Volltext: V. Jahrgang, 1900 (V. JG., 1900)

Nr. 4. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 27. 
mit dazugehöriger Stallung und Wagenremise unter Ver¬ 
wendung von circa 275 Mille Kalksandsteinen bei denkbar 
schlechtester Witterung in der Zeit vom 10. Juli 1899 bis 
15. December 1899 unter Bethätigung von circa 14 Maurern 
erbaut habe, bei welcher auch alle Formsteine und die 
figürlichen Theile aus diesem neuen Material hergestellt sind, 
und nachdem ich zur Abgrenzung dieses Terrains auch 
ziemlich umfassendes Gartenmauerwerk aus diesen Kalk¬ 
sandsteinen errichtet habe, gebe ich mein fachmännisches 
Urtheil über dieses Baumaterial wie folgt ab: Die Kalk¬ 
sandsteine können bei Hochbauten der Verwendung von 
gewöhnlichen gebrannten Thon- und Lehmziegeln vor¬ 
gezogen werden, weil in der Grösse zunächst ein Stein 
dem anderen vollkommen gleich ist. Das verschiedenartige 
Schwinden beim Trocknen und Brennen der Thon- und 
Lehmsteine fällt bei den Kalksandsteinen fort, und jeder 
Maurer weiss diesen Vortheil ganz gleichmässig grosser 
Steine zu schätzen, zumal wenn er Rohbauten auszuführen 
hat. Durch die Kalksandsteine ist es nunmehr zur That- 
sache geworden, dass man bei billigem Preise auch 1/2 und 
I Stein starke Mauern auf beiden Seiten bündig (glatt) 
hersteilen kann, was bisher mit gebrannten Steinen, selbst 
besserer Qualität, in obiger Weise bei annähernd gleichem 
Preise nicht möglich war. Vorstehender Vortheil dürfte 
hauptsächlich bei Herstellung von Gartenmauern, Veranden, 
Baikonen u. s. w. ohne Weiteres die Veranlassung werden, 
mit der Zeit genannte Bauobjecte nur aus Kalksandsteinen 
auszuführen, da hierbei die Möglichkeit gegeben ist, beide 
Ansichtsflächen billig im Rohbau herzustellen. 
Infolge der gleichen Grösse der Kalksandsteine können 
auch die Fugen alle gleiche Stärke erhalten, und der 
Verbrauch an Mörtel wird ein weit geringerer, als bei 
Verwendung der ungleich starken, gebrannten Thon- und 
Lehmziegel. Nicht allein in der glatten Mauer bieten die 
Kalksandsteine bei ihrer Verwendung wesentliche Vor¬ 
theile, sondern auch das Behauen und Spalten derselben 
ist für den Maurer viel leichter und in bedeutend kürzerer 
Zeit zu bewerkstelligen, als bei den gebrannten Thon- 
und Lehmsteinen. Das Aussuchen und Anschlägen nach 
hellklingenden und gutspringenden Steinen, wie solches 
bei gebrannten nöthig ist, fällt bei den Kalksandsteinen 
vollständig fort; ein Stein spaltet sich wie der andere in 
der gewünschten Richtung infolge seiner gleichmässigen 
Dichtigkeit und seines gleichmässigen Gefüges, und jeder 
Stein lässt sich in weit kürzerer Zeit in jeder Grösse 
und in jeder beliebigen Form behauen. Das Sortieren zu 
Vor- und Hintermauerungssteinen — in harte und weniger 
harte — wie dies bei den gewöhnlichen gebrannten Thon- 
und Lehmziegeln zur Erreichung einer guten Arbeit 
nöthig ist, fällt bei den Kalksandsteinen fort; ein Stein 
gleicht hier in der Güte dem anderen, sodass die ganze 
Arbeit für den Maurer — auch für den weniger geübten 
— bedeutend erleichtert und vereinfacht wird. Dass 
infolgedessen an Zeit und nicht unwesentlich an Hand¬ 
langerlöhnen gespart wird, braucht wohl nicht erst be¬ 
sonders erwähnt zu werden. Ein Umstand, der für die 
Verwendung der Kalksandsteine ganz besonders spricht, 
ist die hohe Bindefähigkeit des Mörtels in bedeutend 
kürzerer Zeit bei den Mauern, die mit Kalksandsteinen 
hergestellt wurden, gegenüber derselben des gleichen 
Mörtels, der bei gebrannten Thon- und Lehmziegeln zu 
Mauern unter ganz gleichen Verhältnissen verwendet 
wurde. Schon nach wenigen Tagen zeigt der Mörtel bei 
Kalksandstein-Mauer werk eine. Härte, die er bei Mauer¬ 
werk aus* gebrannten Lehmsteinen erst nach mehreren 
Wochen erreicht und nur in seltenen Fällen in diesem 
Grade erreichen wird. Selbst auch bei Mauerwerk, das 
mit engen, 6 bis 7 Millimeter starken Fugen und — wie 
ausdrücklich hervorgehoben sein mag — ohne wesentlich 
höheren Zeitaufwand hergestellt wurde, zeigte der Mörtel 
schon nach einigen Tagen eine Festigkeit, die er bei 
Mauerwerk aus gebrannten Mauerziegeln selten erreicht. 
