Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Nr. 4. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 27. 
zwangslose Zusammenkünfte je nach Bedarf abhält, um 
alle wichtigen Angelegenheiten vorzuberaten und die 
Vorlagen auszuarbeiten, welche wohl vorbereitet dem 
Vorstande vorzulegen sind: 
Herr Rudolf Seidl: Von einem solchen Aktions¬ 
komitee können am leichtesten alle jene Angelegenheiten 
vorgenommen werden, welche von allgemeiner Bedeutung 
für unser Vereinsleben und für die Interessen sämtlicher 
Fachkollegen von Wert sind. 
Herr Kepplinger stimmt diesem Anträge bei und 
führt aus, dass es sich empfehlen würde, bestimmte 
Klubabende dieses Aktionskomitees einzuführen, an 
welchen auch Auswärtige teilnehmen könnten, falls ihr 
Weg sie nach Linz führt oder bestimmte Anliegen dies 
wünschenswert machen. 
Herr Rudolf Seidl begrüsst diese Anregung und 
meint, dass es eben Sache dieses Aktionskomitees wäre, 
ein Programm aufzustellen und könnte somit im Komitee 
selbst sowohl die geschäftliche Arbeit geleistet als auch 
das Vereinsleben in kameradschaftlicher Weise gefördert 
werden. 
Herr Franz Aichinger beantragt, dass in dieses 
Komitee auch der Schriftführer eintreten soll, damit 
alle Einläufe rechtzeitig der Vorberatung unterzogen 
werden, auch soll ein inniger Kontakt mit der Vorstand¬ 
schaft zu diesem Zwecke aufrechterhalten werden. 
Der Antrag Rudolf Seidl samt Zusatzantrag des Herrn 
Franz Aichinger wird per Akklamation angenommen und 
über Vorschlag des Herrn Vorstandes Franz Weikl die 
Herren Rudolf Seidl, Rudolf Urbanitzky, Matthäus 
Schlager und Franz Kepplinger in das Aktions¬ 
komitee gewählt. 
Nach dem Schlussworte des Herrn Vorstandes 
schliesst derselbe die Generalversammlung um 5 Uhr 
nachmittags. 
Das neue Polizeigebäude in Wien.*) 
Nach dem Vorträge, gehalten von k. k. Ministerialrat Emil R. v. Förster 
in der Versammlung der Fachgruppe iur Architektur und Hochbau. 
Das neue Polizei-Gefangenbaus in Wien verdankt 
seine Entstehung einerseits dem Raummangel, der sich 
im Polizei-Direktionsgebäude auf dem Schottenring ins¬ 
besondere seit der Neugestaltung des Anmeldungsamtes 
sehr fühlbar gemacht hat, anderseits den unleidlich ge¬ 
wordenen Zuständen im hiesigen Gefangenhause in der 
Theobaldgasse. Dieses, ein ehemaliges Klostergebäude, 
steht nunmehr über 100 Jahre in Verwendung und ist 
nicht nur in hygienischer Beziehung den jetzigen An¬ 
forderungen durchaus nicht entsprechend, sondern hat 
sich auch mit seinem Fassungraume für 240 Häftlinge 
gegenüber dem wachsenden Bedürfnisse als viel zu klein 
erwiesen. Diese Uebelstände veranlassten das Ministerium 
des Innern schon vor einigen Jahren einen Neubau ins 
Auge zu fassen und wurden von der Wiener Baugesell¬ 
schaft und von der Union Baugesellschaft Entwürfe 
hiezu ausgearbeitet. Für den Bauplatz lagen mehrere 
Anträge vor, unter anderen ein ausgedehntes Areal 
zwischen Liechtensteinstrasse und Porzellangasse und 
eines an der Ecke der Berggasse und der ehemaligen 
Rossauerlände (jetzt Elisabeth-Promenade). Das Ministe¬ 
rium entschied sich für das letztere. 
Das Bauprogramm umfasste die Schaffung eines 
Amtsgebäudes, bestehend aus Wohntrakt, Amtslokalitäten 
*) Ans der „Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und 
Architekten-Vereines“ in Wien. 
für die Polizei und das gesondert anzulegende Zentral¬ 
meldungsamt, einer Kaserne für die Sicherheitswache, 
endlich eines Gefangenhauses für 450 bis 500 Häftlinge. 
