Volltext: V. Jahrgang, 1900 (V. JG., 1900)

Seite 28. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEIT UN G. 
Nr. 4. 
um vergleichen zu können, wie weit sich die bereits 
durch die Königliche Prüfungsstation bei künstlich herbei¬ 
geführter Beanspruchung erwiesene Frostbeständigkeit 
mit dem Befunde bei der praktischen Verwendung der 
Steine deckt. Es sind hier in Coswig in Anhalt zur Zeit 
wohl mindestens circa 600.000 derartige Steine vermauert 
und zwar zu Häusern, bei denen solche Steine sowohl 
ausschliessliche Aussenfläche als auch Hintermauerung 
bilden, zu Gartenmauern, bei welchen diese Steine bis in 
die Erde hinab verwendet sind und gleichzeitig die sonst 
durch nichts geschützte obere Abdeckung bilden, zu 
Brunnenkesseln in Fabriken, in denen das zeitweise heiss 
zufliessende Dampfwasser steigt und fällt, sodass ständiges 
Frieren und Aufthauen der Steine eintreten muss, zur 
Herstellung von Trottoirpflaster etc. etc. Dabei ist unter 
diesen so zahlreich und unter schwierigsten Bean¬ 
spruchungen verwendeteten Kalksandsteinen auch nicht 
ehr einziger anzutreffen, an dem irgend eine Beschädigung 
durch Frost eingetreten wäre, trotzdem theilweise an 
Tagen gemauert worden ist, denen stärkere Nachtfröste 
direct folgten. 
Mein Urtheil in Bezug auf die Frostbeständigkeit der 
Kalksandsteine kann ich auf Grund dieser Beobachtungen 
dahin abgeben, dass sich dieselben auch überall da ganz 
vorzüglich gehalten haben, wo man sonst nur Thon-, 
resp. Lehmsteine von sehr guter Qualität verwenden 
darf, wenn Frostschäden nicht mit voller Sicherheit ein¬ 
treten sollen. Ich werde diese Steine auf Grund meiner 
gemachten Beobachtungen ruhig zu jedem Mauerwerke 
verwenden, bei welchem weitgehendste Haltbarkeit in 
Bezug auf volle Frostbeständigkeit Bedingung ist.“ 
Maurermeister Kunad. 
Von der Pariser Weltausstellung 1900. 
Mitgetheilt vom Internationalen Patentbureau Carl Fr. Reichelt, 
Berlin NW. 6. 
VII. 
Während auf der Ausstellung von 1889 dem Eisen 
der Löwenantheil an der Architektur der Ausstellungs¬ 
gebäude. zufiel, den es sich auch auf der Chicagoer Welt¬ 
ausstellung erstritt, wird das Jahr 1900 wieder Stein und 
Stuck zu Ehren gebracht sehen. Wenn man von den 
beiden der Kunst geweihten Palästen absieht, die, zu 
ewiger Dauer bestimmt, in kostbarem Sandstein massiv 
aufgebaut werden, verdanken die Ausstellungspaläste in 
Paris in diesem Jahre ihre prächtigen Formen, ihre 
reichgegliederten Fanden und ihre überaus reiche Deco- 
ration fast ausschliesslich der Kunst des Stuckateurs, der 
das Eisengerippe der grossen Hallen, Tliürme und Kioske 
mit seinem leicht formbaren Material bedeckt.. In besonders 
hohem Grade tritt die Fähigkeit des künstlerisch be¬ 
handelten Bewurfs, reiche ornamentale Wirkungen an 
Gebäudefronten zu erzielen, an dem Palais des Mines et 
de la Metallurgie hervor. Dieser mit seinen gewaltigen 
Portalbogen und der breit dahinter aufsteigenden Kuppel 
an die russisch-oriehtalische Architektur erinnernde Palast 
wird nach den Plänen des Architekten Varcollier erbaut. 
Sein Kuppelthurm wird ein drei volle Octaven umfassendes 
Glockenspiel enthalten, dessen tiefste Glocke 112 Centi- 
meter Mündungsweite besitzt und 840 Kilogramm wiegt. 
Die Kosten des fertigen Gebäudes sind auf ls/4 Millionen 
Francs veranschlagt'— eine riesige Summe für ein Ge¬ 
bäude, das nur für ein halbes Jahr erbaut wird. 
