Volltext: V. Jahrgang, 1900 (V. JG., 1900)

Seite 182. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 23. 
rühmen, den „höchsten“ Wasserfall der Welt zu besitzen. 
Die Cholock-Oascade stürzt aus einer Höhe von 2634 Fuss 
(— 800 Metern) von der das Thal begrenzenden Felswand 
herab. Dieser Wasserfall ist also sechzehnmal höher als 
der Niagarafall, der dafür den andern in Breite und Menge 
der Wassermassen hinter sich lässt. Die Wasser des Cho- 
lock zerstäuben übrigens bevor sie den Boden erreichen, 
so dass sich dem Beschauer bei Sonnenschein ein ganz 
besonders farbenprächtiges Bild darbietet. Auch das zum 
grossen Theil noch unerforschte Innere der Republik Ve¬ 
nezuela soll einen Wasserfall bergen, der von den 1600 
Fuss hohen Felsen des Imataca-Gebirges in mehreren Ab¬ 
theilungen herabstürzt. 
Das zwanzigste Jahrhundert fängt an wie das neun¬ 
zehnte aufhörte; eine Erfindung drängt die andere, und 
was heut als neu und originell gilt, ist morgen durch 
etwas noch originelleres, noch überraschenderes überholt. 
Der Italiener Marconi schenkte sich den Draht und der 
Welt die Telegraphie ohne diesen. Die Ungarn Pollack 
und Virag schlagen alle Schnelligkeitsrecorde und tele¬ 
graphieren während des Morgenkaffees die ganze Bibel 
von Budapest nach Capstadt. Des Dänen Paulsen magneti¬ 
siertes Stahlband unterhält sich während deiner Abwesen¬ 
heit per Telephon mit deiner Schwiegermutter und er¬ 
zählt dir, wenn du nach Hause kommst, was die würdige 
Dame ihm anvertraut hat. — Jetzt kommt als neuester 
Zauberer der Deutsche J. Stockert mit seinem Fern¬ 
drucker (Teletyper), der die Schreibmaschine mit dem 
Telegraphendraht verbindet. Wenn du in deinem Bureau 
einen Brief in die Schreibmaschine dictierst, schreibt der 
damit verbundene Typewriter deines Freundes in New- 
york jeden Buchstaben getreulich mit; das Original be¬ 
hältst du zu Hause. — Zwei Seelen und ein Gedanke, 
hiess es früher; jetzt heissts: Zwei Schreibmaschinen 
und ein Brief. 
Theaterbrände, wie der, von dem das Theatre Frangais 
kürzlich heimgesucht wurde, sind in Paris nicht gerade 
selten. Im Durchschnitt hat die Kunststadt an der Seine 
alle fünf Jahre den Brand eines grösseren Theaters zu 
beklagen, wie folgende Statistik zeigt, die auch das 18. 
Jahrhundert mit berücksichtigt. Von den Schadenfeuern, 
die damals Pariser Schaustätten heimsuchten, trafen drei 
aufeinander folgende das Opernhaus (1763 und 1781), 
während im Jahre 1799 das Theatre Frangais zum ersten- 
male abbrannte. Das 19. Jahrhundert sah zuerst den 
Brand des Odeons (1818), dem nach zwei weiteren grossen 
Bränden in den Jahren 1826 und 1827 wiederum das 
Theatre Frangais, der nationale Kunsttempel der Franzosen, 
am 31. October 1827 folgte. Die Jahre 1835—49 umfassen 
sechs Brände grösserer Schaubühnen, von denen das 
Theatre de la Gälte noch heut eine Rolle spielt. Am 
20. Mai 1863 kam wieder das officielle Schauspielhaus 
an die Reihe, dem in den Sechzigerjahren noch drei 
andere folgten; das Jahr 1871 war mit dem Aufstand 
der Commune auch für die Kunststätten der Seinestadt 
verhängnisvoll: An zwei Tagen, dem 25. und 26. Mai, 
wurden vier Theatre (Porte-Saint-Martin, Ohätelet, Lyrique, 
Delassements) infolge von Brandstiftung eingeäschert. 
Im Jahre 1873 traf die grosse Oper das Verhängnis, das 
sie mehr als 30 Jahre verschont hatte. Vierzehn Jahre 
später (1887) gieng die Opera Comique in Flammen auf, 
deren Brand eine grosse Zahl von Opfern forderte und 
neben dem Brande des Wiener Ringtheaters als der 
schwerste des Jahrhunderts bezeichnet werden muss. 
