Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Oberösterreichische Bauzeitung: 
Seite 59. 
Nr. 8. 
Die wesentlichsten Momente, die an ein derartiges 
Mittel gestellt werden, seien hier kurz rekapituliert: 
1. Anstrebung einer möglichst glatten, wasserun¬ 
löslichen Fläche. 
2. Gleicher Ausdehnungskoeffizient mit dem Unter¬ 
grund. 
3. Innige Verbindung zwischen Grund und Ober¬ 
fläche (besonders bei Zementverputz). 
4. Billiger Preis. 
5. Leichte Anwendbarkeit. 
In unseren Nachbar- und transatlantischen Staaten 
wird diesen Anforderungen bereits seit längerer Zeit 
faktisch Rechnung getragenl Der Verwendung im In¬ 
lande stand bisher nur der hohe Zoll im Wege, während¬ 
dem die inländische Industrie bisher kein brauchbares 
Material schaffen konnte, nachdem wohl mutmasslich die 
Grundbedingungen, das ist geeignete Ausgangsprodukte, 
fehlten. Der gute Glaube der Konsumenten wurde da¬ 
durch natürlich bedeutend erschüttert. In Anbetracht 
dieser Umstände erwarb eine österreichische Firma das Er¬ 
zeugungsrecht für die Monarchie der bewährtesten Farbe 
und erbaute eine Fabriksanlage in Salzburg (Perfecta- 
Farben und Kreidewerk), die dem österreichischen 
Konsum Rechnung zu tragen hat. Es handelt sich daher 
nicht um ein Präparat, das erst erprobt werden muss, 
sondern nur um eine Neuheit auf dem inländischen 
Markte, die sich binnen kurzem Bahn brechen wird. 
Nun einige Notizen über den Farbstoff Perfecta: Aus¬ 
sehen : weisses oder farbiges, äussert zartes Pulver. 
Anwendung: 1 Gewichtsteil Perfecta gibt mit 1/2 Teil 
langsam eingerührten Wassers einen steifen Teig, der 
nach Verlauf einer r/2 Stunde Ruhe (nicht früher), durch 
allmähligen Zusatz eines weiteren annähernd 1I2 Teiles 
Wassers bis zur Konsistenz eines dickflüssigen Breies 
streichfertig ist. Ein wesentlichstes Moment hiebei ist 
die Vermeidung starken Schäumens des Mischgutes, da 
die kleinen Luftbläschen schwer aufsteigen und den 
Schlusseffekt beeinträchtigen. Dies lässt sich bei einiger 
Aufmerksamkeit des Arbeiters leicht bewerkstelligen. 
Die fertige Mischung wird nun gleichmässig, ähnlich 
wie bei Oelfarbe, vertrieben. Die zu bestreichende Fläche 
muss frei von fettartigen Substanzen, blasenfrei und 
angerauht sein, falls nicht bereits der Rohbau dieses 
Aussehen zeigt. Speziell bei Zementverputz, Luftmörtel, 
dann Rohholz werden vorzügliche Resultate erzielt. Der 
Anstrich ist nach 20—24 Stunden derart hart, dass er 
Schleifen und Bürsten verträgt. Durch Bürsten wird ein 
wachsartiger Glanz erzeugt. In 8—12 Tagen ist der 
Anstrich wasserunlösslich. 
Die Firma Johann Jonke, Drogerie „zum schwarzen 
Hund“, Linz a. d. D., hat den Generalvertrieb für 
Oberösterreich in die Hand genommen, und ist gerne 
bereit, Baunehmern und -Gebern nähere Daten zu über¬ 
mitteln, respektive Probeanstriche zu zeigen, mit der 
Ueberzeugung, dass die besprochene Lücke auch im 
österreichischen Baugewerbe beseitigt sein wird. 
8. L. 
Die Grundprinzipien des modernen Stiles. 
Die Zeit, in der man sich über Prinzip und künstleri¬ 
sches Wesen des modernen Stiles als Tagesfrage unter¬ 
hielt, ist zwar jetzt ziemlich vorüber, doch dürfte auch 
interessant sein, was der bekannte Maler van de Velde 
über das Thema sagt. Genannter Künstler hat im 
Mannheimer Kasinosaal einen Vortrag über die Grund¬ 
prinzipien des modernen Stiles gehalten, den wir hier 
folgen lassen. 