Letzteres sollte Kumulativ- und Einzelgefängnisse samt 
dazugehörigen Nebenräumen, wie Kanzlei, Versammlungs¬ 
saal, Bäder und die Trakterie enthalten. Auch war die 
Bedingung gestellt, dass das Gefangenhaus von aussen 
sichtbar sei. 
Das Ministerium beauftragte die Dikasterial-Gebäade- 
direktion mit der Anfertigung der Pläne, welche jedoch 
umgearbeitet werden mussten. Diese Umarbeitung erfolgte 
im Hochbau-Departement des Ministeriums des Innern 
unter persönlicher Intervention des Vortragenden. Die 
Ausführung des Neubaues wurde der Union Baugesell¬ 
schaft übertragen, die Inspektion übte Herr Oberingenieur 
Leonhard des Hochbau-Departements; die Bauleitung 
oblag den Herren Baurat Holzer und Oberingenieur 
Kramsall der Dikasterial-Gebäudedirektion, denen Herr 
Architekt Keller zugeteilt war. 
Die Gesamtfläche des Bauplatzes weist 7460 m2 auf; 
verbaut sind 4493 m2, wovon auf das Amtsgebäude 2775 tn2, 
auf das Gefangenhaus 1402 m2 und auf die Kaserne für 
die Wache 316 m2 entfallen. Die Hofräume umfassen 
einen grossen Amtsgebäudehof mit 1255 m2, einen Wirt¬ 
schaftshof im Gefangenhause mit 415 m2, einen Be¬ 
wegungshof mit 443 m\ endlich einen Zellenwagenhof 
mit 650 m2. Mit Einschluss einiger kleinen Höfe und der 
Lichthöfe beträgt die Hoffläche 3020 m2. 
Der Wohnungstrakt im linken Flügel in der Berg¬ 
gasse gelegen, enthält sechs durch eine eigene Treppe 
zugängliche Wohnungen und zwar im Tiefparterre die¬ 
jenige des Hausdieners und des Traiteurs, im Hoch¬ 
parterre des Abteilungs-Kommandanten der Sicherheits¬ 
wachkaserne, im 1., 2. und 3. Stocke die Wohnungen 
des Vorstandes des Gefangenhauses, beziehungsweise des 
Vorstandes der II. Sektion, beziehungsweise des Vor¬ 
standes des Sicherheitsbureaus. Im Dachgeschosse sind 
Waschküche, Bügelzimmer und die Bodenabteilungen 
für die Wohnungen untergebracht. 
An den Wohnungstrakt schliesst sich das Zentral¬ 
meldungsamt, welches vom Tiefparterre bis zum 1. Stocke 
reicht. Gassenseits sind die nötigen Bureaus unterge¬ 
bracht, während das eigentliche Meldungsamt für den 
Parteienverkehr als Saalanbau in den Gebäudehof ein¬ 
gebaut ist und ebenfalls aus Tiefparterre, Hochparterre 
und 1. Stock besteht. Die verbaute Fläche des Saal¬ 
anbaues beträgt allein 570 m2. Die Parteienhalle reicht 
durch zwei Geschosse, besitzt eine Glasoberlichtdecke 
und hat eine Fläche von 88 m2. Zum Meldungsamte ge¬ 
hören auch ein 48 m2 grosser Raum für die Fremdenliste 
und ein Raum von 58 m2 für die Aufbewahrung der 
Hotelzettel. 
Das Fundament, rechts vom Turm an der Gebäude¬ 
ecke gelegen, enthält im Hochparterre eine 60 m2 grosse 
Halle mit Ausstellungskästen für die gefundenen Gegen¬ 
stände. Anschliessend sind die dazugehörigen Kanzleien 
und im Tiefparterre ein 51 m2 grosses Fundamtsmagazin 
angelegt. Den Anschluss an die Gefangenhaus-Abteilung 
bilden vier Räume für Telegraph, Telephon und pneu¬ 
matische Post. 
Im 1. Stocke sind untergebracht: sechs Räume für 
die Kriminalpolizei-Agentur, worunter der 57 m2 fassende 
Rapportsaal im Eckturme, vier Räume der Sektion II für 
Statistik, das Protokoll mit einem grossen Saale, der 
durch die zunächst liegende zweite Treppe bequem zu¬
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.