Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Seite 130. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 17. 
in Blüte stand, noch zum grössten Teile Holz. — 
Ueber die mittelalterliche Bauweise mich des weiteren 
auszulassen, verbietet heute wrohl die Kürze der Zeit. 
Von den Einrichtungen der mittelalterlichen Wohnhäuser 
ist uns leider nicht gar viel erhalten geblieben, da alles 
Erhaltene oft umgebaut worden ist, doch wäre immer¬ 
hin mit der Besprechung derselben ein ganzer Abend 
auszufüllen. 
Das Wohnhaus im allgemeinen war im Mittelalter 
Familienhaus, Zur Miete wohnten wohl auch manche, 
aber in einem Hause nie viele Parteien. 
Nun liegt es mir fern, das mittelalterliche Wohnungs¬ 
wesen hier vielleicht als Vorbild aufstellen zu wollen; 
im Gegenteil, die WohnungsVerhältnisse waren während 
der ganzen Zeit des Mittelalters geradezu desolate, wenn 
man von den Häusern des Adels und der Patrizier ab¬ 
sieht, die wiederum sehr schön und angenehm einge¬ 
richtet wraren. 
Das Zinshaus tritt erst ganz spät in die Erscheinung; 
so recht eigentlich erst im 18. und besonders im 19. Jahr¬ 
hundert mit der rascheren Zunahme der Bevölkerung 
und des Verkehres und was gleich hier bemerkt werden 
muss, nicht in allen Gegenden gleich intensiv. Der 
Westen als der kulturell vorgeschrittenere Teil Europas 
konnte sich nie, auch heute noch nicht mit dem Zins¬ 
haus befreunden. In England, Holland, Belgien und 
Westdeutschland über wog und überwiegt heute noch 
das Familienhaus. Das Charakteristiken in der Vorherr¬ 
schaft des Familienhauses oder des Zinshauses ist die 
durchschnittliche Behausungsziffer der Städte. Die Be¬ 
hausungsziffer nimmt in den deutschen Ländern von 
West nach Ost zu. Je weiter nach Osten, desto mehr 
Bewohner entfallen auf ein Haus. Heber die Behausungs¬ 
ziffer der deutschen Städte gibt eine Zusammenstellung 
des statistischen Amtes der Stadt Bremen einen Ueber- 
biiek. Danach steht Berlin mit etwas über 50 an der 
Spitze. Dann folgen Breslau mit 40*70, Posen mit 39, 
Stettin mit über 38, Magdeburg mit über 32, Chemnitz 
mit 30, München, Dresden mit 28, Leipzig mit 27, Ham¬ 
burg, Hannover, Stuttgart, Halle, Kiel, Kassel mit 20 bis 
25, Düsseldorf, Elberfeld, Barmen, Dortmund, Essen, 
Aachen, Nürnberg, Braunschweig, Frankfurt, Strassburg 
mit weniger als 20, Köln mit etwas über 15, Krefeld mit 
nicht ganz 14, Lübeck mit 8*7 und Bremen, wo das Ein¬ 
familienhaus eine grosse Rolle spielt, sogar nur 7*84 Per_ 
sonen auf ein Wohnhaus. In Bremen wird die Hälfte 
aller Häuser nur von je einer Familie bewohnt und zwei 
Drittel der Häuser von den Eigentümern selbst. Diese 
letzteren Städte, aber auch andere Städte in Westdeutsch¬ 
land beweisen, dass die moderne Städteentwicklung sehr 
wohl möglich ist, ohne dass man die Bevölkerung in 
Mietskasernen zusammenpfercht. 
Noch mehr zeigt dies aber das Beispiel von Holland, 
Belgien und England, wo überall das Einfamilienhaus die 
volkstümliche Wohnstätte bildet. 
Die neuen städtischen Strombäder im 
Wiener Donaukanale. 