Nicht nur die grössere, schnellere und höhere Binde¬ 
fähigkeit des Mörtels bei Anwendung der Kalksandsteine 
ist ein Vorzug gegenüber den gebrannten Ziegeln, sondern 
auch die bedeutend schnellere Trockenheit der Mauern 
ist eine Thatsache, die darauf hinweist, dass in Zukunft 
trockene Wohnräume nur mit Kalksandsteinen hergestellt 
werden dürften. Selbst bei ungünstiger Witterung her¬ 
gestellte Mauern brauchten nur */3 der Zeit zum Trocknen, 
als die unter denselben Verhältnissen und mit demselben 
Mörtel hergestellten Mauern aus gebrannten Lehmziegeln. 
Beide zuletzt genannten Vorzüge sind in unserer Zeit 
bei den knapp bemessenen Baufristen gewiss von nicht 
zu unterschätzender Bedeutung. Sind die Vortheile beim 
Vermauern der Kalksandsteine schon zahlreich und 
wesentlich genug, um dieselben zur Verwendung bei 
Hochbauten zu empfehlen, so findet man solche Vortheile 
in gleichem Masse beim Putzen. Infolge der Gleichmässig- 
keit in ihrer Grösse und der dadurch bedingten voll¬ 
ständigen glatten, ebenen Flächen der Mauern wird beim 
Putzen schon circa 25 bis 30 Procent am Mörtel gespart, 
gegenüber dem Putzen an solchen Mauern, die mit ge¬ 
wöhnlichen gebrannten Thon- und Lehmsteinen herge¬ 
stellt sind. Doch der grösste Vortheil besteht darin, dass 
beim Putzen die Kalksandsteine alle, einer wie der andere, 
gleichmässig anziehen. Bei gebrannten Thon- oder Lehm¬ 
steinen ist dies nicht der Fall; die härteren und fetteren 
Steine ziehen schwerer an als die weniger hartgebrannten 
und die mageren Steine. Jeder Putzer wird diesen Vor¬ 
theil zu schätzen wissen, denn er kann hier bedeutend 
flotter arbeiten, ohne warten zu müssen, bis die schwächer 
anziehenden Stellen nachkommen, was auch schon zum 
Theil daraus hervorgeht, dass der Putz nur in der gering¬ 
sten Stärke angetragen zu werden braucht, so dass die 
einzelnen Steinflächen durchschimmern. 
Da sich die Kalksandsteine in fast allen Farben lier- 
stellen lassen, so fällt bei den Fagaden das zeitraubende 
und kostspielige Ziehen der Fensterumrahmungen und 
der Gesimse etc. fort, denn alle Umrahmungen der 
Oeffnungen, sowie die Gesimse und die übrigen Architektur- 
theile lassen sich durch Abwechselung der Farbe, sowie 
auch durch Profilierung sehr wirksam markieren. Das 
Putzen der Hofansichten dürfte bei Anwendung der Kalk¬ 
sandsteine, namentlich wenn dieselben vollfugig nach 
aussen vermauert werden, in Zukunft überhaupt fortfallen, 
da die Flächen an und für sich schon sauber genug sind 
und spätere Putzreparaturen ausschliessen. Zugleich er¬ 
hält man auch in engeren Höfen weisse, lichtwirkende 
Flächen, was für die Beleuchtung der anliegenden, be¬ 
ziehungsweise gegenüberliegenden Räume gewiss von 
grossem Vortheile ist. 
Nach allem Vorhergesagten bieten die Kalksandsteine 
dem Maurer so bedeutende Vortheile, dass ich behaupten 
kann, jeder Maurer wird dieselben nach dem ersten Ver¬ 
suche nicht wieder verlassen. 
Was die Frostbeständigkeit der Kalksandsteine an- 
belangt, so hat der bisherige Verlauf des diesjährigen 
Winters mit seiner weitgehenden Beanspruchung in Bezug 
auf die Haltbarkeit der Steine volle Gelegenheit geboten,
	        
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