Nr. 2.
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Seite 13.
Unter der grossen Zahl der Zurückgewiesenen bei
der Pariser Weltausstellung in diesem Jahre befindet
sieh auch ein patriotischer Franzose, den der Ruhm des
grossen Rades der Chicagoer Weltausstellung nicht
schlafen liess. Seine Sehnsucht war auf eine Verbindung
von Licht und Bewegung gerichtet, und das Resultat
seiner Schlaflosigkeit war ein sechseckiger drehbarer
Thurmpalast. Für Leute, denen das etwas zuviel auf
einmal ist, folge hier eine nähere Beschreibung der Idee.
Die Höhe dieses Drehthurmes war auf 110Meter projectiert,
die sich auf 25 Stockwerke vertheilen. Die Aussen-
bekleidung des sechseckigen Drehwunders sollte aus
Aluminium, Terrakotte und Glas bestehen und von
oben bis unten mit elektrischen Lampen, 20.000 Glüh-
und 2000 Bogenlampen, besät sein. Im obersten Stock¬
werk ein Glockenspiel; dicht darunter eine Dampforgel;
das Ganze überragend ein kleines Wetterhähnchen von
5 Meter Hohe, ganz und gar aus Glühlampen zusammen¬
gesetzt. Der sechseckige Lichtorgelthurmpalast sollte sich
einmal in der Stunde um sich selbst drehen. — Ob der
schlaflose Franzose inzwischen seinen Schlaf wieder¬
gefunden hat, ist nicht zu ermitteln gewesen.
In gewisser Hinsicht sind die grossen Ausstellungen,
insbesondere die Weltausstellungen, als ein Sicherheits¬
ventil auf dem Kessel der menschlichen Erfindungskraft
und Phantasie zu betrachten. Böten sie nicht einmal in
jedem Jahrzehnte dem Hirn des Phantasten Gelegen¬
heit, seinen Reichthum an meist wahnsinnigen und stets
unausführbaren Ideen und Vorschlägen in die Welt hinaus
zu entleeren, so würden unsere Kaltwasserheilanstalten
noch mehr gefüllt sein, als sie es heute schon sind. Schon
gelegentlich der Chicagoer Weltausstellung wurden die
Leiter des Unternehmens mit schriftlichen und mündlichen
Anträgen um Ausführung der hirnverbranntesten Projecte
angegangen, deren jedes natürlich alles bisher dagewesene
weit in den Schatten stellen sollte. Derselbe Taumel
hat die Schwachköpfe beider Welten ergriffen, seit es
sich um die Vorbereitung der diesjährigen Völkerschau
in Paris handelt, die durch ihr Zusammenfallen mit dem
Beginn des neuen Jahrhunderts einen ganz besonderen
Beigeschmack des ungewöhnlichen bekommt. Wir geben
hier nur einige Proben von den Geistesblitzen derer, die
nicht alle werden. Zahlreich sind vor allem die Vorschläge
zur Herstellung eines Niagarafalls in Lebensgrösse; andere
beschäftigen sich mit einer Nachbildung des Thurms von
Babel genau nach den Angaben der Bibel, nur doppelt so
hoch. Die Anlage unterirdischer Seen und 1000 Meter
hoch an Luftballons hängender Städte ist gleichfalls ein
vielfach erwähntes Thema. Eine Dame schlägt allen Ernstes
einen Riesenspringbrunnen von warmen Thee mit Milch
vor, dessen Einfassung aus Würfelzucker bestehen soll.
Dem Hirn eines Franzosen entsprang die glänzende Idee,
einen Papiermachekopf herzustellen, der den Umfang
der Köpfe aller lebenden Menschen zusammengenommen
besässe. Eine Schaukel mit 150 Meter hohen Pfosten und
eine Dampfposaune, die die Marseillaise über halb Frank¬
reich hinschmettern soll, die bei jeder Ausstellung wieder¬
kehrenden Nachbildungen der hängenden Gärten der
Semiramis und ähnliche Vorschläge sind in mehreren
Exemplaren bei der Ausstellungs-Commission eingegangen
und pflichtschuldig in deren Papierkorb verschwunden.