Die Beleuchtung der Pariser Weltausstellung wird 
nicht weniger als 20.000 Pferdekräfte beanspruchen. 
Lächerlich klein erscheint neben dieser Zahl diejenige 
von 135 Pferdekräften, welche auf der Ausstellung von 
1855 die gesammte bewegliche Kraft darstellten. Auf der 
Ausstellung von 1867 brauchte man schon 662, auf der 
von 1878 2500 und auf der von 1889 5500 Pferdekräfte. 
Die Kräfteentrale der Pariser Weltausstellung 
wird eine Länge von etwa 400 Meter und eine Breite 
von 40 Meter haben. Sie wird 4500 Pferdekräfte durch 
Dampf und 25.000 Pferdekräfte durch Elektricität er¬ 
zeugen. Der Dampf wird eine Pressung von 142 Pfund 
auf den Quadratzoll haben. Elektricität kommt mit 
Spannungen von 125, 250 oder 500 Volt für directen, und 
von 2200 Volt für Wechselstrom zur Verwendung. Der 
Preis für die Dampf kraft wird sich, je nach Grösse der 
Maschine, auf 51/2 bis 21/4 Pfennig stellen. 
Die Abtheilung für Bergbau der Pariser Weltaus¬ 
stellung wird allem Anschein nach eine ausserordentlich 
reichhaltige und sehenswerte werden und sie wird nament¬ 
lich dem Laien ein sehr anschauliches Bild einer Grube 
bieten. Wie wir vernehmen, soll eine Schachtanlage mit 
aller zugehörigen Maschinerie (Fördermaschine, Wasser¬ 
haltungsmaschinen, Ventilatoren etc.) angelegt werden. 
Von diesem Schacht aus sollen sich verschiedene Stollen 
abzweigen und in denselben sollen verschiedene Arten 
des Bergbaues (z. B. Kohlenbergbau, Goldbergbau in Trans¬ 
vaal etc.) unter möglichst naturgetreuen Bedingungen 
dem Besucher vorgeführt werden, Ein Theil der Kata¬ 
komben von Paris soll für den beschriebenen Zweck 
herangezogen werden. 
Mit wieviel Schwierigkeiten auch heutzutage noch, 
wo die enorme Entwicklung der Technik geradezu Wunder 
vollbringt, die Verschiebung grosser Eisencon- 
structionen verbunden ist, zeigt das Ergebnis zweier 
derartiger Versuche allergrössten Masstabes, die vor 
nicht langer Zeit auf dem Terrain der Pariser Welt¬ 
austeilung vorgenommen wurden. Bei dem ersten 
handelte es sich darum, der berühmten Maschinengallerie 
der vorigen Weltausstellung einen andern Platz anzuweisen. 
Das Riesengebäude spottete aber aller Angriffe der In¬ 
genieure und musste anf seinem alten Platze belassen 
werden. Mehr Erfolg hatte die darauf unternommene 
Umsetzung der sogenannten Dreissig-Meter-Gallerie, eines 
gleichfalls umfangreichen Oomplexes in Eisenconstruction 
von 150 Meter Länge und 30 Meter Breite. Dieselbe sollte 
einen Theil des Maschinenpalais auf der linken Seite des 
•Champ de Mars bilden, und es erschien vortlieilhafter, 
es im ganzen dort hinüber zu transportieren, als es erst 
niederzureissen und, dann dort wieder aufzubauen. Nach 
Abtragung der Kuppel und der Mauern war das Eisen¬ 
gerippe in 3 Sectionen von je 25 Metern Länge freigelegt. 
Besondere Schwierigkeiten erwuchsen der Verschiebung 
daraus, dass jede Section während des Transportes um 
180 Grad gedreht werden musste. Nach dem Hochheben 
und Niederlassen auf die auf Schienen laufenden Rollen 
wurden die einzelnen Abtheilungen mit Hilfe von Hebeln 
vorwärts bewegt. Die Umsetzung gelang vortrefflich und 
die Ingenieure glaubten schon aller Sorge, ledig zu sein, 
als ein plötzlicher Sturmwind das bereits an Ort und 
Stelle stehende Gebäude derartig erschütterte, dass es 
in sich zusammenstürzte. 
Im Hinblick auf jlas Heranrücken der Weltaus¬ 
stellung dürfte es interessant sein, zu lesen, was man 
über die Grösse der bisherigsn Pariser Ausstellungen
	        
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