Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Nr. 17. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 133. 
Noch ärger erschien die Sachlage in der Galerie, 
weil hier die Möglichkeit des Entkommens wegen der 
Flügel mit oder ohne Anwendung von Gewalt zu öffnen; 
von allen dritten Flügeln haben aber nur zwei dem An¬ 
sturm nachgegeben, die anderen beharrten in ihrer ge¬ 
schlossenen Lage. Die drei Notausgänge in der Nord¬ 
wand des Parketts waren alle geschlossen und es konnten 
nur der westliche und der östliche geöffnet werden. Von 
den südlichen Ausgängen im Balkon war der nach dem 
Promenadenbalkon führende geschlossen und spottete 
allen Oeffnungsvorsuclien, während von dem hinteren 
Ausgange die eine Hälfte, das heisst ein Doppelflügel 
geöffnet war, der andere aber geschlossen blieb. Von 
den drei Notausgängen in der Nordwand konnte nur 
der untere (westliche) geöffnet werden. Von den süd¬ 
lichen Galerieausgängen war der untere, auf den oberen 
Podest führende ursprünglich geschlossen, wurde aber 
später gewaltsam geöffnet. Der mittlere Ausgang wurde 
nicht geöffnet, sondern vom Feuer zerstört. Der oberste 
(östliche) Ausgang war offen. Von den Notausgängen 
auf der Nordseite scheint man alle drei geöffnet zu haben, 
obgleich sie ursprünglich geschlossen waren. Die von 
der östlichen Galeriepromenade nach der schon erwähnten 
Nottreppe in die Vorhalle führende Tür war geschlossen. 
Die Theaterleitung hatte angeordnet, keine Türen vor 
Ende des vorletzten Aktes zu öffnen und einige Platz¬ 
anweiser wollten an dieser Bestimmung auch dann noch 
festhalten, als schon die Bühne in hellen Flammen stand. 
Von diesen Platzanweisern waren zwei oder drei in 
Galerie und Balkon und fünf im Parkett aufgestellt. Sie 
waren niemals unterrichtet worden, was ihnen im Falle 
eines Feuers zu tun obliegen würde und nur einer von 
ihnen wusste mit den Verschlüssen an den Notaus¬ 
gängen in der Nordwand Bescheid, weil er zufällig ein¬ 
mal aus Neugier eine dieser Türen geöffnet hatte. Eben¬ 
sowenig wie die Platzanweiser hatte das übrige Theater¬ 
personal Anweisungen irgend welcher Art erhalten. 
Von den Besuchern im Parkett sind nur wenige 
verunglückt, und diese sind entweder durch die Stich¬ 
flamme, durch vom Balkon oder von der Galerie herab¬ 
springende Personen oder in dem fürchterlichen Ge¬ 
dränge-an den Ausgängen von der Treppe in die Vor¬ 
halle getötet oder verletzt worden. 
Aus dem Balkon sind wohl nur diejenigen Besucher 
entkommen, welchen es möglich war, sich über die zum 
Parkett hinabführenden Treppen oder durch den unteren 
Notausgang in der Nordwand zu retten, denn drei Türen 
blieben vollkommen geschlossen, während die vierte nur 
zur Hälfte geöffnet wurde. Ein Platzanweiser sagte aus, 
dass er auch die andere Türhälfte hätte öffnen können, 
und dass er eigentlich nicht wisse, warum er es nicht 
getan habe. Die dieser hinteren Ausgangstür unmittelbar 
vorgelegten drei Stufen brachten in dem Gedränge und 
in der Dunkelheit die ersten der die Tür passierenden 
Menschen zu Fall; bald bildete sich auf dem Podeste 
wie in und hinter der Türöffnung ein unentwirrbarer 
Menschenhaufen. Innerhalb dieser Tür waren die Toten 
fast 2 Meter hoch aufgetürmt, was aus der bis zu jener 
Höhe wenig beschädigten, darüber aber völlig verkohlten 
Türbekleidung deutlich hervorging. Auch vor den ge¬ 
schlossenen Ausgängen, namentlich vor dem oberen 
Notausgange der Nordwand und in dem Gange hinter 
den Sitzreihen lagen die mehr oder weniger verbrannten 
Leichen angehäuft, aber auch in den übrigen Gängen 
waren die Flüchtenden von ihrem Geschicke erreicht 
worden und selbst in ihren Sitzen hat man viele mit 
geöffneten Augen vor sich hinstarrend gefunden. 
