Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Seite 82. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 11. 
schreiben ist. Diese Zunahme des Reichtums zeigt sich 
auch in der Kaufkraft des Volkes und in dessen höheren 
Lebensansprüchen. Die Menschen, welche aus allen 
Ländern der Erde hier zusammenströmten, um die wilden 
Gegenden des Westens urbar zu machen und zu bebauen, 
haben eben nicht nur zur Entwicklung derselben bei¬ 
getragen, sondern sind auch selbst zu verhältnismässig 
bedeutendem Wohlstand gelangt. 
Im Jahre 1879 wurden von den Vereinigten Staaten 
150,502.506 Bushel Getreide exportiert. Zwanzig Jahre 
später, im Jahre 1899, betrug der Export 222,618.420 Bushel. 
Fast die ganze Zunahme in der Produktion, die in den 
Vereinigten Staaten und im Auslande verzehrt wurde, 
kam aus dem Gebiete westlich vom Mississippi, da in 
der gleichen Periode der Weizenbau in den vielen älteren 
Staaten der Union zurückgegangen war, so dass diese 
Staaten für ihren Bedarf auf den Westen angewiesen 
waren. Ein noch höherer Prozentsatz der vermehrten 
Maisausfuhr stammte aus dem gleichen Gebiete, dessen 
Export von roher Baumwolle ebenfalls eine Zunahme 
aufzuweisen hatte. 
Bei der ungeheuren kommerziellen Tätigkeit der 
Vereinigten Staaten erscheint es als eine befremdende 
Tatsache, dass die atlantischen Staaten und Hafenstädte 
mit der Entwicklung des übrigen Teiles des. Landes 
nicht Schritt halten. Dies ist aber zweifellos dem mäch¬ 
tigen Wachstum des Westens und Südens besonders im 
Mississippitale zuzuschreiben. 
Der Export auswärtiger Länder nach den Vereinigten 
Staaten muss besonders hervorgehoben werden. Die 
niedrigste Stufe zwischen 1880 und dem gegenwärtigen 
Datum wurde im Jahre 1898 erreicht, als die Einfuhr 
aus europäischen Ländern infolge des spanischen Krieges 
auf 616,049.654 Dollars herabsank. Innerhalb von zwei 
Jahren, von 1898 bis 1900, stieg die Einfuhr auf 
849,941.184 Dollars. In dem am 30. Juni endenden 
Fiskaljahre kauften die Vereinigten Staaten von den 
anderen Ländern der Erde mehr Waren als in irgend 
einem gleichen Zeiträume in der Geschichte der Re¬ 
publik. Der Wert der in diesem Jahre importierten 
Waren betrug 937,000.000 Dollars. Diese grosse Einfuhr 
ist hauptsächlich den höheren Ansprüchen der Ameri¬ 
kaner infolge der enormen Entwicklung des Westens 
und der aussergewöhnlichen Prosperität zuzuschreiben. 
Das beweist, dass eine grosse Kaufkraft als Folge einer 
grossen Produktionskraft besteht. Inwieweit allerdings 
ein Vorteil hieraus für europäische Staaten im Hinblicke 
auf die bedeutenden Einfuhrszölle Amerikas erwachsen 
wird, mag dahingestellt bleiben. Immerhin haben diese 
grossen Fortschritte ein neues Feld für die internationale 
Ausstellung in St. Louis eröffnet und es ist nur natürlich, 
dass der letzteren überall das regste Interesse entgegen¬ 
gebracht wird. 
Um die Grösse und Vielseitigkeit dieser Ausstellung 
klar zu machen, folgen nachstehend die Hauptgrundzüge 
der Einteilung: 
Erzieliungswesen. 
Der Abteilung für Erziehungswesen ist im Einklänge 
mit dem Grundsätze, auf dem die ganze Ausstellung auf¬ 
gebaut wurde, bei der Klassifizierung der Vorrang ein¬ 
geräumt worden. Die Wechselbeziehungen der geistigen 
und körperlichen Kräfte des Menschen, welche in allen 
Abteilungen der Ausstellung hervortreten werden, sollen 
eine streng wissenschaftliche Basis für die Zusammen¬ 
stellung und Einteilung der Ausstellungsgegenstände 
bieten. Der Abteilung ist ein eigenes Gebäude, das einen 
Flächenraum von 525 bei 600 Fuss einnimmt und etwa 
335.000 Dollar kostete, gewidmet worden. 
Kunst. 