Durch den Bau der Hauptsammelkanäle an beiden 
Ufern des Wiener Donaukanales wurde dieser Wasser¬ 
lauf vor Verunreinigungen geschützt und es war daher 
naheliegend, dass in den verschiedenen Vertretungskörpern 
wie in der Presse die Errichtung von Bädern im Donau¬ 
kanale wiederholt gefordert wurde. Das Bedürfnis nach 
derartigen Anstalten war unleugbar und wurde umso 
grösser, als mit dem Wachstum der Bezirke gegen 
Westen zu grosse Bevölkerungszentren entstanden, die 
fernab vom Hauptstrom der Donau liegen. Gerade auf 
das Baden im reichlich strömenden Wasser wird aber 
vom Publikum ein besonderes Gewicht gelegt, und so 
konnten die bestehenden sonstigen Kaltbäder keinen 
vollen Ersatz bieten, abgesehen davon, dass diese Privat¬ 
anstalten zu ihrer Erhaltung naturgemäss Preise fordern 
mussten, die von der minderbemittelten Bevölkerung 
schwer oder gar nicht aufgebracht werden konnten 
In Würdigung dieser Umstände hat sich der Stadt¬ 
rat und Gemeinderat wiederholt für die Errichtung von 
städtischen Bädern im Donaukanale ausgesprochen, und 
die Statthalterei erteilte ihre prinzipielle Zustimmung zur 
Inanspruchnahme des Kanales. Nach den gegebenen 
Verhältnissen konnten nur kleinere schwimmende Bäder 
in Frage kommen, deren mehrere an verschiedenen 
Uferstellen des Kanales angebracht werden sollten, um 
so den Bedürfnissen der einzelnen Bezirke gerecht zu 
werden. In diese generelle Aktion wurde auch ein vom 
Gemeinderate schon früher genehmigtes Bad im Donau¬ 
kanale bei Nussdorf einbezogen. Als es sich aber darum 
handelte, die erforderlichen Bewilligungen für die ein¬ 
zelnen Objekte zu erwirken, ergaben sich Schwierigkeiten 
mannigfacher Art. Die geringe Breite, die beträchtliche 
Strömung und die scharfen Kurven des Donaukanales 
machen es an sich schwer, Uferstellen zu finden, wo 
schwimmende Bäder, ohne die Schiffahrt zu beeinträch¬ 
tigen oder selbst durch Fahrzeuge gefährdet zu werden, 
bestehen können. Hiezu kam, dass gerade die geeignetsten 
Uferstellen, wie dies im Weichbilde einer Stadt auch 
nicht anders zu erwarten ist, schon von verschiedenen 
Interessenten in Anspruch genommen waren. Die Be¬ 
dingungen, deren Erfüllung von der Gemeinde seitens 
der Interessenten anlässlich der Vorverhandlungen für 
das Nussdorfer Bad gefordert wurde, waren daher so 
drückend, dass der Gemeinderat (am 12. September 1902) 
mit Bedauern auf die Realisierung des Projektes vor¬ 
läufig verzichtete und den Magistrat mit weiteren Ver¬ 
handlungen beauftragte. Schien damals die ganze Aktion 
ernstlich gefährdet, so ergab das weitere vom Gemeinde¬ 
rate (Mai 1903) beschlossene wasserrechtliche Verfahren 
ein wider Erwarten günstiges Resultat, und am 14. und 
23. Oktober 1903 wurden von der Statthalterei die wasser¬ 
rechtlichen Konsense für fünf städtische Donaubäder er¬ 
teilt. Es sind dies die Bäder: 1. bei der Nussdorfer 
Schleuse, 2. am linken Kanalufer oberhalb der Augarten- 
brücke, 3. am rechten Ufer unterhalb der Verbindungs¬ 
brücke, 4. oberhalb der Sophienbrücke und 5. bei der 
Kaiser Josqfsbrücke. Für den mit Kaimauern versehenen 
Teil des Donaukanales konnte die Bewilligung zur Er¬ 
richtung eines Bades bisher nicht erwirkt werden. Von 
diesen fünf Bädern wurde das Nussdorfer und jenes bei 
der Sophienbrücke zur Ausführung im Jahre 1904 be¬ 
stimmt. Für die Montierung der beiden Bäder war ur¬ 
sprünglich der Aufstellungsplatz des Nussdorfer Bades 
in Aussicht genommen. Von hier aus sollte das Bad 
Sophienbrücke mittels Remorqueurs flussabwärts gebracht 
werden. Es zeigte sich jedoch, dass die Passierung der 
Ferdinandsbrücke zwar nicht unmöglich, aber gefährlich 
gewesen wäre, und man entschloss sich, die in Nussdorf 
zusammengesetzten Pontons im Kanäle bis unterhalb der 
Wienflussmündung zu bringen, wo die breite Wasser¬ 
fläche in Verbindung mit dem Vorkai einen günstigen 
Montierungsplatz bot. Jedes Bad besteht aus einer
	        
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