Van de Velde baut sein System, seinen Stil auf zwei 
Prinzipien : Vernunft und Logik. Daraus sind die alten 
Stile entstanden, daraus muss der neue Stil entstehen. 
Die reine Vernunft im Sein und Erscheinen der Dinge 
macht ihre Schönheit aus. Welch ein Unverstand, wenn 
die Menschen unserer Zeit an einem Geschmack Gefallen 
finden, der über den Gebrauch und Nutzen eines Dinges 
das Aussehen stellt und es dazu bestimmt, das zu be¬ 
mänteln, was es ausdrücken sollte. Wie er schon früher 
ausgesprochen, müsste der Stil unserer Zeit aus der 
einzigen und ewigen Quelle der Logik entspringen. Er 
erzählt, wie zum Beweise: Dies Gesetz hat zauberische 
Kraft, selbst bei Völkern niederer Kulturstufe die Schön¬ 
heit zu Ehren zu bringen. Was ihnen natürlich und not¬ 
wendig ist, vermögen sie oft geradezu mit Künstlerschaft 
zu fertigen, wie Messer und dergleichen Gebrauchs¬ 
gegenstände. Andererseits fallen sie der grössten Torheit 
und Roheit anheim, wenn sie versuchen, die Gestalt 
ihrer Götter nachzubilden. Augenblicklich befindet sich 
die Menschheit in einem Zustand ausserhalb der Kunst. 
Das ursprüngliche Gesunde, Verständige hat sich in ein 
Dogma verwandelt. Vvfie könnte man sonst zugeben, dass 
Häuser gebaut werden, förmlich um der Fassaden willen, 
dass man Schränke und Buffets baut, die mit symboli¬ 
schem Schmuck überladen sind. Van de Velde glossiert 
diese Schaffensart der Zeit mit vieler Ironie und feinem 
Spott. Er lächelt: wie der einfache Mann eine wunder¬ 
schöne Suppenterrine im Geschmack des neunzehnten 
Jahrhunderts preist; diese Terrine ist so schön, dass 
niemand sehen kann, dass es wirklich eine Terrine ist. 
Es genügt, meint Van de Velde, über diese Dinge zu 
sprechen, um auch darüber zu lachen, während doch 
unsere Augen sie tausendmal im Tage sehen und sie 
nicht lächerlich finden. Er schliesst daraus, dass unser 
Gehirn gesunder urteilt als unsere Augen. Unsere Ver¬ 
nunft müsse uns Gewissheit geben über die Form der 
Gegenstände, welche die Elemente unseres Lebens aus¬ 
machen. 
Vielleicht sei jetzt die Stunde gekommen, in der 
alles neu angefangen werden muss, weil alles hässlich, 
lügenhaft und töricht geworden ist. Wider das neunzehnte 
Jahrhundert und seine Gleichgültigkeit gegen die Schön¬ 
heit hatten die Künstler ihre schwersten Anklagen er¬ 
hoben. Vergeblich hatten Ruskin und William Morris 
den Weg gewiesen. Erstaunliches wurde geschaffen, aber 
nur kaufmännisch sein Wert berechnet. Die Schönheit 
hatte dem vergangenen Jahrhundert nicht gefehlt, aber 
sie war nicht erkannt worden, die Schönheit in den 
Werken der Ingenieure, in Lokomotiven, Brücken und 
Glashallen, die als erste Zola und Huysmans beachteten. 
Diese Schönheit ist in den Häusern, aus deren äusseren 
Form der Zweck mit Klarheit hervorgeht, in allen Bau¬ 
werken, die Lauterkeit und Notwendigkeit vereinten und 
den wesentlichen Charakter der architektonischen Schön¬ 
heit in der vollkommenen Uebereinstimmung der Mittel 
mit dem Zweck zeigten. So sollte noch nicht Dagewesenes 
entstehen mit Mitteln so alt wie die Welt. Dabei das un¬ 
verkennbare Streben, den inneren Rythmus, die Harmonie, 
die Heiterkeit des Lebens zu offenbaren; er führte zur 
Entdeckung eines Ornamentes, dessen Eigenheit mit dem 
Prinzipe der Logik und Vernunft übereinstimmte. Die
	        
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