Ein unternehmender Yankee will einen doppelten Eiffel-
thurm bauen, von dessen Spitze das entzückte Publicum
mittelst eines Fallschirms von nur 100 Meter Durchmesser
zur Erde herniedergelassen werden kann. Auf dem Thurm
sollen gleichzeitig Bureaux von Lebensversicherungs-
Gesellschaften und Notare zur Deponierung vonTestamenten
vorgesehen sein. Acht Vorschläge zur Ueberdachung der
Seine, und drei zur Besetzung derselben mit Walfischen
lagen vor; aber nur einer hat es gewagt, allen Ernstes
eine Reinigung des Seinewassers vorzuschlagen. Der
Aermste ist bereits in Sicherheit gebracht worden.
Aus den Gemeinderaths-Sitzungen in Linz.
In der am 10. d. M. abgehaltenen Gemeinderaths-
Sitzung wurden folgende Bauangelegenheiten erledigt:
Gemeinderath Bauer berichtet in Angelegenheit des zu
erbauenden Asyles für Obdachlose, zu welchem Zwecke,
wie bekannt, Bürgermeister Poche einen Betrag von
10.000 fl. gespendet hat. Das Stadtbauamt habe sich
dahin gutachtlich geäussert, dass vorläufig von einem
Neubau abzusehen und die Adaptierung des Hauses
Khevenhüllerstrasse Nr. 8 zum gedachten Zwecke in
Aussicht zu nehmen sei, in der Art, dass dort zwei
Schlafsäle mit je 10 Betten, und zwar einer für Männer
und einer für Frauen und Kinder hergestellt werde. Die
Baukosten einschliesslich der Einrichtung belaufen sich
auf 1430 fl. 90 kr. und die Kosten der Unterhaltung dieser
Anstalt jährlich auf ca. 158 fl. Das Bauamt empfiehlt den
restlichen Betrag von ca. 9000 fl. zu fructificieren, bis
ein eigener Bau aufgeführt werden kann und die Kosten
der Erhaltung der Anstalt aus Gemeindemitteln zu be¬
zahlen. Die 2. Section hat sich dem Vorsclilage des Stadt¬
bauamtes angeschlossen und lautet der Antrag des Re¬
ferenten conform diesem Vorschläge. Die Ausführung
der Adaptierungs- und verschiedener anderer Arbeiten
ist den jeweiligen Accordanten zu übertragen. (Wurde
angenommen.)
Die Schotterlieferung für die Vororte Lustenau und
Waldegg pro 1900 wird gemäss Antrag des Gemeinde-
rathes Heinisch dem Josef Feicht um den Preis von
1 fl. 90 kr. per Cubikmeter übertragen.
Gemeinderath Bauer berichtet über die vorgenom¬
mene Oollaudierung des Oanales in der Volksgartenstrasse
und des restlichen Theiles des Vororte-Oanales. Der Re¬
ferent verliest die beiden Gollaudierungs-Protokolle, aus
welchen hervorgeht, dass der Bauunternehmer Josef
Stadlbauer die ihm vorgeschriebenen Herstellungen und
Verbesserungen an den Canälen gemacht hat, und stellt
sohin den Antrag: Der Gemeinderath genehmige die
Protokolle über die Reconstruierung der beanständeten
Canalstellen, nehme zur Kenntnis, dass die Uebersehrei-
tung der vertragsmässigen Bauzeit 78 Tage beträgt und
ersuche den Bürgermeister, das Bauamt zu beauftragen,
die Verrechnung mit dem Unternehmer Stadlbauer
ehestens vorzulegen. (Angenommen.)
Derselbe Referent empfiehlt die Steinsockellieferung
für die Volksgarteneinfriedung dem Leopold Heindl in
Mauthausen um den Betrag von 6365 fl. 34 kr. unter der
Bedingung zu übertragen, dass ausschliesslich tadellos ge¬
arbeiteter Mauthausener Granit zur Verwendung gelange.
Local-Baunotizen.
Ausgaben für Staatsbauten in Oberösterreich im
Jahre 1900. Aus dem Staatshaushalte für 1900 sind für
Oberösterreich folgende Ausgaben verzeichnet: Bau
einer Brücke mit eisernem Oberbau über den Traun-
Fluss bei Lambach im Zuge der Gmunden-Traun-