor dem Eingänge 
in das Industrieparadies erheben, das die Stadt Paris 
für die kurze Spanne Zeit von nur sechs Monaten 
an den Ufern der Seine geschaffen hat. Es ist so natür¬ 
lich, den Raum, von dem aus ein jeder die Weltaus¬ 
stellung zum ersten Male betritt, durch ein in grossem 
Masstabe gehaltenes architektonisches Werk hervorzu¬ 
heben, dass man sich wirklich wundern muss, dass dies 
bisher nie geschehen ist. Alle vorangegangenen Welt¬ 
ausstellungen starrten mit ihren mehr oder weniger 
künstlerisch verzierten Schaltern in das Getriebe der 
Grosstadt hinein, und ohne Uebergang, ohne jede Vor¬ 
bereitung wurde der Besucher aus der Welt des alltäg¬ 
lichen Lebens in die märchenhafte Ooulissenwelt der 
Riesenschau hineingeführt. Dieser Fehler ist, wie so 
viele andere, diesmal vermieden worden. Nach einstim¬ 
migem Urtheil aller Betheiligten hat der mit der Schaffung 
des monumentalen Eingangsbaus auf dem Place de la 
Concorde betraute Künstler, der noch junge Architekt 
Binet, seine Aufgabe in ebenso glänzender wie origineller 
Weise gelöst. Das von ihm geschaffene monumentale 
Bauwerk ist in der That geeignet, den naiven Besucher 
der farbenprächtigen Eintagswelt, zu der es den Zugang 
bietet, in die richtige Stimmung zu versetzen. Vier 
mächtige Bogen, mit spitzenzarten Ornamenten besät 
und leuchtend in prächtigen Farben, tragen eine stumpfe 
Kuppel, die ebenso wie die sie stützenden Wände 
von teppichähnlichen Ornamenten überzogen ist. Glüh¬ 
lämpchen umsäumen alle Architectur-Linien des Baus 
und klettern bis zu der Industriegöttin empor, die die 
Krönung des Eingangsbogens überragt. Nach beiden 
Seiten streckt dies Märchenthor friesengeschmückte, in 
hochragende Leuchtthürme auslaufende Rundgänge wie 
Fangarme in den vorüberflutenden Menschenstrom hinein. 
Unter der Kuppelhalle hindurchschreitend, gelangt man, 
an statuengeschmückten Nischen vorbei, zu den achtund¬ 
fünfzig Schaltern, deren Durchlässe strahlenförmig sich 
hinter dem Eingangsportal ausbreiten. Die grosse Zahl 
der Eingänge zeigt, auf welche Besuchsziffern man in 
Paris vorbereitet ist. Hoffen wir, dass das Riesenunter¬ 
nehmen, seinen Veranstaltern zur Ehre, allen Völkern 
zum Nutzen, ungestört sein kurzes Leben geniesse. 
Wertgegenstände. Die Londoner Stadtverwaltung 
verauctioniert alljährlich die Wertgegenstände, die sich 
in den Müllkästen und Abräumcanälen der Millionenstadt 
angefunden haben, und erzielt damit ganz hübsche Ein¬ 
nahmen. Es wurden in einem der letzten Jahre erzielt für 
Papier und Karton . . . 
. 12500 Mark 
Lumpen 
. 1000 
Flaschen ........ 
. 2300 
Bindfaden 
. 3600 
Korken und Wachs . . . 
. 1100 
Altes Eisen 
. 1500 
Glas 
. 2000 
V 
Bürsten 
. 100 
r> 
Knochen 
. 700 
Blei . 
. 500 
Zinn und Zink 
. 300 
Holz 
. 300 
Messer, Stiefel, Büchsen . 
. 700 
V 
Werkzeuge, Gummi , . . 
. 100 
Asche . . 
. 23000 
Trotzdem die Mascliiiienindustrie und zumal der 
Locomotivbau in Deutschland in höchster Blüte stehen, 
hat doch Amerika in Bezug auf Dimensionen und Ge¬ 
wicht einzelner dort hergestellter Maschinen noch fast 
immer den Vogel abgeschossen. Jetzt ist es wieder ein¬ 
mal die augenblicklich stärkste Locomotive der Welt, 
die aus einer amerikanischen Werkstätte hervorgegangen 
ist. Diese Riesenmaschine wiegt über 100 Tonnen, ihre 
Länge mit dem Tender zusammen beträgt etwa 10 Meter. 
Der Mittelpunkt des Kessels liegt beinahe 3 Meter, die 
Schornsteinspitze 4x/2 Meter über den Schienen. Der 
Dampfdruck ist 99 Kilogramm auf den Quadratcentimeter, 
die Heizfläche beträgt 310 Quadratmeter; der Tender 
fasst 32.000 Liter Wasser und 12 Tonnen Kohle. 
Auf den Schienenwegen Grossbritaimiens laufen 
19.914 Loeomotiven, von denen im Durchschnitte jede 
im Jahre 19.096 englische Meilen zurücklegt und für 
diese Leistung eine Einnahme von 91.460 Mark erzielt. 
Jede Meile, die die Locomotive zurücklegt, bringt ihr 
also 4*70 Mark Bruttogewinn. Natürlich leisten die Loco-
	        
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