ausserordentlichen Steigung in den Gängen am geringsten 
und die Hitze am intensivsten war. Der Tod hat denn 
auch hier die meisten Opfer gefordert und gerettet 
haben sich in der Hauptsache nur diejenigen, welche ge¬ 
flohen waren, noch ehe die Flammen den Zuschauer¬ 
raum erreichten, oder welche das Glück gehabt hatten, 
sich in der Nähe des untersten Ausganges auf der 
Südseite und des untersten Notausganges in der Nord¬ 
wand zu befinden. Aus letzterem Ausgange brach sehr 
bald das Feuer hervor, wodurch den aus den oberen 
Notausgängen auf die eisernen Nottreppen geflüchteten 
Personen der Weg zur schmalen Gasse abgeschnitten 
wurde. Doch ist von diesen eine Zahl über eine schnell 
improvisierte Brücke nach dem an der etwa 3'5 Meter 
breiten Gasse dem Theater gegenüberliegenden Gebäude 
gerettet worden, von wo durch zufällig dort arbeitende 
Anstreicher Bretter und Leitern von einem Fenster zu 
den Eisentreppen hinübergeschoben wurden. Die mittlere 
Ausgangstür der Galerie nach Süden hin war geschlossen, 
indessen hätten hier infolge der schon erwähnten Stufen 
wohl nur wenige Menschen Gelegenheit zur Rettung ge¬ 
funden. Der Hauptstrom der Flüchtlinge drängte sich 
durch die oberste südliche Tür und von hier natürlich 
nicht seitlich über den P67 Meter breiten, sondern be¬ 
greiflicherweise in gerader Richtung über den 2-28 Meter 
breiten Treppenarm nach dem östlichen Promenadenteil, 
hoffend, von hier die Nottreppe und über diese die 
Strasse gewinnen zu können; so befanden sich die Un¬ 
glücklichen plötzlich am Fusse eines nur 0-91 Meter 
breiten Treppenlaufes vor einer verschlossenen Tür, 
während aus der Türöffnung, die sie eben passiert hatten, 
Flammen hervorbrachen und ihnen den Rückweg ab- 
schnitten. Wäre an Stelle der durch nichts bedingten 
massiven Mauer unter dem Podeste vor der mehrer¬ 
wähnten Türöffnung ein dem Zwecke vollauf ent¬ 
sprechendes Geländer angeordnet gewesen, so wäre an 
dem 2*28 Meter breiten Treppenarm vorbei und unter 
demselben hindurch für den grössten Teil der hier Ver¬ 
unglückten ein Rettungsweg frei gewesen. 
Lokale Baunotizen. 
Ausschmückung eines Restaurationslokales. Der 
Besitzer des beliebten Restaurationslokales „zur Glocke“ 
in Linz, Herr Hans Moser, der erst vor drei Jahren 
bedeutende Opfer für die Verschönerung seiner Garten¬ 
anlage gegen die Promenade zu gebracht hat, liess jetzt 
wieder seinen grossen Speisesalon in einer Weise neu 
ausstatten, die auch in jeder Grosstadt Gefallen finden 
würde. Besonders hervorzuheben sind die Malereien im 
sezessionistischen Stile am Plafond und an den Wand¬ 
flächen nach den Vorlagen des Architekten und Pro¬ 
fessors an der hiesigen Handwerkerschule Herrn M. Bai¬ 
zar e k, ausgeführt vom Maler Herrn Ferdinand Scheck, 
die schönen Tischlerarbeiten vom Tischlermeister Herrn 
Johann Appolt und die prächtigen Kachelöfen aus der 
bestrenommierten I. Linzer Tonöfenfabrik Karl Sc ha dl er, 
Der Plafond, ein längliches Viereck, wurde in Feldern 
von grüner und gelber Farbe eingeteilt und mit originellen 
ornamentalen Verzierungen geschmückt. Ebenso ist der 
Fries ausgestattet, während die Wandflächen an allen vier 
Seiten bis zu den Lambris pompejanisch gehalten sind. 
Die letzteren sowie die Eingangs- und Ausgangstüren, 
grün gestrichen, sind von eigentümlicher Formation und 
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