Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Seite 188. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 24. 
bar zu machen, was unzweifelhaft kostspieliger ist als 
die Herstellung einer Dachfläche. Im allgemeinen wird 
daher die Billigkeit der Ausführung für die Ziegeldächer 
sein. Nichtsdestoweniger gewähren die flachen Dächer 
so mannigfache andere Vorteile, dass es nötig wird, den 
Vergleich weiter auszudehnen: 
a) Dass sie einen freieren und nutzbareren Bodenraum 
gestatten als die in spitzen Winkeln auslaufenden 
steilen Dächer; 
b) dass sie den Bodenraum nicht verunreinigen, was 
unter Ziegeldächern infolge abfallenden Mörtels un¬ 
vermeidlich ist; 
c) dass Instandsetzungen von aussen, also auch bei 
gefülltem Raume vorgenommen werden können; 
d) dass sie eine gute Beleuchtung des Bodenraumes 
zulassen, ohne Dachfenster nötig zu haben, welche 
der Wasserdichtigkeit des Daches bekanntlich so 
sehr nachteilig sind; 
e) dass sie den Angriffen des Sturmes weniger aus¬ 
gesetzt sind und dass sie bei gleichem Inhalte eine 
geringere Höhe haben, was in Scheunen beim 
Reutern des Getreides, da dies zur Zeit der Ernte 
trifft, wegen Ersparung von Arbeitskräften nicht 
ohne Wert ist. 
Das flache Dach gestattet einen weit leichteren 
Verband und weniger, schwächere und kürzere Verband¬ 
hölzer. Was den Kostenpunkt anbelangt, so ist die 
Deckung eines flachen Daches, namentlich mit Asbest- 
Zement-Schiefer nicht teurer als ein Ziegeldach und be¬ 
sitzt dabei den grossen Vorteil, beinahe gar keiner 
Reparatur zu unterliegen. 
Werden diese wenigen, hier angeführten Gründe 
geeigneten Orts berücksichtigt, so kann der Landwirt 
billig und praktisch bauen, vorausgesetzt, wenn er einen 
Techniker zur Seite hat und nicht von herrschaftlichen 
Güterbeamten beeinflusst wird. C. P...p. 
Kanalisation und Wasserversorgung 
von St. Petersburg. 
Einem Berichte des Geheimrats Sinowjew, den er 
kürzlich als Stellvertreter des russischen Ministers des 
Innern an den Zaren erstattete, entnehmen wir nach der 
„Schweizerischen Bauzeitung“ die nachfolgende bemer¬ 
kenswerte Darstellung betreffend die Wasserversorgung 
und Kanalisation der russischen Hauptstadt. Das Abfuhr¬ 
wesen wird in St. Petersburg in ursprünglicher Weise 
gehandhabt, da die Stadtverwaltung über Pläne und 
Versuche zur Verbesserung desselben nicht hinaus¬ 
gekommen ist. Alle Abwässer, nicht selten auch Aus¬ 
wurfstoffe, werden durch ein Netz von hölzernen, zum 
Teil baufälligen Röhren in die Newa und ihre Kanäle 
geleitet, was zur Folge hat, dass das umliegende Erd¬ 
reich verunreinigt und sogar das Strassenpflaster unter¬ 
spült wird. Die menschlichen Abfallstoffe werden auf 
Abladeplätze gebracht, die jetzt durch die Ausdehnung 
der Stadt in unmittelbare Nähe der Wohnstätten gerückt 
sind. Seit etwa 30 Jahren beschäftigt sich die Peters¬ 
burger Stadtverwaltung mit der Frage einer regelrechten. 
Kanalisation, für deren Verwirklichung aber bisher noch 
wenig geschehen ist. Im Jahre 1876 wurde Bindley, der 
Erbauer der Warschauer Kanalisation, von der Stadt¬ 
verwaltung beauftragt, auch für Petersburg einen ge¬ 
eigneten Kanalisationsplan auszuarbeiten ; derselbe wurde 
im Jahre 1880 dem Stadtamte eingereicht, brauchte aber 
für Uebertragung ins Russische drei Jahre. Die Stadtver¬ 
waltung hat über diesen Entwurf keinen endgültigen 
Beschluss gefasst und im Jahre 1900 einen Wettbewerb 
für die Kanalisation von St. Petersburg ausgeschrieben. 