In der Abteilung für moderne Kunst sind solche 
Werke ausgestellt worden, die aus der Periode von der 
Eröffnung der Chicagoer Ausstellung im Jahre 1893 bis 
zum Dezember 1903 hervorgingen. Die retrospektive 
Ausstellungsabteilung besteht aus Werken, die zwischen 
den Jahren 1803 und 1893 geschaffen wurden, während 
in den Sammlungen, die leihweise von öffentlichen Kunst¬ 
instituten, Salons und Privatpersonen zur Verfügung 
gestellt werden, Werke jeder Periode ausgestellt werden 
können. 
Der Kunstpalast. 
Der Kunstpalast nimmt unter den verschiedenen 
Ausstellungsgebäuden die wichtigste Stellung ein. Der 
ganze Bau bedeckt einen Flächenraum von 830 Quadrat¬ 
meter und kostet eine Million Dollars (5 Millionen Kronen). 
Geräumige, gut beleuchtete Säle sind für die Gemälde 
eingerichtet. Besondere Abteilungen enthält das Gebäude 
für Architektur zur Ausstellung von Modellen und Zeich¬ 
nungen für Gebäude, für Bildhauerarbeiten, Dekorationen, 
Fenstermalerei, Freskomalerei, Holzschnitzerei und andere 
Erzeugnisse der verwandten Künste. Gewisse Arbeiten 
in Glasmalerei, Holzschnitzerei, Mosaik u. s. w. wurden 
unter besonderen Vorkehrungen im Baue des Kunst¬ 
palastes selbst verwertet und bilden als Teile des Gebäudes 
Ausstellungsgegenstände, wo solche passend anzubringen 
waren. 
In Nordamerika zeigt sich gegenwärtig eine von Jahr 
zu Jahr zunehmende Würdigung der Kunst. Riesige 
Reichtümer werden in jedem Teile des Landes angehäuft 
und der allgemeine Wohlstand der Bevölkerung nimmt 
in ungeahnter Weise zu. Dieses Aufhäufen von irdischen 
Gütern gibt den Anlass zur Errichtung palastartiger 
Wohnungen und Villen und ein beträchtlicher Teil des 
Ueberflusses, mit dem die Bewohner gesegnet sind, wird 
in neuerer Zeit für Kunstsammlungen und für kunstvolle 
Ausstattung der Wohnpaläste verwertet. Viele der kürz¬ 
lich erworbenen Privatsammlungen von Kunstwerken in 
den Vereinigten Staaten können in Bezug auf ihre Reich¬ 
haltigkeit sowohl als in Bezug auf Qualität einen Ver¬ 
gleich mit den seit Jahren berühmten europäischen 
Sammlungen aushalten. 
Statistiken weisen nach, dass das amerikanische Volk 
in der Periode 1892 bis 1897 einen jährlichen Tribut von 
223 Millionen Dollars (1115 Millionen Kronen) an das 
höhere künstlerische Talent europäischer Meister zahlte. 
Hierin sind die Summen mit inbegriffen, welche für Ge¬ 
mälde, Bildhauerwerke und alle Erzeugnisse verschiedener 
Kunstgewerbe verausgabt wurden. Seit 1897 hat die 
Einfuhr solcher Schätze eher zu- als abgenommen. 
Freie Künste (liberal Arts). 
Was versteht die Leitung der St. Louiser Weltaus¬ 
stellung unter dem Ausdrucke: „Liberal Arts“. Freie 
oder nützliche Künste? Diese Abteilung bildet eines der 
wichtigsten Glieder der Ausstellung und umschliesst ein 
ausgedehntes Gebiet. Sie besteht aus 13 Gruppen, von 
denen eine jede die Hilfsmittel, Methoden und Erzeug¬ 
nisse besonderer Künste, Wissenschaften oder Gewerbe 
behandelt. Unter diesen sind zu nennen: 
Typographie und deren Hilfsmittel, Photographie und 
verwandte Wissenschaften, Bücher und Zeitungen, Land-
	        
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