Das Jahr 1900 schliesslich hat trotz der kurzen Zeit 
seines Beginnes schon zwei Opfer gefordert, am 18. Februar 
das Theater Trianon und nun die Stätte der Comedie 
Frangaise. — Zieht man nun von allen diesen Bränden 
die während des Communeaufstandes angelegten ab, so 
ergibt sich als Gesammtzahl der Pariser Theaterbrände 
die Zahl 18, von denen allein sieben auf die wenigen 
subventionierten Theater, und elf auf Privatbühnen ent¬ 
fallen. Unwillkürlich wird man dadurch zu dem Schlüsse 
gedrängt, dass gerade die Regierungstheater nicht mit 
der erforderlichen Sorgfalt und Vorsicht überwacht 
werden. Der jüngste Brand hat Schäden in den Vor¬ 
kehrungen gegen die Feuergefahr in den staatlichen 
Theatern ans Licht gebracht, die uns schwer glaublich 
erscheinen. Es ist nicht gerade verwunderlich, dass es 
in Paris Fatalisten gibt, die auf Grund der Statistik, die 
einem französischen Theater im Durchschnitte nur eine 
Lebensdauer von 80 Jahren zuspricht, sich stets erst 
erkundigen, wie lange das Theater, das sie besuchen 
sollen, schon besteht. Hören sie, dass es schon 75 Jahre 
alt ist, so verzichten sie lieber auf den Besuch; denn es 
muss ja nun innerhalb fünf Jahren abbrennen. — Natür¬ 
lich ist diese Befürchtung scherzhaft übertrieben, und in 
Wirklichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, einem Theater¬ 
brand als „Theilnehmer“ beizuwohnen, wie 1 zu 25.000; 
das Risiko, das auch der fleissigste Theaterbesucher läuft, 
ist so minimal, dass er ruhig darauf verzichten kann, es 
überhaupt in Berechnung zu ziehen. 
Die Frage der automatischen Kuppelungen für 
Eisenbahnwagen ist bereits seinerzeit im Deutschen 
Reichstage kurz gestreift worden, eine Frage, deren 
Wichtigkeit schon längst über allen Zweifel erhaben ist. 
Es gibt kaum ein Gebiet des öffentlichen Lebens, wo 
Neuerungen durchgreifender Art so schwer auszuführen 
sind, wie im Eisenbahnwesen. Die Gründe hiefür liegen 
auf der Hand; das rollende Material ist so ungeheuer, 
dass jede allgemein zur Einführung gelangende Neue¬ 
rung, auch wenn sie einfachster Natur ist, Millionen ver¬ 
schlingt. Nun handelt es sich aber gerade bei der Frage 
der Kuppelung, durch die die einzelnen Waggons zu 
einem Zuge vereinigt werden, um Misstände schwerster 
Art. Die heutige Art der Kuppelung erfordert, dass der 
betreffende Beamte sich zwischen den zu kuppelnden 
Wagen aufstellt und mit der Hand die Verbindung aus¬ 
führt. Unzählige Menschen haben schon bei dieser ge¬ 
fahrvollen Beschäftigung ihr Leben verloren. Die Ver¬ 
einigten Staaten allein haben bisher nicht nur Versuche 
in dieser Richtung angestellt, sondern automatische 
Kuppelungen schon theilweise obligatorisch eingeführt. 
Briefkasten. 
Herrn J. L., hier. Ob sich die Asbestschieferplatten des 
Herrn Hatschek auf dem Stallgebäude des hiesigen Post¬ 
meisters Winkler bewähren, kann erst nach überstandener 
Winterszeit constatiert werden. 
Herrn A. M. in Steyr. Die Verhandlungen über die 
neuen Bauvorschriften dürften erst im nächsten Frühjahr 
ihren Anfang nehmen. 
Herrn Gr. G. in Prag. Die Teplitzer Chamottewaren- 
fabrik wird, unserem Wissen nach, von niemandem am hiesigen 
Platze vertreten. 
Offene Stellen. 
Maschtii en-In genieur. 
Die Stadtgemeinde Linz besetzt die Stelle eines städ¬ 
tischen Maschinen-Ingenieurs in der III. (9.) Rangsclasse 
mit einem Gehalt von 2800 Kronen und 600 Kronen Activitäts- 
zulage. Bewerber deutscher Nationalität haben ihre Gesuche 
bis längstens 4. December 1900 bei der städtischen Einlauf¬ 
stelle einzureichen.
	        
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