Nachdem am 1. (13.) Mai 1902 der letzte Tag für die 
Einlieferung der Entwürfe abgelaufen war, sind erst im 
Herbst desselben Jahres die Grundsätze bestimmt worden, 
nach denen die Prüfung stattzufinden hat. — Was die 
Versorgung der Stadt mit Trinkwasser betrifft, so ist im 
Laufe der letzten 30 Jahre die öffentliche Gesundheits¬ 
pflege Petersburgs auch nach dieser Richtung hin nicht 
verbessert worden. Petersburg wird mit Newawasser 
versorgt, dessen Entnahmestelle oberhalb der bewohnten 
Uferstrecken auf der schwächer besiedelten Flusseite 
liegt. Als im Jahre 1889 die Wasserversorgung der Stadt 
sich noch im Besitze einer Aktiengesellschaft befand, 
wurden zur Reinigung des Newawassers Filtrierbecken 
errichtet. Die Verunreinigung des Wassers nahm in¬ 
zwischen in besorgniserregenderWeise zu, gleichzeitig stieg 
der Wasserverbrauch von 110.700 Kubikmeter pro Tag 
im Jahre 1884 auf 196.800 Kubikmeter im Jahre 1894; 
im Jahre 1901 waren es 270.000 Kubikmeter im Tag, 
also bei einer Bevölkerung von einundeinviertel Millionen 
Seelen 216 Liter auf den Kopf. Trotz dieser Zunahme 
des Verbrauches ist die Vergrösserung der Filterflächen 
erst im Jahre 1898 erfolgt. Einzelne Stadtteile jenseits 
der Newa werden heute noch mit ungereinigtem Newa¬ 
wasser versorgt, das nach Untersuchungen des für diesen 
Zwreck eingesetzten Ausschusses heute ungefähr 2600 
niedere Lebewesen im Kubikzentimeter enthält. Selbst 
im gereinigten Newawasser sind noch 650 Keime in 
1 Kubikzentimeter ermittelt worden, während im Jahre 
1892 das ungereinigte Wasser deren nur 234 enthielt. 
Der aussergewöhnlich grosse Wasserverbrauch Peters¬ 
burgs, der etwa doppelt so gross ist wie der Londons 
und fast dreimal so gross wie der Berlins, beruht auf 
Wasservergeudung. Die Hausbesitzer, die der Stadt noch 
vor einigen Jahren eine bestimmte jährliche Durchschnitts¬ 
summe für den Wasserverbrauch entrichten mussten, 
benutzten möglichst viel Wasser zum Wegschwemmen 
der Unreinigkeiten, um dadurch an Abfuhrkosten zu 
sparen. Est seit dem 11. (24.) April 1900 ist in Peters¬ 
burg durch eine Regierungsverfügung die Zahlung nach 
Wassermessern eingeführt worden. Für die Quellen¬ 
wasserversorgung Petersburgs ist vom Techniker 
F. Sanders ein Plan ausgearbeitet worden, der empfiehlt, 
die etwa 107 Kilometer von der Stadt, bei Chrewizy be¬ 
findlichen, völlig einwandfreien Quellen zu fassen und 
der Stadt in einem Leitungsrohr von 2-75 Meter Durch¬ 
messer zuzuführen. Die Ergiebigkeit der Quellen wird 
von Sanders auf 369.000 Kubikmeter pro Tag geschätzt; 
die Wasserzuführung kann durch natürliches Gefälle be¬ 
wirkt werden. Nach den bisher ausgeführten geologischen 
Voruntersuchungen besteht die Annahme, dass infolge 
des Gefälles der Silurschichten von Nord nach Süd und 
infolge einer nachgewiesenen Aufblähung der Schichten¬ 
folge an der baltischen Bahn zwischen den Stationen 
Jelissawetino und Wolossowo sich im Nordosten von 
Chrewizy eine grosse Mulde befinden muss, die unab¬ 
hängig vom Relief der Oberfläche ein grosses Sammel¬ 
becken bildet, das die Quellen von Chrewizy und einige 
andere, weniger ergiebige, speist. Die nähere Erforschung 
dieser Quellen ist von der Petersburger Stadtverwaltung 
angeordnet worden. Bei der Unschlüssigkeit der letzteren 
wird aber Petersburg voraussichtlich noch auf Jahre 
hinaus auf Newawasser angewiesen sein.
	        
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